Alles ging so schnell, dass Ray den Überblick verlor.
Die Jäger stürmten in den neuen Raum und sofort wurde das Feuer eröffnet. Schüsse dröhnten in ihren Ohren, während Bastian sich an ihr vorbeidrückte und dann ebenfalls ins Gefecht stürzte.
Einzelne Kugeln zischten durch die Tür und schlugen in der gegenüberliegenden Wand ein, es knallte, schepperte und immer wieder konnte sie verschiedene Stimmen ausmachen, die sich knappe Worte zuriefen. Was genau sie sagten, wusste Ray nicht.
Lee versperrte ihr mit seinem breiten Rücken die Sicht, doch sie musste zugeben, dass sie froh war, dass er bei ihr war. Allein hätte sie das hier sicher nicht überlebt.
Ray wusste nicht, wie lange es gedauert hatte, aber irgendwann waren die Schüsse verklungen. Von nebenan hörte man jetzt nur noch das Ächzen und Keuchen der Männer, die nun offenbar zum Nahkampf übergegangen waren.
Himmel, wie viele Dämonen mochten dort drüben nur sein?
„Lee!“ Bastians Schrei durchschnitt die Kampgeräusche und ließ Ray das Blut in den Adern gefrieren. In Lee schien er jedoch genau das Gegenteil auszulösen.
„Bleib hier!“, zischte er Ray zu und dann rannte er in Vampirgeschwindigkeit hinüber, um seinem Freund zu helfen.
Ray hörte ihn schießen und zuckte zusammen. Die Starre, in die sie verfallen war, wich aus ihren Gliedern und sie rückte etwas näher an den Türrahmen heran. Mit klopfendem Herzen lehnte sie sich vorsichtig nach vorn, um in das Nebenzimmer zu lugen.
Das Bild, das sich ihr bot, war abscheulich.
Der Boden des gigantisch großen Raums war über und über mit Blut und der Flüssigkeit von toten Dämonen besudelt, Patronenhülsen lagen überall verstreut und der Jäger, dessen Namen sie nicht kannte, lag nur wenige Schritte von ihr entfernt und rührte sich nicht.
Sie schluckte als sie im hinteren Teil die anderen entdeckte. CJ war gerade in einen Kampf mit drei Dämonen verwickelt, die unheimlich muskulös aussahen und mit verdammt scharfen Klingen auf ihn losgingen. Der blonde Jäger namens Eric blutete aus einer Wunde am Bein, weshalb es ihm offensichtlich schwer fiel, aufrecht zu stehen. Er bemühte sich, einen weiteren Dämon auszuschalten, was ihm allerdings nicht richtig gelingen wollte.
Bastian hockte etwas entfernt. Sein Oberkörper war nach vorn gebeugt und er spukte Blut, während er die Hände auf seinen Bauch presste, wo er offenbar versuchte eine enorme Blutung zu stillen.
Lee rang mit zwei Dämonen, die sich wohl auf ihn gestürzt hatten, als er Bastian zur Hilfe geeilt war.
Und dann entdeckte Ray Isaac.
Erschrocken schlug sie die Hand vor den Mund, als sie ihn ganz am anderen Ende des Raumes bewusstlos in einem Zirkel liegen sah.
Panik erfasste sie und ihr Puls begann zu rasen, während das Adrenalin durch ihre Adern schoss. Sie musste etwas tun!
Ohne länger darüber nachzudenken, schoss sie durch den Türrahmen hindurch. So schnell sie konnte durchquerte sie den Raum und blieb erst stehen, als sie am Rand des Zirkels angekommen war.
„Ray! Verschwinde von hier!“, hörte sie Lee rufen, doch dann landete auch schon die Faust seines Widersachers in seinem Gesicht.
Ray wandte rasch den Blick ab und verwischte ein Symbol auf dem Boden, um ihren Bruder zu befreien. Als der Zirkel somit aufgelöst war, kroch sie zu ihrem Bruder.
„Isaac!“, rief sie und rüttelte an seinen Schultern. „Isaac! Wach auf!“
Die Angst schloss ihre eisigen Finger um ihr Herz, als sich Isaac nicht rührte und volle Panik schaute sie hinüber zu Lee.
Sein Gesicht war inzwischen von Blut verschmiert und in seinem Arm steckte eine Klinge. Seine Widersacher sahen nicht unbedingt besser aus. Auch sie waren verletzt, einer von ihnen blutete am Hals, aber trotzdem schienen sie Lee noch nicht in Ruhe lassen zu wollen. Und auch die anderen Jäger sahen nicht so aus, als ob sie ihre Kämpfe bald gewinnen würden.
Verflucht!
Noch einmal schüttelte Ray ihren Bruder und als er diesmal blinzelnd die Augen öffnete, hätte sie am liebsten vor Freude geschrien. Aber das schmerzerfüllte Stöhnen, dass Lee in diesem Moment ausstieß, riss sie mit solch brutaler Wucht in die Realität, dass sie alarmiert zu ihm sah.
„Was ist mit deinen Zähnen?“, hörte sie Isaac entsetzt fragen und sie ahnte, dass er ihre Fänge meinte, die aufgrund des Blutgeruchs hervorgetreten waren.
Sie ignorierte ihren Bruder und konzentrierte sich ganz auf die Schatten, die in ihr ruhten.
Sie musste Lee helfen. Und zwar schnell!