Áo (chinesisch 鳌; Pinyin: áo) ist eine große Meeresschildkröte aus der chinesischen Mythologie. Sie ist so groß, dass sie zu der Gruppe der "Weltenschildkröten" gehört, also Schildkröten, die aufgrund ihrer Größe die Welt verändern oder auch Orte bzw. die ganze Welt tragen können.
Merkmale
Áo wird meist als eine gigantische Meereschildkröte beschrieben, in Legenden werden ihre Beine, aber eher als säulenartig und damit als eher klassische Landschildkrötenbeine dargestellt.
Neben dieser Mischform aus Land- und Meeresschildkröte, wird der reptiloide Mischwesen Charakter von Áo von manchen Quellen deutlicher hervorgehoben. Hier trägt Áo meist einen Karpfenschwanz, welcher aus dem Schildkrötenpanzer ragt oder/und Bauch- und Rückenflossensäume, sowie einen Drachenkopf mit Barteln und Hörnern. Diese eher ursprüngliche Form wird auch Áo-Fische genannt, ehe sie in späteren Zeiten als reines Schildkrötenwesen beschrieben wurden. In moderneren Thesen wiederum wird dem Karpfen-Schildkröten-Mischwesen auch ein Ichthyosaurier beigemischt. In vielen Darstellungen trägt Áo neben einen Drachenkopf mit Barteln und Hörnern, der sich eindeutig vom Schildkrötenkopf unterscheidet, auch eher kantige Beine die Grätenansätze zeigen und demnach Fischflossen sind. [1]
Diese Taxonomie geht davon aus, dass Áo Meeresschildkrötenartige Wesen sind, deren Flossen entweder den säulenartigen Beinen von Landschildkröten nahe kommen und das Wesen einen Fischschwanz, sowie Rücken- und Bauchsaumflossen trägt. Der Kopf ist der eines Lóng mit Barteln und Hörnern.
Vorkommen
Früher besiedelte die Art weite Teile des Südchinesischen Meeres. Nachdem eines der Schildkrötenwesen zur Wiederherstellung einer himmlischen Säule geopfert wurde, scheint sich die Verbreitung in die Bohai-Bucht, einem Teilabschnitt des Gelben Meeres, welches einen Teilabschnitt des Chinesischen Meeres darstellt, zurückgezogen zu haben.
Lebensweise
Über die Lebensweise ist nicht viel bekannt.
Kulturelle Bedeutung
Mythologie
Áo & Nüwa
Der Drache Gonggong stürzte sich eines Tages voller Wut mit dem Kopf voraus gegen den Buzhou-Berg, eine der acht Säulen, die den Himmel tragen. In der Folge beschädigte dieser Drache die Säule so sehr, dass sich der Himmel in den Nordwesten neigte und die Erde nach Südwesten verschob. Dieses Ereignis verursachte große Überschwemmungen und viel Leid.
Die Überschwemmungen und das Leid konnten nur beendet werden, da die Göttin Nüwa der Riesenschildkröte Áo die Beine abschnitt und diese als Säulenersatz verwendete. Die Göttin war jedoch nicht in der Lage, die Schiefstellung von Himmel und Erde vollständig zu korrigieren, da die Beine der Riesenschildkröte etwas kürzer waren als der ursprüngliche Berg. Was dazu führte, dass bis heute Gonggongs Tat sichtbar ist.
Áo als Weltenschildkröten
In anderen Legenden tragen Áo Berge oder die Erde. Wenn sich die gigantischen Tierwesen bewegen erzeugen sie Erdbeben, Veränderungen der Meere (Gezeiten, Tsunamis, etc.) und Flüsse.
Unter der Herrschaft des Himmelskaisers existierten im Bohai-Meer fünf heilige Berge. Die Wurzeln der fünf heiligen Berge waren jedoch nicht miteinander verbunden. Sie bewegten sich oft auf und ab mit den Wellen der Gezeiten und waren nie für einen Moment stabil. Die Götter und Heilige verachteten diesen Umstand und meldeten es dem Kaiser. Dieser befürchtete, dass die Berge zum Westpol driftenden könnten, wo sie das Gleichgewicht des Universums zerstören würden. Um die Gefahr abzuwenden, wurde Yu Qiang, der Gott der Nordsee (nicht das europäische Gewässer gemeint), welcher auch ein Windgott war, entsandt, um eine Lösung zu finden. Der Gott sammelte 15 Áo zusammen und teilte sie in Gruppen von je drei Tieren auf. Sie sollten die Berginseln mit ihren Köpfen über dem Wasser halten. Alle 60.000 Jahre wechselten sie ihren Kopf (Es ist anzunehmen, dass immer nur eine Schildkröte die Insel mit ihrem Kopf hochhielt, allerdings lässt der exakte Wortlaut der Legende auch den Schluss zu, dass die Schildkröten ihre Köpfe austauschen und nachwachsen ließen - was in der chinesischen Mythologie auch eine vorkommende Praktik war), sodass die fünf heiligen Berge begannen, sich zu stabilisieren und nicht mehr im Bohai-Meer trieben.
Allerdings gab es im Long Bo-Königreich einen Riesen. Dieser konnte in nur wenigen Schritten das ferne Meer erreichen und somit auch die Berge. Er fing sechs der Riesenschildkröten mit einem Haken. Diese hatten die Inseln "Dai Yu" und "Yuanqiao" getragen. In der Folge der fehlenden Stabilisation trieben die Inseln davon in Richtung Nordpol, wo sie im Meer versanken und alles Leben mit sich rissen, was auf ihnen zu finden war.
Seitdem existierten im Bohai-Meer nur noch drei heilige Berge.
Eine alternative Fassung der Geschichte spricht von einer einzigen Áo, welche bis heute im Bohai-Meer schwimmt und die drei Inseln der acht Unsterblichen (Penglai, Fangzhang und Yingzhou) auf ihrem Rücken trägt "und im Meer tanzt".
Trivia
- Während Ortsnamen, die das chinesische Wort gui ("Schildkröte") verwenden, in ganz China allgegenwärtig sind (typischerweise beziehen sie sich auf einen schildkrötenförmigen Hügel, "gui shan"), sind Ortsnamen, die sich auf ein ao beziehen, eher für Chinas Südostküste (Zhejiang bis Guangdong) charakteristisch. Dazu gehören der Ao-Fluss (Aojiang) im Süden von Zhejiang mit der Stadt Aojiang an seinem Nordufer sowie die Halbinsel Liu'ao ("Six ao") im Süden von Fujian.
Taxonomische Stellung
Die Áo wirds aufgrund ihrer Mischung aus Lóng, Meeresschildkröte und Karpfenschwanz als reptiloides Mischwesen in dieser Taxonomie anerkannt. Andere Autoren nutzen bei der Áo nicht die klassiche Darstellungen der "Áo-Fische", sondern jener Áo, welche diese Wesen als gigantische Meeresschildkröten bezeichnet. Dieser Subtyp der Áo zeigt vermutlich keine Drachencharakteristik und dürfte demnach kein Drache sein, sondern ein mythologisches Reptil aus der Schildkrötenverwandtschaft.
Die Áo als reptiloides Mischwesen steht aufgrund ihres Lóngkopfes innerhalb der Drachen im großen Artkomplex der Lóngdrachen. Dort im Besonderen zählt sie zu den artenreichen Drachenschildkröten. Allerdings steht Áo innerhalb dieser von Landschildkrötenartigen Drachenwesen als Meeresschildkrötenartiger Drache für sich allein.
Áo wird als einer der vielen Vorläufer des Drachensohnes Bìxì angesehen, was noch einmal die Drachenthese unterstreicht.
Bilder
[1] https://en.wikipedia.org/wiki/File:BLW_Brush_Pot_with_Kui_Xing.jpg
Nachweise
- Birrell, Anne, ed. (1999). The Classic of Mountains and Seas. Translated by Anne Birrell (illustrated ed.). Penguin. ISBN 0140447199.
- Miriam Seeger: Zähmung der Flüsse: Staudämme und das Streben nach produktiven Landschaften in China, LIT Verlag Münster 2012, ISBN 978-3643124913, Seiten 66 ff.
- Yang Lihui & al. (2005), Handbook of Chinese Mythology, Oxford: Oxford University Press, S. 124 ISBN 978-0-19-533263-6.