Lee nutzte ihre Überraschung, um sie beide zurück in seine Wohnung zu bringen. Mit ihren Worten hatte sie ihn ehrlich aus der Fassung gebracht. Ihr Blick war so intensiv gewesen, dass es ihm die Sprache verschlagen hatte und als sie ihn dann aufgezogen hatte, hatte es einen Moment gedauert, bis die Worte in seinen Verstand vorgedrungen waren.
Jetzt ließ er sie vorsichtig los und schaltete betätigte rasch einige Knöpfe auf seiner Alarmanlage, die sonst in wenigen Sekunden anschlagen würden, da er sich direkt ins Innere der Wohnung teleportiert hatte.
Als er sich dann zu ihr herumdrehte, sah er noch, wie sich Ray über die Arme strich, dann sah sie ihn an und räusperte sich. „Meine Tasche“, sagte sie und streckte ihm auffordernd die Hand entgegen.
Er verstand, was sie wollte und reichte ihr ihre Sachen. Mit einem Nicken nahm sie diese entgegen. „Ich packe eben aus und ziehe mich um“, erklärte sie und verschwand nach nebenan.
Lee sah ihr kurz nach, dann zog er selbst seine Jacke aus und ließ sich auf seinen Sessel fallen. Geräuschvoll stieß er seinen Atem aus, während er überlegte, wie es nun weitergehen sollte. Zwei Wochen hatte er sich von ihr erbeten und er wollte sie kennenlernen. Er wollte herausfinden, ob sein sechster Sinn ihm nur einen Streich gespielt oder tatsächlich seine Seelengefährtin entdeckt hatte. Was er allerdings nicht wusste war, wie er das anstellen sollte. So ungern er es zugeben wollte, er brauchte Hilfe.
Kurz überlegte er noch, dann rang er sich schließlich doch dazu durch und zog sein Mobiltelefon aus der Hosentasche. Er starrte auf die Kontaktdaten, ehe er fluchte. „Was soll’s“, murmelte er, wählte die Nummer und wartete auf das Freizeichen.
Am anderen Ende der Leitung wurde bereits nach wenigen Sekunden abgehoben. „Ja?“, meldete sich eine verschlafene Frau und Lee räusperte sich, ehe er seiner Stimme die Worte zutraute. „Ich brauche deine Hilfe“, brachte er dann tonlos hervor.
„Was ist passiert?“, hörte er seine Schwester alarmiert fragen und plötzlich klang sie deutlich wacher.
Nervös kaute Lee sich auf der Unterlippe herum. Er hatte sich zwar überlegt, dass sie ihm möglicherweise würde helfen können, aber er hatte keine Ahnung, wo er anfangen sollte, seine Situation zu erklären.
„Lee?“ Ruby klang ganz offenbar nervös und er wollte sie nicht unnötig auf die Folter spannen. „Ähm“, stammelte er deshalb wenig intelligent in das Gerät.
„Leander!“ Seine Schwester wurde almählich ungeduldig und er konnte es ihr nicht verübeln. Gerade holte er Luft, um irgendwo mit seiner Ausführung zu beginnen, da brachte sie ihn mit ihren Worten vollkommen aus dem Konzept. „Geht es um die Dämonin?“
„Was?“, rief er überrascht und glaubte, sich verhört zu haben.
Ruby schnaubte am anderen Ende hörbar. „Du dachtest wohl, ich habe nicht davon gehört? Aber Bastian hat uns informiert. Ich hoffe, sie hat dir bereits die Hölle heiß gemacht und du willst jetzt, dass wir dir den Hintern retten. Glaub mir, das werden wir tun, aber du bist selbst schuld, wenn du…“
„Moment mal“, unterbrach er ihren Ausbruch und schüttelte den Kopf, obwohl er wusste, dass sie das nicht sehen konnte. „Was zur Hölle hat Bastian dir erzählt?“
„Dass du bei dem Einsatz auf der Delour-Beerdigung eine Dämonin gerettet hast, weil du glaubst, sie könnte deine Gefährtin sein.“
Lees verärgerte Miene wurde wieder etwas neutraler. Das zumindest war vollkommen richtig.
„Bist du verrückt geworden?“ Ruby klang noch immer höchst aufgebracht.
„Ruby,…“, setzte Lee an, um ihr seine Entscheidung zu erklären, doch sie ließ ihn nicht weitersprechen.
„Nein. Nicht Ruby. Ich will gar nichts hören. Sie ist eine Dämonin!“
„Und was ist mit Taye?“ Lees Stimme war nun auch etwas lauter geworden, als er seinem Zorn Luft machte.
Stille.
Er meinte seine Schwester schlucken zu hören. Dann klang sie plötzlich deutlich sanfter. „Du denkst wirklich, eine Dämonin könnte deine Gefährtin sein?“
„Ja“, gab Lee entschieden zurück. „Und ich weiß, dass das verrückt ist.“
Ruby lachte freudlos. „Allerdings“, bestätigte sie. „Aber vermutlich nicht verrückter als die Sache mit mir und Taye.“
Ein Lächeln huschte über Lees Gesicht, als er sie das sagen hörte. Ja, diese Geschichte war ebenfalls nicht einfach gewesen und doch hatte Ruby in ihm ihren Gefährten gefunden und er hatte seine Schwester noch nie glücklicher gesehen. Wenn er nur halb so viel Glück mit Ray erleben könnte, wäre er vollkommen zufrieden.