Als Lee am nächsten Abend aufwachte, streckte er seine steifen Knochen. Seine Couch war zwar nicht gerade unbequem und bietete für ihn eigentlich auch ausreichend Platz, aber dennoch war sie nicht mit seinem Bett zu vergleichen. Mehrmals war er während der vergangenen Stunden aufgewacht und hatte sich anschließend herumgewälzt, bis er endlich wieder eingeschlafen war.
Müde rappelte er sich deshalb jetzt hoch und griff nach seiner Jeans, die über dem Sessel hing. Als er diese angezogen hatte, stapfte er in die Küche um Kaffee anzusetzen.
„Guten Morgen“, ertönte Rays Stimme hinter ihm, als er gerade den Start-Knopf der Maschine betätigt hatte.
„Morgen“, erwiderte er den Gruß und drehte sich zu ihr herum. Sie war das absolute Gegenteil von dem, wie er sich fühlte. Frisch und ausgeschlafen stand sie vor ihm. Das Haar hatte sie gekämmt und zu einem seitlichen Zopf geflochten, der ihr über die linke Schulter fiel. Sie lächelte und sah so munter aus, dass Lee sie ehrlich beneidete.
„Dann gehe ich mal duschen“, murmelte er und stapfte hinüber in sein Schlafzimmer. Es überraschte ihn nicht, dass das Bett ordentlich gemacht war. Offenbar war Ray schon eine Weile wach.
Seufzend betrat Lee seinen Kleiderschrank, schnappte sich einige frische Stücke und verschwand dann im Badezimmer. Als er unter den kalten Strahl der Dusche trat, erwachten seine Lebensgeister langsam.
Die Müdigkeit kroch langsam aus seinen Knochen, während das kühle Wasser sein übriges tat.
Nachdem er sich schließlich abgetrocknet und angezogen hatte, schlenderte er mit schon deutlich besserer Laune zurück in die Küche.
Der Geruch von frischem Kaffee trieb ihm ein breites Lächeln auf die Lippen und als er sah, dass Ray bereits an der Theke platzgenommen hatte, trat er zu ihr. Vor ihr stand ein dampfender Becher und als er sich auf den Barhocker zu ihrer Linken fallen ließ, schob sie ihm ebenfalls eine Tasse zu. „Ich wusste nicht, wie du ihn magst“, sagte sie und deutet auf das heiße Getränk.
„Schwarz“, entgegnete Lee und nahm einen großen Schluck.
„Meinst du, wir könnten nachher in meine Wohnung fahren und ein paar Sachen holen?“
Überrascht sah Lee sie an. Eigentlich hatten sie das schon gestern Abend vorgehabt, aber dann hatte sie telefonieren wollen und irgendwie… Er hatte vollkommen vergessen, dass sie hatten gehen wollen.
Jetzt musterte er kurz ihre Erscheinung und stellte fest, dass sie die gleiche Kleidung trug, die sie auch am Vorabend angehabt hatte.
„Entschuldige, ich hatte ganz vergessen…“
Mit einer Handbewegung unterbrach sie ihn. „Schon gut, ich habe ja selbst nicht mehr daran gedacht.“ Sie lächelte. „Im Badezimmerschrank hab ich eine neue Zahnbürste gefunden. Die habe ich mir genommen.“
Er nickte. Tatsächlich bewahrt er dort einen kleinen Vorrat an Hygieneprodukten auf und er war froh, dass sie sich daran bedient hatte. „Willst du etwas frühstücken oder wollen wir direkt los?“
„Mir genügt der Kaffee. Aber wenn du vorher noch etwas Essen möchtest…“
Lee grinste. „Nein, ich brauche auch nur den.“ Er schwenkte den Becher hin und her und nahm dann einen weiteren großen Schluck.
In einvernehmlichem Schweigen tranken sie beide ihren Kaffee und Lee musste zugeben, dass er die Stille genoss. Er war sonst eigentlich nicht der Typ, der gern schwieg, aber an Rays Seite fühlte sich dieser Moment seltsam friedlich an. Er könnte sich durchaus daran gewöhnen, auf diese Weise in den Tag zu starten.