Nozuchi (jap. 槌の子 (Kanji) bzw. つちのこ(Hiragana)) ist ein schlangenartiges Wesen der japanischen Mythologie. Es gehört zu den ältesten überlieferten Yōkai.
Merkmale
Nozuchi besitzen einen kurzen, ungemein dicken Körper in Form von eines Knüpfels nur ohne dessen schmalen Stiel [1], sie haben einen Durchmesser von etwa fünfzehn Zentimetern. Sie erreichen eine Länge von 90 Zentimetern bis zu etwas mehr als einem Meter. Sie besitzen keine Augen, Nasen oder andere Gesichtszüge, außer einen großen Mund, der sich am Kopf befindet und zum Himmel zeigt.
Ihr schlangenartiger Körper ist mit borstigem Fell bedeckt, ähnlich einer haarigen Raupe.
Sie gelten als ungemein mächtig und alt. Ihre Fortbewegung ist sehr langsam und wirkt taumelnd. Gelegentlich rollen sie Hügel hinab, um sich dann wieder hinaufzuarbeiten.
Nozuchi sind sehr wahrscheinlich giftig, da ihr Biss zu schrecklichen, verstümmelten Wunden führt, welche von hohem Fieber begleiten werden und zum Tod führen können. Gelegentlich soll auch nur das Berühren oder der Anblick dieses Fieber auslösen und zum Tod führen.
Vorkommen
Die Art besiedelt Felder und Graslandschaften in ganz Japan, scheint aber in den Regionen Kinki, Chubu, Hokuriku und Shikoku häufiger zu sein. Dort findet man Nozuchi meist in großen Bäumen, insbesondere auf Hügelkuppen.
In der Edo-Zeit-Enzyklopädie "Japanisches und chinesisches Sansai Zue" heißt es, dass es oft im Natsumi-Fluss und in den Seimei-Wasserfällen (Kongo-Wasserfällen) in den Yoshino-Bergen der Provinz Yamato (heutige Präfektur Nara) gesehen wird
Lebensweise
Ernährung
Nozuchi sind fleischfressend. Sie ernähren sich normalerweise von kleinen Tieren wie Ratten, Mäusen, Kaninchen und Vögeln – sie können jedoch auch Dinge fressen, die viel größer sind als sie selbst. In Nara ernähren sie sich bekanntermaßen von Hirschen. Sie können ein Reh mit einem einzigen Biss verschlingen und das ganze Tier in ihren kleinen, gedrungenen Körper zerren. In Gebieten, in denen sie kleinere Beutetiere fressen, bevorzugen die Nozuchi Kanichen- und Eichhörnchenbabys.
Entstehung
Der Name "Notsuchi" kommt auch in buddhistischen Erzählungen und in der buddhistischen Erzählungssammlung Shasekishū (沙石集) aus der Kamakura-Zeit (1185/1187–1333) vor. Laut diesen Überlieferungen sollen Mönche ohne Tugend als hammerförmige Schlangen wiedergeboren werden, die in den tiefen Bergen leben. Als sie noch als Menschen lebten, konnten sie nur gut sprechen und hatten keine Augen der Weisheit, Hände des Glaubens oder Füße des Befehls, daher werden sie zum Notsuchi, welches nur einen Mund, aber keine Augen oder Gliedmaßen besitzt.
Diese Wiedergeburt scheint aber nicht die einzige Methode, wie Notsuchi entstehen können.
Kulturelle Bedeutung
Gefährlichkeit
Es ist bekannt, dass Nozuchi Menschen angreifen, die sich ihren Nestern nähern, indem sie bergab rollen und nach deren Füßen bzw. Beinen schnappen. Sollte es ihnen gelingen den Menschen zu beißen, entwickelt sich der Biss zu schrecklichen, verstümmelten Wunden, die schnell zu hohem Fieber und zum Tod führen. Gelegentlich soll auch nur das Berühren oder der Anblick dieses Fieber auslösen und zum Tod führen.
Glücklicherweise lassen sich Nozuchi-Attacken leicht vermeiden, indem man sich selbst an eine höhere Stelle als die Nozuchi begibt. Idealerweise eine Anhöhe bei der man nicht stolpern, ausrutschen oder herunterfallen kann. Da die Nozuchi für ihre Angriffe in der Regel erst einmal selber eine Anhöhe erklimmen müssen und das ihnen nur sehr langsam gelingt, hat man meist sehr viel Zeit ihnen unbeschadet zu entkommen.
Wissenschaftliche Erklärungsversuche
Ein anderer Name für Kayanohime, die Grasgöttin, welche im Kojiki (712) und Nihon Shoki (720) erscheint, ist Nozuchinokami, und das Wort "Nozuchi" selbst wird hier als Gras oder wilder Geist interpretiert.
Obwohl Kayanohime in den Kiki-Mythen nicht als Schlange oder schlangenartig erwähnt wird, gibt es eine Theorie, dass ihr Ehemann Oyamatsumi einen Schlangenkörper hat, sodass Kayanohime auch für einen schlangenförmigen Gott gehalten wird. Als sich der Buddhismus in Japan verbreitete, soll Kayanohime den Gott des Nebels, der Dunkelheit und der Täuschung geboren haben. Daher wurde Notsuchi ursprünglich als Götter bzw. Kami angesehen, die Monstertransformationen hervorbrachten, und die Notsuchi selbst wurden nach und nach als Monster angesehen.
Taxonomische Stellung
Traditionell werden Nozuchi zu den Yōkai gezählt, hierbei handelt es sich aber nicht um eine taxonomische Gruppe, sondern eine formelle Einheit voller übernatürlicher Kreaturen und Phänomene, die in der japanischen Folklore vorkommen. Nozuchis Einordnung in den Stammbaum der Drachen gestaltet sich als schwierig, da durch Überlieferungen nicht klar wird, ob es sich bei ihnen um eine Mischung aus Schlange und Raupe, reptiloides Mischwesen und damit ein Drache; oder aber um ein Raupenwesen und damit nicht um einen Drachen handelt.
Die Tsuchinoko, welche ab der Mitte der Showa-Zeit (25. Dezember 1926 bis zum 7. Januar 1989) besondere Bekanntheit erlangte, war einer der für den Notsuchi ursprünglich verwendeten Namen, da beide Wesen eine eher "hammerähnliche" Form besitzen. Daher erscheint die Möglichkeit, dass es sich hier auch um ein Schlangen- oder Drachenwesen handelt gegeben. Die Stellung der Tsuchinoko steht aber auch noch zur Debatte.
Toriyama Sekien (鳥山 石燕; * 1712; † 22. September 1788), ein japanischer Zeichner, Kyōka-Poet, Autor und Kunstlehrer, welcher sich intensiv mit Yōkai befasste, schrieb in seinem Kommentar zu Notsuchi unter anderem, dass es "den Geist der Pflanzen darstellt". Damit könnten Notsuchi auch Verkörperungen von haarigen Wurzeln sein, welche lebendig wurden.
Notsuchi erscheint auch in Buch "Bakemonoshiuchi Hyobanki" aus der Edo-Zeit, hier wird aber ein humanoides Wesen beschrieben, welches keine Augen und Nase besitzt. Dafür trägt sie an der Kopfoberseite einen Mund. Diese Kreatur scheint von Nozuchi entlehnt zu sein und teilt sich deshalb den gleichen Namen.
Bilder
Nachweise
- Yokai.com "Nozuchi": https://yokai.com/nozuchi/ Abgerufen am 14.03.2024
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- “【新撰字鏡】”. 平成30-09-11閲覧。https://kokusho.nijl.ac.jp/biblio/100213572/1?ln=ja Abgerufen am 19.03.2024
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