Zhúlóng (chin.: 燭龍, auch Chu Lung bzw. Zhuolong, chin 逴龍, dt. Fackeldrache), auch Zhúyīn (chin.: 燭陰, auch Chu Yin, dt. Fackelschatten) ist ein Sonnengott der chinesischen Mythologie. Die japanische Aussprache seines Namens ist Shokuin (jap.: 燭陰 bzw. しょくいん).
Etymologie
Das Schlüsselwort in den Namen "Zhúyīn" und "Zhúlóng" ist 燭, im heutigen Mandarin zhú ausgesprochen. Es beschreibt den Vorgang des Leuchtens bzw. Erleuchtens von etwas. Aufgrund der chinesischen Grammatik kann das Wort sowohl als Verb, als auch Adjektiv genutzt werden. Zhúlóng ist damit der "Leuchtende Drache" bzw. "Erleuchtende Drache", es ist zeitgleich ein altes Wort für Laterne, da zhú auch Korb bedeuten kann. Da das chinesische Wort für "Kerze" 蠟燭 (làzhú) lautet, kann Zhúlóng auch als "Kerzendrache" oder "Fackeldrache" verstanden werden. Im alternativen Namen Zhúyīn steht das zhú neben dem Substantiv 陰 (yīn), das sowohl normale Dunkelheit als auch das weibliche Prinzip des Yin-Yang beschreibt, welches selber aber auch die Dunkelheit als eines seiner Teilkonzepte beschreibt. In diesem Fall ist der Zhúlóng eher als "Erleuchter der Dunkelheit" zu verstehen, was mehr einem Titel gleich kommt, als dem eigentlichen Namen.
Im Buch Chuci ((chinesisch 楚辭 / 楚辞, Pinyin Chǔcí, W.-G. Ch'u-tz'ŭ), zu dt. Elegien oder Gesänge aus Chu; 2. Jahrhundert n. Chr.) wird der Zhúlóng auch Chuolong genannt, was eher als "entfernter Drache" oder "streitsüchtiger Drache" zu verstehen ist.
Merkmale
Er hat den Körper einer roten Schlange und den bärtigen Kopf eines alten Mannes, seine Augen sind Sonne und Mond. Indem der Drache ein Auge schließt und das andere öffnet, kontrolliert er Tag und Nacht. Die Augen werden als vertikal beschrieben. Weiter werden die Jahreszeiten von seinem Atem beeinflusst. Indem der Drache ausatmet, beginnt der Winter, atmet er wieder ein, zieht er die kalte Luft zu sich zurück und es wird Sommer. Damit gehört der Zhúlóng zu den wenigen, altertümlich dokumentierten Eisdrachen. Dabei sei erwähnt, dass der Zhúlóng nicht auf das Atmen angewiesen ist, es ist eine Form des Entschlusses, welcher er alljährlich fällt. Der Atem selbst ist meist so stark, dass er starke Windböen und Stürme verursacht.
Neben seiner Fähigkeit, mit Sonne und Mond die Welt zu erleuchten, ist der Zhúlóng in der Lage auch Orte zu erleuchten, welche von diesen Gestirnen nicht erreicht werden, wie das Guo Pu (Chinesisch: 郭璞; 276–324 n. Chr.), Höflichkeitsname Jingchun (Chinesisch: 景純; Pinyin: Jǐngchún), ein chinesischer Historiker, Dichter und Schriftsteller während der östlichen Jin-Zeit und das Buch Chuci beschrieben. Diese Fähigkeit soll von einer Kerze oder einer Fackel stammen, welche im Maul des Drachen brennen würde.
Der Zhúlóng ist etwa 1000 Ri lang, eine Entfernungs-Einheit, welche je nach Ort und Zeit sich in ihrer Bedeutung wandelte, er ist unermesslich lang.
Im Dongmingji (chin. 洞冥記, zu dt. Die Aufzeichnungen über das Eindringen in die Mysterien) wird der Zhúlóng nicht namentlich erwähnt, der beschriebene Drache besitzt allerdings seine Charakteristika und wird mit dem azurblauen Qīnglóng gleichgesetzt. Die Leuchtkraft des Drachen wird mit einem Kraut, genauer "Kraut des Eindringens in die Geheimnisse" (洞冥草, dòngmíngcǎo) erklärt, welches der Drache verzehrt haben soll und so nun aus dem Bauch leuchten würde.
Vorkommen
Der Zhúlóng lebt auf dem Berg Zhangwei (chin. 章尾山), der Zhúyin auf dem Berg Zhong (chin. 鍾山). Da sich mit Ausnahme der Name der Kreatur und der Berge die beiden Kreaturen gleichen, handelt es sich wahrscheinlich um ein und dieselbe Kreatur.
Laut japanischer Überlieferung soll der Drache auf dem Berg Shō leben. Allen Bergen ist gemein, dass sie im obersten Norden, in Richtung der Pole, liegen.
Es ist aufgrund des Umstandes, dass der Zhúlóng Sonne und Mond als Auge trägt, es sich nur um ein einziges Exemplar handelt, die vielen, teilweise widersprüchlichen Lebensräume und Erwähnungen in der Folklore, geben aber auch Grund zur Annahme, dass es sich um mehr als einen Drachen handelt.
Lebensweise
Ernährung
Das Shanhaijing ((chinesisch 山海經 / 山海经, Pinyin Shānhǎi Jīng, W.-G. Shan-hai ching, Jyutping Saanhoi Ging; (2205 – 2147 v. Chr. bzw. 207 v. Chr. - 6/9 n. Chr.), zu dt. "Klassiker der Berge und Meere"), gibt an, dass der Zhúlóng nie isst oder trinkt und somit ohne Aufnahme von Nahrung lebensfähig ist.
Kulturelle Bedeutung
Darstellungen
Die bekannteste Darstellung des Drachen wurde von Toriyama Sekien (鳥山 石燕; * 1712; † 22. September 1788), ein japanischer Zeichner, Kyōka-Poet, Autor und Kunstlehrer des Ukiyo-e während der Edo-Zeit im 18. Jahrhundert, angefertigt:
https://zh.wikipedia.org/wiki/File:SekienShokuin.jpg
Mythologie
Guo Pu stellt in einem seiner Kommentare fest, dass die Erde eine Scheibe sei, und auf der gegenüberliegenden Seiten gäbe es neun Dunkelheiten (chin. yin), welche der Zhúlóng mithilfe einer Kerze oder Fackel in seinem Mund erleuchtet würde. Die neun Dunkelheiten verkörpern die Himmelsrichtungen Norden, Süden, Osten, Westen, Nordosten, Nordwesten, Südosten, Südwesten und das ihnen innenliegende Zentrum.
Der Held Li Erlang (chin.: 二郎神), ein göttlicher Drachenbändiger und -töter, soll einst einen Zhúlóng gefangen haben, indem er einen Damm baute und diesen mit dem Wasser des Drachen befüllte. Wasser ist allerdings auch das Markenzeichen dem sehr ähnlichen Gonggong, möglicherweise kam es hier zu einer Vermischung der beiden Drachen/Legenden.
Trivia
- Das Pokémon Sen-Long basiert vermutlich auf dem Zhúlóng, auch wenn sein Name eine Verwandtschaft zum Senlóng nahelegt.
- 472235 Zhulong, ein resonantes transneptunisches Objekt, das 2014 im Rahmen der Pan-STARRS-Durchmusterung entdeckt wurde, wurde nach dem Drachen benannt, was am 27. August 2019 vom Minor Planet Center bestätigt wurde.
Wissenschaftliche Erklärungsversuche
Aufgrund seiner Größe und der Auswirkungen, die sein Blinzeln und Atmen auf den Tag-Nacht-Zyklus und die Jahreszeiten hat, könnte Zhúlóng eine alte chinesische Sonnen- oder Feuergottheit oder sogar eine Personifikation der Sonne gewesen sein. Ebenfalls zu vermuten ist, dass der Ursprung des Zhúlóng die Aurora Borealis, also die Nordlichter, gewesen sein könnte. Ein alter chinesischer Name für das Nordlicht beschreibt diese als "Roter Geist", was davon gestützt wird, dass Zhúlóng weit im Norden lebt.
Für die alten Chinesen sah das Polarlicht möglicherweise wie ein riesiger roter Drache mit einer Länge von Tausenden von Kilometern aus, der sich über den Nordhimmel windet.
Schweinedrachen
Ein Schweinedrache wird auch synonym als Zhūlóng (vereinfachtes Chinesisch :玉猪龙; traditionelles Chinesisch :玉豬龍) bezeichnet. Es handelt sich hierbei um eine Art Jadeartefakt aus der Hongshan-Kultur im neolithischen China (circa 4700–2900 v. Chr.). Schweinedrachen sind zoomorphe Formen mit einem schweineähnlichen Kopf und einem langgestreckten, gliedmaßenlosen Körper, der bis zum Kopf gewunden ist und als "deutlich fötal" beschrieben wird. Frühe Schweinedrachen sind dick und stämmig, spätere Exemplare haben anmutigere, schlangenartige Körper.
Neben den Schweinedrachen produzierte die Hongshan-Kultur auch Jadeadler (玉鷹), beide Artefakte dienen meist als Grabbeilage. Neben solchen Grabstätten fanden sich auch beigesetzte Schweinekochen, welche dem Schwein eine gewisse rituelle Bedeutung zuschreiben.
Es gibt einige Spekulationen, dass der Schweinedrache die erste Darstellung des chinesischen Drachen (Lóng) ist. Das Schriftzeichen für "Drache" in der frühesten chinesischen Schrift hat eine ähnliche gewundene Form, ebenso wie spätere Drachenamulette aus Jade aus der Shang-Zeit (18. Jahrhundert v. Chr. bis etwa zum 11. Jahrhundert v. Chr.).
Taxonomische Stellung
Der Zhúlóng ist ein Mischwesen aus einer Schlange und einem menschlichen Kopf und damit klar als Drache erkennbar. Innerhalb der Drachen besitzt er eine nähere Verwandtschaft zu den Lóngdrachen, gehört diesen aber sehr wahrscheinlich nicht an.
In seiner Rolle als himmlischer/kosmischer Drache, der keinen Lóng darstellt, ähnelt der Zhúlóng den Drachen Fuxi, Nüwa und Gonggong, sowie dem Wesen Pangu. Insbesondere Gonggong sieht Zhúlóng sehr ähnlich und wird vermutlich dessen nächster Verwandter sein.
Nachweise
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