Die Kalaviṅka (sanskrit कलविंक) ist ein Vogel-Mensch-Hybrid, welches ursprünglich aus der indischen Mythologie stammt und mit dem Buddhismus sich in ganz Asien verbreitet hat.
Die Art wird in anderen Sprachen als pali: karavika; chinesisch: 迦陵頻伽 Jiālíngpínqié oder 好音鳥 Kōonchō ("wohlklingender Vogel"); japanisch Karyōbinga (jap. 迦陵頻伽 (Kanji) かりょうびんが (Hiragana)), manchmal auch als Kyōmeichō oder Myōonchō ("Exquisit klingender Vogel"), koreanisch: 가릉빈가; vietnamesisch: Ca Lăng Tần Già; burmesisch: ကရဝိက် karawik; thai: การเวก, malaiisch: karawek bezeichnet.
Merkmale
Kalaviṅka besitzen einen menschlichen Kopf, einen Vogel-Torso und einen langen, wallenden Schwanz. Im Bereich der Schultern setzen nicht nur Vogelflügel an, sondern auch menschliche Arme. Kalaviṅka gelten als unsterblich. Kalaviṅka besitzen besonders schöne Stimmen, mit denen sie die Dharma (buddhistischer Verhaltenskodex). Bereits im Ei singen Kalaviṅka diese Dharma. Weiter sind sie in der Lage, himmlische Musikinstrumente zu spielen.
Verbreitung
Die Heimat des Kalaviṅka ist das Nirvana. Dieser Ort entspricht einer idealen Welt und gilt als Ort der Wünsche und bietet auch eine Fluchtmöglichkeit vor den Ängsten und Widrigkeiten des Alltags. Der Ort ist durchzogen von spirituellen Weisheiten und steht unter dem Schutz des Amida Buddha. Der Jīvaṃjīvaka ist zudem eine von sechs "Vogelarten", welche das Nirvana bewohnen, des Weiteren zählen hier weiße Schwäne, Pfauen, Papageien, Beos (Gracula religiosa; auch Mynah genannt und zu den Staren zählend) und die ebenfalls mythologischen Jīvaṃjīvaka dazu.
Lebensweise
Verhalten
Sie tanzen, spielen Musik und singen von den Heiligen Schriften und den Worten Buddhas.
Fortpflanzung
Obwohl die Art unsterblich ist, betreibt sie ein gewisses Maß an Fortpflanzung und schlüpft aus Eiern. Einzelheiten zu dieser Absonderlichkeit und warum sie nicht irgendwann in einer Überpopulation enden, ist nicht bekannt.
Kulturelle Bedeutung
Künstlerische Darstellungen
Burmesische Kunst
Die Karaweik wird häufig als Motiv auf traditionellen burmesischen Königsschiffen verwendet. Die Karaweik auf dem Kandawgyi-See in Yangon ist eine ikonische Reproduktion der königlichen Karaweik-Barke. [1]
Chinesische Kunst
In der chinesischen Wandmalerei wird die Kalaviṅka als Wesen mit Menschenkopf und Vogelkörper dargestellt. In den Wandmalereien von Dunhuang (敦煌) erscheinen sie als tanzende und musizierende Figuren.
Japanische Kunst
Ein bekanntes Beispiel, in der japanischen Kunst, ist das Paar durchbrochen geschnitzter Kalaviṅka (Sukashibori) auf einem buddhistischen Hängeornament namens "Keman", welches in der Goldenen Halle des Chūson-ji-Tempels in der Präfektur Iwate verwendet wird.
In einem anderen Keman aus der Edo-Zeit (1603 bis 1868) stehen die Kreaturen aufrechter auf zwei Beinen und ähneln daher mehr einem Menschen.
In der antiken höfischen Tanzaufführung ist Gagaku-Karyobin (迦陵頻) der Name eines Tanzes, der Kalaviṅka zum Ausdruck bringt und zusammen mit Kochō (胡蝶; einem Tanz mit Schmetterlingsmotiv) getanzt wird. Der Paartanz wird Tsugai-mai (番舞) genannt.
Ein Kalaviṅka-Gemälde mit den Pinselstrichen von Hasegawa Tōhaku befindet sich in Daitoku-ji (Kyoto) im Kinmōkaku (金毛閣), das vom Teemeister Sen no Rikyū errichtet wurde.
Tangutische Kunst
Das Kalaviṅka ist ein häufiges Merkmal der tangutischen Kunst (Tanguten: sinitisches Volk im Gebiet der heutigen chinesischen Provinzen Innere Mongolei), die während der Westlichen Xia-Zeit (1038–1227) entstand.
Mythologie
Kalaviṅka wurde aus einem der Köpfe von Vishwaroopacharya geboren, welcher von Indra enthauptet wurde. Indra war wütend, als sich herausstellte, dass Vishwaroopacharya Dämonen statt Götter anbetete. Indra schnitt ihm drei Köpfe ab, aus denen Kalaviṅka, Kapinjala (Rebhuhn) und Tittiri (ebenfalls ein Rebhun) wurden.
Trivia
- Die Kalaviṅka des Ornaments des Chūson-ji-Tempels in der Präfektur Iwate wurde auf einer am 1. November 1962 herausgegebenen 120-Yen-Dauerbriefmarke abgebildet.
- Kawakami Sadayakko (jap. 川上 貞奴; * 18. Juli 1871 in Tokyo, Kaiserreich Japan; † 7. Dezember 1946 in Atami, Japan; Künstlername "Sada Yacco"), die als erste im Ausland lebende japanische Schauspielerin gilt, baute gegen Ende ihres Lebens eine Villa in Unumahōshakujichō, Kagamihara, Gifu. Die Villa wurde von Itō Hirobumi Banshōen (萬松園) getauft, und der Raum mit dem buddhistischen Altar besitzt ein Deckengemälde mit Kalaviṅka, das von außen zu sehen ist (Das Anwesen kann an dienstags zum Vormittag besucht werden).
- Der Manga Traumsaga (夢幻伝説 タカマガハラ, Mugen Densetsu Takamagahara) von Megumi Tachikawa basiert auf einer Amano-Iwato-Legende, in der ein heiliger Vogelcharakter erscheint.
- Kalavinka ist die 9. Single des 10. Albums Sexy Stream Liner des Interpreten Buck-Tick. Es handelt sich um ein Lied des Industrail Rock und Elektropunk Genres.
- Die Marke des in Tokio ansässigen Unternehmens Tsukumo Cycle Sports heißt Kalavinka. Viele der Fahrräder sind mit dem Karyōbinga-Kanji sowie einem Abzeichen am Lenker versehen, welches das Bild des Karyoubinga mit dem Kopf eines Bodhisattva Bosatsu und dem geflügelten Körper eines Vogels zeigt.
Symbolik
Sie werden normalerweise in Gemälden und Skulpturen als Symbole des Paradieses und der Worte Buddhas verwendet.
Taxonomische Stellung
Kalaviṅka sind Hybridwesen aus Vogel (einem Reptil) und Mensch, was sie zu reptiloiden Mischwesen macht und damit Drachen. Ihre Einordnung in die tieferen Ebenen des Stammbaums gestaltet sich als schwierig. Der Torso ist der eines Vogels, was sie zu den Dinosaurierdrachen und letztlich den Raptorendrachen macht. Allerdings besitzen sie insgesamt sechs Extremitäten (2 Arme, 2 Flügel, 2 Beine), während für die meisten Raptorendrachen vier Extremitäten (2 Arme oder Flügel, 2 Beine) typisch sind. Trotz dieser Abweichung vom Grundbauplan, sind sie klar als Raptorendrachen zu erkennen und werden diesen zugerechnet.
Edward H. Schafer weist darauf hin, dass die Kalaviṅka in der religiösen Kunst Ostasiens häufig mit der Kinnara verwechselt wird, welche ebenfalls ein mythisches Hybridwesen ist, das halb Mensch, halb Vogel ist. Tatsächlich handelt es sich bei den beiden Wesen jedoch um unterschiedliche Wesen, die nichts miteinander zu tun haben, aber sie könnten eine nähere Verwandtschaft besitzen.
Bilder
[1] https://en.wikipedia.org/wiki/File:Karaweik-Palace.JPG
Nachweise
- Bhagavata Purana. Canto 6 Chapter 9 Verse 5
- "* Kalavinka * Tsukumo Cycle Sports". https://web.archive.org/web/20061028204823/http://www.kalavinka-bikes.com/index_j.htm Abgerufen am 5.03.2025
- Kojien dictionary, 2nd rev. ed., 1976,
- Schafer, Edward H. (1963). The Golden Peaches of Samarkand: A Study of Tʻang Exotics. University of California Press. p. 103.
- Shinchosha (1985). 新潮世界美術事典 (Shincho Encyclopedia of World Art). Shinchosha. ISBN 4-10-730206-7.
- The American Philatelist, volume 76, number ?, 1962, p.70: "A 120-yen stamp in one-color photogravure will be released Nov. 1. 1962, depicting Keman-no-karyōbinga
- Hepburn, James Curtis (1903). A Japanese-English and English-Japanese dictionary (google). p. 270. https://books.google.de/books?id=oJtBAAAAYAAJ&pg=PA270&redir_esc=y#v=onepage&q&f=false Abgerufen am 5.03.2025
- Yokai.com "Karyōbinga": https://yokai.com/karyoubinga/ Erneut abgerufen am 26.06.2024
- "迦陵頻伽 - 教育百科". Cloud.edu.tw. Ministry of Education, Republic of China. https://pedia.cloud.edu.tw/Entry/Detail/?title=%E8%BF%A6%E9%99%B5%E9%A0%BB%E4%BC%BD Abgerufen am 5.03.2025
- "평창 올림픽 개막식 인면조의 정체는 '가릉빈가'?" (in Korean). https://www.khan.co.kr/article/201802100129001 Abgerufen am 5.03.2025