Die Minogame (jap. 蓑亀 (Kanji) みのがめ (Hiragana), zu deutsch "Strohmantelschildkröte") ist eine mit Algen (Moos, eigentlich Grünalgen) bedeckte Schildkröte, die seit der japanischen Antike in verschiedenen literarischen und künstlerischen Werken beschrieben wurde.
Merkmale
Minogame sind langlebige Schildkrötenwesen, aus deren Panzern lange Algenstränge wachsen. Die Algen fallen von ihren Schalen herab und ähneln dem Strohregenmantel (Mino) eines Bauern, von dem sie ihren Namen haben. In anderen Fassung sind diese Algen der Schwanz selbst bzw. der Schwanz besteht nur aus den Algen. Gelegentlich tragen sie auch Algen auf dem Kopf.
Minogame besitzen einen giftigen Atem, der eingeatmet nach einer kurzen Zeitspanne tödlich ist. Die Wesen besitzen eine lange Lebensdauer und können weit über 10.000 Jahre alt werden.
Vorkommen
Minogame sind aus der Region Tōhoku, genauer der Präfektur Iwate, historisch belegt. Die Minogame finden sich in Darstellungen in ganz Japan, was vermuten lässt, dass ihr Verbreitungsgebiet deutlich größer gewesen ist.
Lebensweise
Verhalten
Minogame verhalten sich wie gewöhnliche Schildkröten. Sie verbringen die meiste Zeit im Wasser und sonnen sich gerne auf Felsen oder Baumstämmen.
Kulturelle Bedeutung
Mythologie
Die Minogame aus Iwate
Einer Legende zufolge aus der Präfektur Iwate fischten drei junge Männer in einem Teich, als plötzlich ein riesiges Minogame mit Haaren auf Kopf und Körper aus dem Wasser auftauchte. Die Schildkrötenkreatur öffnete ihr Maul und stieß eine giftige Gaswolke über die jungen Männer aus. Sie hatten große Angst und rannten zurück in ihre Häuser. Doch ihnen war die Flucht nur temporär geglückt, wenig später starben alle drei an dem Gift.
Urashima Tarō
Vor langer Zeit lebte ein Fischerjunge namens Urashima Tarō. Jeden Tag ging er ans Meer und fischte, um sich und seine alte Mutter zu ernähren. Eines Tages, als er mit seinem mageren Fang nach Hause zurückkehrte, entdeckte er eine Gruppe Jungen, die am Strand eine Schildkröte folterten. Er hatte Mitleid mit dem armen Tier und bot an, ihnen die Schildkröte von seinem Tagesfang abzukaufen. Die Kinder nahmen den Handel an und Tarō ließ die arme Schildkröte zurück ins Meer. Als die Schildkröte in die Wellen schwamm, blickte sie scheinbar aus Dankbarkeit zu Tarō zurück.
Am nächsten Tag kehrte Tarō vom Angeln nach Hause zurück, als plötzlich von einer großen Welle eine riesige Schildkröte angespült wurde. Die Schildkröte verneigte sich vor Tarō und begann zu sprechen. Sie war der Vater der Schildkröte, welche Tarō tags zuvor gerettet hatte, und dankte dem jungen Mann überglücklich. Als Belohnung bot die Schildkröte an, Tarō nach Ryūgū zu bringen, dem Palast des Drachenkönigs der Meere.
Urashima Tarō kletterte auf den Rücken der Schildkröte, welche nur wenig später ins Meer tauchte. Sie gingen tiefer und tiefer, bis ganz auf den Grund des Meeres. Dort näherten sie sich einem prächtigen Palast. Eine schöne junge Prinzessin namens Otohime verließ den Palast und hieß Tarō in Ryūgū willkommen.
Im Inneren des Palastes schwammen Fische in der großen Halle hin und her. Für Urashima Tarō wurde ein großes Bankett veranstaltet und ihm zu Ehren eine Party veranstaltet. Er hatte noch nie ein so großes Fest und eine so große Gastfreundschaft erlebt. Otohime lud Tarō ein, solange in Ryūgū zu bleiben, wie er wollte. Es war ein wahr gewordener Traum. Die schöne Prinzessin servierte, und Tarō aß und trank, und bald verlor er jegliches Zeitgefühl.
Eines Tages brachte Otohime Tarō in einen Raum im Palast mit vier großen Fenstern. Sie öffnete das erste Fenster und dahinter war eine Frühlingsszene mit zwitschernden Vögeln und blühenden Blumen zu sehen. Tarō staunte über die Schönheit. Otohime öffnete das zweite Fenster und offenbarte eine Sommerszene. Zikaden sangen und eine angenehme Brise wehte auf Tarōs Gesicht. Als Nächstes öffnete Otohime das dritte Fenster zu einer Herbstszene. Tarō staunte über das bunte Laub der Bäume. Schließlich öffnete Otohime das vierte Fenster. Tarō starrte in eine kalte und verschneite Landschaft. Es sah aus wie sein Fischerdorf und erweckte in ihm Heimweh. Er dachte an seine Mutter, die er zurückgelassen hatte, und wie sie sich Sorgen um ihn gemacht haben musste. Tarō wandte sich an Otohime und dankte ihr für die Gastfreundschaft. Dann sagte er ihr, dass er zu sich nach Hause zurückkehren müsse. Otohime flehte ihn an zu bleiben, aber Tarō wollte seine Meinung nicht ändern.
Als Otohime erkannte, dass Tarō nicht zum Bleiben überredet werden konnte, gab sie nach. Sie gab ihm eine kleine Schachtel als Andenken an seine Zeit in Ryūgū und in der Hoffnung, dass sie sich eines Tages wiedersehen würden. Sie warnte Tarō eindringlich, die Schachtel niemals zu öffnen. Tarō nahm die Kiste dankend entgegen und ritt dann auf dem Rücken einer riesigen Schildkröte nach Hause.
Doch als Tarō in sein Dorf zurückkehrte, sah nichts mehr so aus, wie er es kannte. Er erkannte niemanden, und auch ihn erkannte niemand. Tarō erkundigte sich bei einem Dorfbewohner, ob dieser das Haus eines Urashima Tarō kennen würde. Tatsächlich kannte der Dorfbewohner den Namen, es war ein Fischer, der aufs Meer hinausgefahren war und nie zurückgekehrt sei. Aber das war vor über dreihundert Jahren. Seine Familie war inzwischen längst tot.
Diese Auskunft erschütterte Tarō zutiefst und er fiel auf die Knie. Alles und jeder, den er kannte, war Vergangenheit. Das Einzige, was ihm noch blieb, war die Kiste, die Otohime ihm gegeben hatte. In seiner Verzweiflung vergaß er ihre Warnung und öffnete den Deckel. Rauch stieg aus der Kiste auf und hüllte Tarō ein. Als sich der Rauch legte, war sein Bart lang geworden, sein Haar war weiß geworden und seine Haut war faltig. Da erkannte er, dass in der Kiste sich all die Jahre befanden, die er unter dem Meer verbracht hatte.
In fast allen Fassungen und Darstellungen dieser Geschichte werden die Schildkröten, sofern sie spezifiziert werden, als Minogame beschrieben.
Trivia
- Das Pokémon Schillok basiert auf einer Minogame.
Wissenschaftliche Erklärungsversuche
Es gibt verschiedene Schildkrötenarten, auf denen bereits Algenwuchs dokumentiert wurde, es ist anzunehmen, dass die Minogame eine Glorifizierung dieser Schildkröten darstellt. Die langen "Haare" auf ihrem Rücken erinnern an die langen Bärte der Weisen und anderer Gelehrter. Aus diesem Grund und aufgrund der grundsätzlich langen Lebensdauer von Schildkröten sind die Minogame ein Symbol für langes Leben und Wohlstand und kommen häufig in Gemälden, Skulpturen und Kunsthandwerk vor.
Taxonomische Stellung
Minogame sind nicht eindeutig als reptiloide Mischwesen erkennbar, zwar zeigen sie durch die Schildkrötenanteile einen klaren Reptiliencharakter, aber der Mischwesencharakter ist fraglich. Als Mischwesen wird ein Wesen definiert, dass aus zwei oder mehr Lebewesen besteht, da Algen ebenfalls Lebewesen sind, kann das Argument für ein Mischwesen gefunden werden. Allerdings ist die Informationslage über die Minogame sehr dünn und es wird nicht über allen Zweifel ersichtlich, ob die Algen und die Schildkröte im Minogamefall ein Mischwesen oder zwei getrennte Lebensformen darstellen. Da die Minogame aber auch über die Fähigkeit beherrscht Gift zu speien, was eher eine Fähigkeit von Speikobras ist (es gibt bisher keine als giftig bekannten Schildkröten) könnte hier der reptiloide Mischwesencharakter beobachtet sein.
Sollte die Minogame ein Drache seien, gehört sie den Schildkrötendrachen an. Deren nächste Verwandten vermutlich unter den chinesischen Schildkrötendrachen zu finden sind.
Nachweise
- Yokai.com "Minogame" https://yokai.com/minogame/ Abgerufen am 16.04.2024
- Yokai.com "Urashimatarou" https://yokai.com/urashimatarou/ Abgerufen am 17.04.2024
- 「ミノガメの秘密 亀の甲羅で生きる藻類 【2008年2月号】」『 東邦大学理学部生物学科> 生物学の新知識』 2008年9月28日 (日)14:15:00、