Nachdem sie gegessen hatten, hatten sie noch eine Weile durch die verschiedenen Fernsehkanäle gezappt und Lee genoss es, so mir Ray zusammenzusitzen. Irgendwann hatte sie sich auf der Couch neben ihm eingerollt und war wohl während der letzten halben Stunde eingeschlafen. Lee lächelte, als er sah, wie sie vollkommen entspannt dalag. Mit einem leisen Seufzen angelte er sich die Fernbedienung vom Tisch und schaltete das Gerät aus. Dann sammelte er die Essenskartons zusammen und räumte sie auf. Nachdem er fertig war, trat er an die Couch heran. Einen Moment zögerte er, dann griff er nach Ray und hob sie vorsichtig auf seine Arme.
Sie regte sich im Schlaf und ihr Kopf fiel gegen seine Brust. Reglos verharrte Lee in der Bewegung, und hoffte, dass sie nicht aufwachte. Erst als ihre Atemzüge weiter regelmäßig blieben, entspannte er sich und machte sich mit ihr auf den Weg ins Schlafzimmer.
Er kam genau vier Schritte weit, dann erwachte Ray.
Sie blinzelte kurz, dann richtete sie sich in seinen Armen auf. Beinah hätte er sie fallengelassen.
„Lass mich runter!“, rief sie und strampelte mit den Beinen. Lee setzte sie ab und zog verwundert die Augenbrauen nach oben.
„Ich kann allein gehen“, erklärte Ray entschieden und er nickte. „Ich weiß. Aber du hast geschlafen.“
„Jetzt bin ich wach“, erwiderte sie, zuckte mit den Schultern. „Ich gehe schlafen.“
Lee schmunzelte, als sie auf dem Absatz kehrt machte und zum Schlafzimmer stolzierte. „Gute Nacht“, rief er ihr nach. Dann fiel die Tür auch schon ins Schloss.
Einen Moment sah Lee ihr noch nach, dann machte er sich kopfschüttelnd daran, sich selbst ein Bett auf der Couch zu bauen.
Nachdem er sich schließlich im Gästebadezimmer die Zähne geputzt und das Gesicht gewaschen hatte, entledigte er sich seiner Klamotten und kroch unter die Decke seines vorübergehenden Schlafplatzes.
Es dauerte nicht lange, dann war er auch schon eingeschlafen.
Rays Finger strichen über Lees Wange. Seine Haut prickelte unter ihren Fingern und sie versank in seinen himmelblauen Augen. Der Hauch eines Lächelns lag auf seinen Lippen und am liebsten hätte sie ihren Mund auf genau diese gepresst. Doch sie sah ihn einfach nur an, wagte kaum zu atmen, während sein Blick in ihr Innerstes zu sehen schien. Ein lauter Knall ließ sie zusammenzucken. Schreie ertönten und Lee wurde von ihr fortgerissen. Seine Fangzähne blitzten auf, als er den Mund in einem stummen Schrei öffnete und dann war da Blut. So viel Blut.
Zitternd starrte Ray auf ihre Finger, die von dem satten Rot getränkt waren. Die Galle stieg in ihr hoch und sie würgte.
„Lauf!“, schrie jemand dicht an ihrem Ohr und sie riss die Augen auf.
Erschrocken fuhr Ray in die Höhe. Einen Moment dauerte es, ehe sie begriff, wo sie sich befand. Mit den kalten Fingern fuhr sie über die weiche Bettdecke und versuchte die Erinnerungen an den wirren Traum zurückzudrängen.
Sie drückte die Schultern durch und leckte sich über die Lippen.
Ihr Mund war staubtrocken und auf ihrer Zunge klebte ein bitterer Geschmack. Angewidert verzog sie das Gesicht und blickte zur Tür. Sie könnte im Badezimmer einige Schlucke Wasser trinken, aber eigentlich hatte sie viel größere Lust auf eine süße Limonade.
Kurzentschlossen schwang sie ihre nackten Beine aus dem Bett, zog das T-Shirt, welches sie sich aus Lees Kleiderschrank genommen hatte, ein wenig nach unten und ging zur Tür, die in den Wohnbereich hinausführte. Dann legte sie das Ohr an das massive Holz und lauschte. Alles war still, offenbar schlief Lee inzwischen ebenfalls.
Einen Moment zögerte sie, dann drückte sie die Klinke vorsichtig nach unten. Angespannt lauschte sie dann, konnte aber nur ganz leise, gleichmäßige Atemzüge vernehmen.
Erleichtert verließ Ray das Schlafzimmer und huschte lautlos in den dunklen Raum. Trotz ihres übernatürlichen Sehsinnes konnte sie nur Umrisse ausmachen und hoffte, dass sie Lee nicht durch eine Unachtsamkeit wecken würde.
Sie hatte die Küche erreicht und öffnete gerade leise den Kühlschrank, als das Licht eingeschaltet wurde.
„Kann ich dir helfen?“
Mit einem spitzen Schrei fuhr Ray herum und starrte dann direkt auf einen splitternackten Lee.
Ihr Kiefer klappte nach unten, während ihr Blick ganz von selbst über seine breiten Schultern und die muskulöse Brust hinab zu seinem flachen Bauch wanderte. Himmel, er bedeckte ja noch nicht einmal seine Blöße, weshalb Ray selbst dort einen Sekundenbruchteil hinstarrte. Dann jedoch riss sie sich zusammen und schaute hinauf in sein Gesicht.
Er grinste schief und sie wusste auch ohne seine Gedanken lesen zu können, dass er bemerkt hatte, wie sie ihn angesehen hatte.
„Ich dachte, du schläfst“, erklärte sie und es klang beinah wie ein Vorwurf.
Es wunderte sie deshalb auch nicht, dass er die Augenbrauen nach oben zog. „Das dachte ich von dir ebenfalls.“
Sie schluckte und musste sich zwingen, seinen nackten Körper nicht weiter anzustarren, weshalb sie sich erneut dem Kühlschrank zuwandte. „Ich bin aufgewacht und wollte mir etwas zu trinken holen. Ich konnte ja nicht ahnen, dass du hier nackt herumgeisterst.“
„Aber ich hatte dich doch gewarnt, dass ich nackt schlafe“, entgegnete er hörbar amüsiert. Dummerweise hatte er das tatsächlich getan, wie ihr jetzt wieder einfiel.
Hastig bückte Ray sich nach einer Limonadendose und Lee konnte nicht anders, als ihr dabei auf den wohlgeformten Hintern zu starren, der von seinem eigenen Shirt nur geradeso bedeckt war.
Erst als sie sich wieder aufgerichtet und zu ihm herumgedreht hatte, gelang es ihm, ihr wieder ins Gesicht zu blicken.
Sie lächelte wissend. „Ich habe, was ich wollte“, sagte sie und wedelte mit der Dose in der Hand herum.
„Bist du dir sicher?“, fragte er und versperrte ihr weiterhin den Weg.
Sie schluckte, ehe sie entschieden nickte. „Absolut. Wenn du mich jetzt also vorbeilassen könntest…“
Sein Mundwinkel zuckte nach oben, als er sah, dass sein Körper durchaus eine gewisse Wirkung auf sie zu haben schien. Dann trat er einen Schritt zur Seite.
Als sie sich an ihm vorbeidrückte und dabei sehr darum bemüht war, ihn möglichst nicht zu berühren, beugte er sich ein Stück zu ihr hinüber. „Träum was Schönes“, flüsterte er ihr ins Ohr und stellte zufrieden fest, dass sie erschauderte, ehe sie hastig zurück in ins Schlafzimmer eilte und die Tür ins Schloss fiel.
Auf Lees Lippen schlich sich ein zufriedenes Grinsen, welches er nicht unterdrücken konnte. Er musste zugeben, dass er höchst zufrieden mit ihrer Reaktion auf ihn war. Auch wenn sie es nie zugegeben hätte, so hatte er doch gesehen, wie sie ihn angeschaut hatte und ihr hatte zweifelsohne gefallen, was sie gesehen hatte.