Ying Long (chin. 應龍, vereinfacht 应龙, auch Yinglong, Ying Lung, dt. Empfänglicher Drache) sind geflügelte Drachen der chinesischen Mythologie, die als Regengötter angebetet werden. Der Name bedeutet übersetzt etwa "Ansprechbarer Drache" oder "Antwortender Drache".
Etymologie
Der Name dieser Kreatur kombiniert yìng 應 "antworten; entsprechen; zustimmen; nachkommen; versprechen; anpassen; anwenden" und lóng 龍, das chinesische Wort für "Drache". Obwohl das frühere Zeichen auch ausgesprochen wird (mit einem anderen Ton) yīng 應 "sollte; müssen; richtig; geeignet", bedeutet yinglong 應龍 definitiv "reaktionsfähiger Drache bzw. reagierender Drache" und nicht "richtiger Drache". Da man sich in Anbetung von Drachenfiguren von diesem Drachen gutes Wetter und damit gute Ernte erhoffte.
Merkmale
Der Ying Long hat den Körper eines riesigen Karpfens, mit den Beinen eines Tigers, den Krallen eines Adlers, die Hörner eines Hirschs und unterscheidet sich vom Qui Lóng durch das Vorhandensein von einem Paar Flügeln. Damit gehört der Ying Long zu den wenigen östlichen Drachen, welche Flügel tragen. Andere Quellen beschreiben den Ying Long, mit dem Kopf eines Kamels, Ohren einer Kuh, Bauch eines Frosches, Pfoten eines Tigers, lange Schnurrhaare einer Katze, Augen eines Dämons, langer Hals einer Schlange, den Krallen eines Adlers, Hirschhörnern und charakteristischen Flügeln. Ying Long haben keine sichtbaren Schuppen.
Ying Long sind Wächter der Wasser der Erde und mit den Wolken des Himmels verbunden. Sie sind in der Lage Regen und Winde zu erzeugen und Wasser aller Art zu kontrollieren. Unter den Lóng sind die mächtigsten in ihren Künsten.
Da Ying Long eine weiterentwickelte Form derQui Lóng sind und sich viele Merkmale teilen, tragen sie die Perle der Weisheit ebenfalls in ihrem Mund.
Ying Long sind in der Lage, ihre Gestalt zu wandeln. Sie können sich unsichtbar machen und ihre Größe auf die Größe einer Seidenraupe (Bombyx mori) (2 Millimeter bis 10 Zentimeter, je nach Wachstumsstadium) verkleinern oder sich so sehr vergrößern, dass sie die gesamte Sonne verdecken.
Aus den Nasenlöchern steigt Rauch oder Feuer, insbesondere wenn die Ying Long zwischen Regenwolken fliegen.
Ying Long sind in der Lage Regen und Dürren zu kontrollieren und können auch als Regenbringer auftrete.
Vorkommen
Ying Long besiedelt den chinesischen Raum und ist meist im Luftraum anzutreffen. Guo Pu (Chinesisch: 郭璞; 276–324 n. Chr.), Höflichkeitsname Jingchun (Chinesisch: 景純; Pinyin: Jǐngchún), ein chinesischer Historiker, Dichter und Schriftsteller während der östlichen Jin-Zeit, merkt in einem seiner Kommentare an, dass es im Süden Chinas mehr regnen würde, da sich dort mehr Ying Long niedergelassen haben.
Lebensweise
Ernährung
Ying Long bevorzugen wie alle anderen Lóngdrachen Schwalben als Nahrung.
Fortpflanzung und Metamorphose
Über die Fortpflanzung der Ying Long ist nicht viel überliefert. Fest steht, dass sie sich aus einem Qui Lóng entwickeln, wenn dieser ein Alter von 1000 Jahren erreicht.
Kulturelle Bedeutung
Mythologie
Laut dem Chuci (chinesisch 楚辭 / 楚辞, Pinyin Chǔcí, W.-G. Ch'u-tz'ŭ), also Elegien oder Gesänge aus Chu, einer Sammlung von Gedichten aus dem Süden Chinas, verhalf der Ying Long dem König Yu, dem mythischen Begründer der Xia-Dynastie, bei der Bewältigung einer großen Flut. Nachdem diese Flut überstanden war, teilte der König das damalige China in neun Provinzen ein.
Das Shānhǎijīng (chinesisch 山海經 / 山海经, Pinyin Shānhǎi Jīng), übersetzt mit "Klassiker der Berge und Meere" erzählt, wie ein Ying Long den Kriegs- und Regengott Chi You und den Riesen Kua Fu tötet, die gegen den gelben Kaiser, einen Vorfahren des Königs Yu, rebellierten. In Folge dieser Tat konnte der Ying Long nicht mehr in den Himmel zurückkehren. Dies führte zur Entwicklung von Trockenzeiten (im Shānhǎijīng ist der Ying Long eher eine singuläre Kreatur, als eine Gruppe von Drachen).
In einer alternativen Fassung gelingt es dem Ying Long nicht, die Kontrahenten zu besiegen, sodass die Tochter des Gelben Kaisers, Ba 魃(eine Dürredämonin) entsendet wird und die beiden Gegner zur Strecke bringt.
In beiden Fassungen nutzt der Ying Lóng seine Kontrolle über Wasser, um die Gegner zu bekämpfen.
Taxonomische Stellung
Laut dem Huainanzi (chinesisch 淮南子 – "Meister von Huainan") ist ein unter der Leitung von Liu An (劉安; 180–122 v. Chr.), dem Prinzen von Huainan, geschriebenes Werk der chinesischen Philosophie, stammen alle Tiere von Drachen ab. Dabei ist der Ying Long der Vorfahre des Kirin, welches der Vorfahr aller behaarten Vierbeiner (Säugetiere) ist.
Ein Qui Lóng kann nach einer Lebenszeit von 1000 Jahren zu einem Ying Long werden, damit ist der Ying Long keine eigene Spezies, sondern ein Lebensabschnitt mancher Lóng und stellt im taxonomischen Stammbaum der Drachen keine eigenständige Art dar, auch wenn es sich klar um einen Drachen handelt.
Da der Ying Long als letzte Form der Metamorphose eines Lóng (bzw. mancher Lóng) angesehen wird, entspricht er in seiner Entwicklungsform dem japanischen Hai Ryū, der diese Rolle für die japanischen Ryū einnimmt.
Nur wenige Lóng bilden diese Metamorphose-Form aus, so ist der Azurdrache des Ostens ein Ying Long und die Fēilóng. In einigen Erzählungen ist der Kaiser Yu (auch Gaomi oder Yuhuang genannt) ein Ying Long.
Die geflügelten, adulten Ying Longdrachen stehen den ungeflügelten, adulten Qui Lóngdrachen gegenüber.
Nachweise
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