Uwabami (jap. うわばみ) sind riesige Schlangen, die Unmengen Fleisch, darunter auch Menschen, und Alkohol fressen. Ihr Name bedeutet so viel wie "Riesenschlange" oder "große Schlange". Weitere Namen dieser Wesen sind Orochi (ursprünglicher Begriff) und Daija.
Etymologie
Der Name Uwabami hat Wurzeln, die bis ins archaische Japanisch zurückreichen. Der erste Teil des Namens, uwa, bedeutete geschickt oder überlegen. Allmählich entwickelte sich daraus ein ähnlich klingendes Wort, uha, das "groß" oder "lang" bedeutete. Der zweite Teil des Namens stammt von einem archaischen Wort für Schlange, "Hami". Dieses Wort leitet sich vom Wort für Essen, Hamu, ab, das sich sowohl auf die Bissvorliebe der Schlange als auch auf ihre Fähigkeit bezieht, Dinge zu fressen, die viel größer erscheinen als sie. Uwabami bedeutet also soviel wie "geschickte Esser", was sich im Laufe der Zeit zu "Riesenschlangen" entwickelten, wie dieses Wort teilweise heute noch im japanischen Verwendung findet.
Ein weiterer sprachlich interessanter Punkt ist, dass das Wort "uwabami" umgangssprachlich auch die Bedeutung von "starker Trinker" hat. Was sich von der Vorliebe für Sake ableitet.
Merkmale
Uwabami sind riesige Schlangenwesen. Abgesehen von ihrer unglaublichen Größe ähneln sie stark gewöhnlichen Schlangen, werden aber gelegentlich als Drachen bezeichnet. Grund dafür ist ihre Flugfähigkeit, die in der Regel ohne Flügel ausgeführt werden kann. In wenigen Überlieferungen besitzt die Uwabami Flügel.
Uwabami sind in der Lage ihre Gestalt zu wandeln, dies schließt die Verwandlung in andere Tiere, Menschen und auch Objekte mit ein. Neben dem Gestaltwandel beherrschen sie zu einem gewissen Grad die Fähigkeit, die Elemente zu kontrollieren. Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Steinschläge werden oft auf Uwabami zurückgeführt.
Vorkommen
Uwabami besiedeln das japanische Archipel. Sie leben in der Wildnis, fernab der Zivilisation. Dort werden vorrangig Bergregionen oder Süßgewässer bevorzugt.
Lebensweise
Ernährung
Uwabami sind Fleischfresser mit einer starken Affinität für Alkohol. Insbesondere Sake. Die Alkoholtoleranz ist dabei größer, als selbst schon bei so einem großen Lebewesen möglich sein sollte. Sie sind in der Lage, Dinge zu fressen, die viel größer sind als ihr Körper und neigen dazu, sich zu überfressen. Ein ausgewachsener Bär, Hirsch oder auch ein Reiter auf seinem Pferd sitzend, stellt kein Problem für die Uwabami dar.
Kulturelle Bedeutung
Darstellungen
Es gibt mehrere Kunstwerke mit Uwabami.
Im 19. Jahrhundert malte Minamoto no Oko eine Reihe von Handrollen mit dem Titel "Sieben Katastrophen", von denen die erste die "Uwabami" war. Die Schriftrolle zeigt die Uwabami, die sich aufbäumt und in der Nähe befindliche Reisende in Angst und Schrecken versetzt, während diejenigen, die weiter entfernt sind, die riesige Schlange aus ihrem Versteck entdecken.
Utagawa Kuniyoshi schuf ein anderes Kunstwerk (ca. 1839-1841), das Heita Tanenaga, Izumi Kojiro Chikahira und Wada Kojiro Yoshishige im Kampf gegen eine riesige Pythonschlange zeigt, welche wohl eine Uwabami darstellen soll. Da Heita Tanenaga ein legendärer Drachentöter gewesen ist, darf man annehmen, dass seine Fraktion den Kampf gewann.
Katsukawa Shuntei schuf einen Holzschnitt (ca. 1806–1807), der ebenfalls Heita Tanenaga zeigt, wie er eine riesige Uwabami tötet.
Gefährlichkeit
Uwabami legen Hinterhalte an und überfallen Reisende in Gebirgspässen. Aufgrund der Größe können sie ausgewachsene Menschen, selbst wenn sie ein Pferd reiten, mühelos verschlingen. Es ist möglich, sie zu überlisten, aber dafür braucht man häufig neben Schläue auch eine enorme Reaktionsgeschwindigkeit.
Mythologie
Die Uwabami im Ōnuma-See
Vor langer Zeit lebte eine Uwabami im Ōnuma-See (Präfektur Nagano).
Jedes Jahr verwandelte sich das Wesen in einen äußerst gutaussehenden jungen Mann und reiste in die östlichen Berge, um die Kirschblüten zu betrachten. Eines Frühlings erspähte die verwandelte Uwabami eine schöne junge Frau ganz allein unter den Blüten. Die Frau war Kuro Hime, die Tochter von Takanashi Masamori, einem mächtigen Herrscher der Provinz Shinano. Auch Kuro Hime entdeckte den gutaussehenden Mann, der sie beobachtete, und fand ihn unwiderstehlich. Die beiden lernten sich kennen und verliebten sich bald.
Einige Zeit später besuchte der hübsche junge Mann das Schloss von Takanashi Masamori. Er stellte sich dort als die große Schlange vor, die im Ōnuma-See lebt und die Schutzgottheit des Shiga-Hochlands ist. Er erklärte, dass er und Kuro Hime verliebt seien und bat den Herrn um ihre Hand.
Masamori zögerte keine Sekunde und sagte, dass er seine Tochter niemals jemandem geben würde, der kein Mensch sei.
Doch der junge Mann gab nicht auf, und kam Tag für Tag wieder, damit er um Kuro Himes Hand bitten konnte. Die Ausdauer machte den Herrn langsam mürbe und so stellte er dem Bittsteller seine Bedingungen: "Wenn du zu Pferd mit mir mithalten und sieben Runden um mein Schloss drehen kannst, gebe ich dir meine Tochter."
Der junge Mann nahm die Einladung eifrig an und erklärte sich bereit, in ein paar Tagen zum Rennen ins Schloss zurückzukehren.
Masamori war aber noch immer nicht gewillt, seine Tochter an einen Nicht-Menschen zu vermählen und wollte sicher gehen, dass der Schönling verlieren würde. Er schmiedete einen finsteren Plan, die Kreatur zu töten, damit sie nie wieder um die Hand ihrer Tochter anhalten konnte. Er ließ seine Diener rund um die Burg Schwerter ins Gras pflanzen (es wird explizit von (ein)pflanzen gesprochen, vermutlich um zu unterstreichen, dass die Spitzen noch aus dem Boden schauen).
Masamori war ein erfahrener Reiter und wusste, wo die Schwerter versteckt waren, sodass er den Fallen leicht ausweichen konnte.
Als der Tag des Rennens kam, erschien der junge Mann wie versprochen im Schloss. Masamori spornte sein Pferd zu Höchstleistungen an und der junge Mann konnte mit dem Herrn nicht mithalten. Der junge Mann musste sich zurück in eine Schlange verwandeln, um mit dem Pferd des Herrn Schritt halten zu können. Die rund um die Burg angebrachten Schwerter durchbohrten und zerrissen den Körper der Schlange, aber er gab nicht auf.
Ganze sieben Runden ging das Rennen. Der Körper der Uwabami war zerlumpt und Blut floss aus unzähligen Wunden. Unmittelbar nach Beendigung seiner letzten Runde brach die Uwabami zusammen.
Masamoris Falle hatte scheinbar funktioniert.
Einige Zeit später erwachte die Uwabami. Da sie das Rennen mit letzter Kraft gewonnen hatte, aber nun niemand bei ihrer Seite war, wurde ihr klar, dass Masamori gelogen hatte. Zitternd vor Wut kehrte die Uwabami in das Shiga-Hochland zurück. Dort rief sie die gesamte Familie, Diener und alle Clanmitglieder zusammen. Sodass alle Geister des Shiga-Hochlands sich erhoben und einen großen Sturm herbei riefen .
Regen fiel, wie es ihn noch nie gegeben hatte. Der Ōnuma-See schwoll an, brach aus und überschwemmte alles um ihn herum. Alle Dörfer rund um den See wurden vernichtet. Häuser wurden abgerissen. Felder wurden überschwemmt und weggeschwemmt.
Kein Mensch und kein Tier konnte der Zerstörung entkommen. Allerdings wirkten die Berge rund um die Burg von Takanashi Masamori wie ein Schutzschild und die Burg blieb standhaft.
Kuro Hime schaute von der Burg herab und als sie die Katastrophe erblickte, brach es ihr das Herz.
Als ihr klar wurde, dass nur sie die Macht hatte, die Katastrophe zu verhindern, verließ sie allein die Burg und reiste hinunter zum Ōnuma-See.
Kuro Hime stürzte sich in die Flut und wurde nie wieder gesehen.
Als die Uwabami in ihrem Herzen spürte, dass die Liebste ertrunken war, zerstreute sie sofort im Schock die Sturmwolken und ließ die Flut zurückgehen. Der Ōnuma-See schrumpfte auf seine ursprünglichen Grenzen zurück.
Noch heute wird die Uwabami, welche in der Region auch als Daija bezeichnet wird, als Schutzgottheit des Shiga-Hochlandes verehrt. In der Nähe des Ōnuma-Sees gibt es einen kleinen Schrein namens Daija Jinja, in dem die Überreste des Schlangenwesens aufbewahrt werden. Jedes Jahr im August versammeln sich die Dorfbewohner dort, um das Daija Matsuri aufzuführen und sich an die Geschichte von Kuro Hime zu erinnern.
Die Uwabami aus der Provinz Settsu
Heitas Uwabami machte während der Herrschaft von Hojo Yoshitoki (1205–1225 n. Chr.) Jagd auf die Menschen in der Provinz Settsu. Das Tier war so groß, dass sogar Ritter zu Pferd seinem Appetit zum Opfer fielen und in einem Bissen verschlungen wurden. Als Heita von den schrecklichen Taten des Drachen hörte, machte er Jagd auf ihn und erschlug ihn schließlich an einem Wasserfall.
Ein Uwabami plagte die Provinz Settsu. Sie war so groß, sie fraß Reiter, die auf ihrem Pferd saßen, in einem Bissen. Heita Tanenaga kämpfte gegen das Monster und tötete es an einem Wasserfall.
Die Uwabami und die drei Helden
Drei Helden kämpften während einer Jagd gegen einen Uwabami, einer von ihnen war der Drachentöter Heita Tanenaga. Bei der Jagd wurde Heita Tanenaga von der Uwabami verschluckt, der sich dann aus dem Bauch der Uwabami schnitt, während Izumi Kojiro Chikahira und Wada Kojiro Yoshishige die Uwabami im Kampf beschäftigten.
Gelegentlich wird diese Uwabami ebenfalls als Heita Uwabami bezeichnet. Entweder tötete der Drachentöter vier Uwabamis oder alle seine Drachentötungsgeschichten stellen dieselbe Jagd nur zu unterschiedlichen Zeitpunkten und Perspektiven dar.
Die Uwabami und Heita
In einer anderen Legende wird beschrieben wie Heita eine Uwabami tötete, indem er sie mit einer Stangenwaffe aufspießte.
Die Uwabami in der Höhle
Ein weiterer Kampf zwischen Heita und einer Uwabami ereignete sich im Jahr 1203 n. Chr., als Heita 21 Jahre alt war. Heita war in dieser Geschichte mit einem Freund auf Jagd und konnte die Uwabami letzendlich in einer Höhle stellen. Trotz der Dunkelheit gelang es dem Drachentötet auch diese Uwabami zu töten. Ein Kabuki-Stück erinnert an diese Schlacht.
Schaustellung
Uwabami sind gefährlich für Menschen, dennoch konnte man im alten Japan viel Geld damit verdienen, eine zu fangen und sie zur Schau zu stellen.
Trivia
- In My Hero Academia ist Uwabami (スネークヒーロー ウワバミ Sunēku Hīrō Uwabami) eine berühmte Profiheldin mit Schlangenthematik, welche u.a. auf Medusa angelehnt ist. Die Liebe für Alkohol scheint aber vom namensgleichen, japanischen Fabelwesen zu stammen.
Wissenschaftliche Erklärungsversuche
Schlangen sind seit frühester Zeit Teil der japanischen Mythologie. Schlangen sind Symbole für Leben und Tod und ewige Jugend, da das Abwerfen ihrer Haut als magische Verjüngung angesehen wurde. Da sie in die kleinsten Ritzen schlüpfen und tiefe, dunkle Orte vordringen können, die für Menschen unzugänglich sind, gelten sie als zähe und kluge Kreaturen.
Aufgrund dieser Eigenschaften galten Schlangen lange Zeit als Kami oder Yōkai.
Obwohl Uwabami in den Traditionen Japans zu finden ist, könnten einige der Geschichten Relikte von Traditionen aus den Kulturen Chinas und Koreas sein, wo solche Riesenschlangen häufiger sind.
Taxonomische Stellung
Traditionell wird die Uwabami zu den Yōkai gezählt, hierbei handelt es sich aber nicht um eine taxonomische Gruppe, sondern eine formelle Einheit voller übernatürlicher Kreaturen und Phänomene, die in der japanischen Folklore vorkommen. Weiter wird die Uwabami auch in manchen Quellen als Drache bzw. Drachenartig beschrieben, da auch in der japnaischen Mythologie Bezeichnungen für "Schlangen" und "Drachen" ursprünglich gleich waren, könnte diese Wandlung der Begrifflichkeit aus der allgemeinen Aufspaltung der Begriffe resultieren. Allerdings ist der Drachencharakter bei der Uwabami nur schwer auszumachen. Ein reptiloider Mischwesencharakter ist hier nur schwer feststellbar. Allerdings besittzt die Uwabami große Ähnlichkeit zur chinesischen T'eng-She und anderen chinesischen Riesenschlangen(drachen), sodass die Möglichkeit besteht das die Uwabami ein sehr basales Mitglied des Drachenstammbaums darstellt. In diesem gesellt sie sich in die nähere Verwandtschaft der Wyrme, insbesondere der T'eng-She.
Nachweise
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