“Ich werde dennoch eine CeKyde herkommen lassen”, sprach Ludwig nach einer gefühlten Ewigkeit des Nachdenkens und löste damit ein echtes Unbehagen in mir aus. Das wäre schlecht, sehr schlecht sogar und würde mir das weitere Spiel nur unnötig erschweren. Jetzt durfte ich mir nur keine Verärgerung deswegen anmerken lassen. Sicherlich war es von ihm nur ein Bluff – ein Schlechter noch dazu. Immerhin war so ein Teil unglaublich teuer und eigentlich auch nur den höheren Adelskreisen vorbehalten. So viel Einfluss hatte er gewiss nicht, um sich sowas leisten zu können.
“Dies ehrt mich. Ihr wollt nur für mich ein solch exotisches Geschenk einfliegen lassen?”, sprach ich zuckersüß und lehnte mich gemütlich zurück. Ich wollte ihm deutlich machen, dass diese Art Drohung bei mir keine Wirkung hatte. “Versucht es gar nicht erst. Sie wird nicht allein für Eure Bestrafung hier sein. Es soll auch Eleonore helfen, sich in ihrem neuen Leben besser einzufinden. Eine Art Vorbild, wie sie sich zukünftig hier und vor allem mir gegenüber zu verhalten hat.” Ich runzelte verwirrt die Stirn über diese Aussage. “Ihr wollt eine Ketzerin derart umerziehen? Mit Verlaub, aber das wird nicht möglich sein.” “Das werden wir ja sehn, wollt Ihr darum wetten?” Hm, wollte ich? Diesen Gedankengang hatte ich ihm gewiss nicht zugetraut ... irgendetwas stimmte hier nicht. Er konnte meine Abscheu gegenüber einer CeKyde unmöglich so genau wissen, um derart darauf zu beharren, und auch das mit dem Training war doch absurd. Man konnte keinen normalen Menschen, zu solch Maschine umerziehen.
“Ich soll also auf ein Scheitern Eures Unterfangens wetten oder darauf, ob Ihr überhaupt eine CeKyde für das Spiel bekommt?”, fragte ich also bewusst, um etwas zu testen. “Die CeKyde ist schon unterwegs”, tippte er sich breit grinsend an die Schläfe und ich verstand sofort. Er hatte mit jemandem über seinen eingebauten Kommunikator bereits Kontakt gehabt. Nein ... ihm wurde vermutlich gerade eben erst ein Angebot gemacht, als er so schweigsam überlegt hatte. “Sie wird also heute Abend hier sein. Freut Euch schonmal darauf”, sprach er überheblich und sichtlich erfreut, ehe er den Raum verließ.
Ich blieb dagegen bemüht emotionslos in dem Sessel sitzen, obwohl ich mich extrem ärgerte. Ich wusste, wem ich diesen Umschwung des Spiels zu verdanken hatte. Ein Blick aufs Tablet bestätigte auch sofort meine Befürchtungen. “Hm, wirklich Vater?”, sprach ich gelangweilt und scrollte durch die neu eingetroffenen Tepps, welche er alle höchst persönlich auf mich gesetzt hatte. Blöder Arsch! Er wollte, dass ich klein beigab und dieses Oswelat selbst abbrechen würde. Warum, Vater? Warum bestehst du noch immer darauf, dass ich zu dir zurückkehre? Ich werde auf keinem Fall brav an deiner Seite stehen – nie dein Erbe anerkennen! Da kannst du machen, was du willst, ich werde niemals deinen Namen tragen – dadurch nie in diesen Kreis des Adels gehören. Aber ... dies wirst du wohl nie akzeptieren, oder? Du zwingst mich zu jeder Teilnahme, egal um was es geht, damit man auf mich wetten kann – damit ich Schulden mache und es mir nicht länger leisten kann, nicht in deinem Anwesen zu wohnen. Du willst, dass ich weiter dein Sklave bin ... Es solange bleibe, bis ich einknickte? Tz, das ist dumm! Du kannst mir noch so viele Steine bei diesem Spiel in den Weg legen – es wird mich nicht zum Aufgeben zwingen. Nein. Ich werde nur verbissener weiterspielen! Weil mir nur noch dieses Spiel fehlt ...
Ich weiß, dass du es weißt, Vater. Ich weiß, dass du ständig versuchst, die Systeme meiner Wohnung zu hacken und auch sonst jedes noch so kleine Fitzelchen von mir überwachen lässt. Du weißt also um meinen Vermögensstand bestens Bescheid und dass ich nur noch dieses Spiel gewinnen muss, um mich von dir freikaufen zu können. Das würde dich schwer treffen, nicht wahr? Wusstest du, dass ich mir danach das Ziel gesetzt habe, dich zu töten? Ja, sicherlich. Es war nicht besonders schwer und ich hatte es dir bei unserer letzten Begegnung auch hoch und heilig versprochen. Ich freue mich bereits auf diesen Tag. Dein Blut wird das letzte sein, welches an meinen Händen kleben wird. Ja ... du bist ein Nichts für mich – unbedeutend – und nur dein Tod, wird mir ein neues Leben ermöglichen. Einen wirklichen Neuanfang!
Deine jetzige Aktion deute ich als letzten kümmerlichen Versuch, mich an deiner Leine halten zu wollen. Zugegeben, ich hätte nie damit gerechnet, dass du einem ärmlichen Adeligen wie Ludwig, einfach so eine CeKyde schenken würdest. Du redest diesem Idioten sogar diesen Quatsch mit der Umerziehung ein, auch wenn du selbst wohl am besten weißt, dass dies nicht funktionieren wird. Es wäre genauso, als wenn man versucht, einem Menschen beizubringen, sich wie ein Fisch im Wasser zu bewegen – es ist schlicht unmöglich. So sehr willst du also nicht, dass ich gewinne? So direkt manipulierst du dieses Spiel? Amüsant ... und dumm, Vater. Und weißt du was? Es gab mir die Möglichkeit auf einen sehr großen Tepp. Du bist ebenso leicht zu durchschauen, jetzt wo ich weiß, wie wichtig es dir ist.
Ich wettete also auf den genauen Typ der CeKyde, welche du schicken würdest. Ich beschrieb ihr Aussehen ... Körpermaße, Hautfarbe, Kleidung ... so genau, dass ich sogar die Ohrringe benannte. Es werden die goldenen Creolen sein, nicht wahr, Vater? Du wirst Meemai schicken. Ausgerechnet diesen Klon von Mutter, welchen ich so sehr hasste. Was willst du damit bezwecken, hm? Das ich wahnsinnig bei ihrem Anblick werde? Verdammt! Das war ich schon allein bei dem Gedanken, sie sehen zu müssen! Du elender Bastard! Scheiße! All meine Muskeln spannten sich an und glühende Hitze kroch in meine Adern. Ich hasste es, so zu empfinden! Mein Zorn wurde sogar noch stärker, als mir bewusst wurde, dass du dies geplant hattest. Ja, Vater, du hast gewettet, dass ich hier alles kurz und klein kloppe! Ohh und ich wollte es! Meine Wut wollte etwas zerstören – alles hier und das weißt du! Dies hast du provoziert! Du blöder Wichser! Ich biss schmerzhaft die Zähne zusammen und saß verkrampft in dem Sessel. Den Gefallen würde ich dir nicht tun, vor allem nicht, als ich die Summe bei diesem Tepp sah – nein, ganz sicher nicht! O Mann, ich musste schleunigst an was anderes denken ... sonst würde noch mein letzter Geduldsfaden reißen.
Schnell wischte ich über den Bildschirm des Tablets, um nicht länger die Wetten meines Vaters zu sehen. Dabei wurde mir unbeabsichtigterweise die Daten von Dezeria angezeigt. Ich hatte die Überwachungsapp wohl vorhin nicht geschlossen ... aber es beruhigte mich schlagartig. Es tat gut ... na ja, bis ich sah, wo sie sich gerade aufhielt. Komm schon! Konnte diese Frau meinen Wink denn nicht verstehen?! War sie denn zu dumm, um überhaupt etwas richtig zu machen? Was hatte ich wohl gemeint mit “Tu es nicht”? Natürlich, dass sie nicht ins Dorf gehen sollte!
Frustriert rieb ich mir die Stirn. Heute waren meine Nerven definitiv am Ende ... und es war gerade mal 14 Uhr. Wieso war sie überhaupt im Dorf, wenn sie doch einen Gott hatte? Jemanden, der Eis und Wasser kontrollieren konnte? Das verstand ich nicht ...
Plötzlich wurde die Tür geöffnet und eine nackte Johanna trat mit einem verunsicherten Blick herein. Ihr Augenmerk lag allein auf den leeren Getränketassen, sodass sie mich erst nicht wahrnahm. Ein erleichtertes Seufzen war von ihr auf dem Weg zum Tisch zu hören, ehe sie wie erstarrt stehen blieb. Nja, nun hatte sie mich definitiv gesehen und senkte schnell ihren Kopf. Sie bewegte sich kein Stück mehr, starrte auf den Teppich und wartete. Hm ... interessant.
“Doch nicht so gefühlstot, wie?”, fragte ich mit einer deutlichen Belustigung in der Stimme, was sie ganz kurz zusammenzucken ließ. Dennoch, ich sah es deutlich ... wie zuvor auch in ihren Augen. Da war noch eine Seele in diesem ramponierten Körper. Süß, sie spielte also nur etwas vor. Verhielt sich bewusst wie eine Puppe, um Schlimmerem zu entgehen. Das war gar nicht mal dumm. Sie würde mir also nicht antworten, was in Ordnung war. Ich hatte kein Interesse daran, sie zu verraten. Soll sie doch so versuchen zu überleben. Das kümmerte mich nicht.
Sie hatte vermutlich nicht erwartet, mich hier vorzufinden – stimmt, eigentlich wollte ich auch schon längst auf meinem Zimmer sein. Etwas ausruhen. Die Menschenjagd war nichts, woran ich teilnehmen wollte und da sich Dezeria sowieso in Rotterval aufhielt, würde sie sicherlich in Windeseile wieder hier sein. Das würde dann anstrengend werden, sie vor Strafen zu bewahren, aber na ja. Ich würde spontan ent–
Irritiert hielt ich inne. Eigentlich wollte ich nur noch mal kurz die Körperdaten überfliegen und mich dann erheben. Aber ... ihre Herzfrequenz war zu hoch. War sie etwa verletzt? Kurz überkam mich so etwas wie Sorge, auch wenn es lächerlich war. Ich empfand nichts für sie, dessen war ich mir sicher! Ganz sicher. Nja, bis zu dem Moment, wo mich die weiteren Werte auf etwas anderes brachten ... Sex. Dieses verdammte Weib hatte Sex! Unglaublich! Welcher Bastard wagte es, sie jetzt einfach so durchzurammeln?! Verflucht! Wieso machte mich der Gedanke gleichzeitig wütend und hart? Ich legte schnell das Tablet beiseite ... O Mann, was war nur los heute? Wieso dachte ich überhaupt gerade an ihren nackten verschwitzten Körper? Das tat mir definitiv nicht gut. Nicht meinem Schwanz und erst recht nicht meinem Geld! Dieses Spiel hatte einfach alles ... verrückte Wendungen, war außergewöhnlich anregend und besaß sogar schwer vorhersehbare Elemente. Alles, was ich liebte und brauchte, um mich lebendig zu fühlen. Na ja, diesmal könnte es mir allerdings gehörig das Genick brechen. Scheiße, nein! Ich hatte zu lange daran gearbeitet, um jetzt in diesem Spiel alles zu verlieren ...
Ich schloss die Augen und atmete einmal tief, tief durch. Als ich meine Lider wieder öffnete, streifte mein Blick Johanna, die immer noch auf den Boden starrte. Hm ... dies könnte funktionieren, oder? Ich griff noch mal zum Tablet und prüfte die Tepps, welche auf sie liefen. Nja, die Summen waren nicht so hoch – das könnte ich mir noch leisten. Richard ... du bist echt kein kluger Mann. Deine Wetten hätten mich ernsthaft getroffen, wenn du mehr Geld gesetzt hättest. So allerdings, tut es mir nicht weh, alle deine Tepps zu bestätigen. Deine albernen Gebote, dass ich mit ihr schlafen würde. Nja, das würde mir erstmal etwas Luft verschaffen und auch bei meinen bevorstehenden Problemen mit Meemai ... vielleicht weiterhelfen.
Gut. Ich tippte also für Johanna eine Reihe neuer Tepps ein. Viele, die zwar etwas gewagt waren, aber letztlich uns beiden ein Ausweg sein konnten. Natürlich nur, wenn ich ihre Reaktionen richtig abwog. Ein Risiko, aber eine wirkliche Alternative hatte ich auch nicht. Das mit Dezeria würde ich vorerst für mich behalten. Aber dieser elende Wurm, welcher sie gerade nagelte, wird dafür noch mehr als nur eine Strafe bekommen! Ja, von mir höchstpersönlich! Mann, war das etwa Eifersucht? Verdammt noch mal! Ich empfand nichts für sie! Tz! Ich drückte dieses Gefühl und die Wut darüber schnell wieder in die hinterste Ecke meines Verstandes. Dies konnte ich jetzt nicht gebrauchen. Ich musste mich konzentrieren!
Ich erhob mich aus dem Sessel und griff mein Haargummi vom rechten Handgelenk. Meine glatten Haare band ich zu einem Zopf, welcher mittig auf meinem Kopf ragte, ehe ich zu Johanna ging. Das Mädchen wagte es noch immer nicht, sich zu rühren oder gar mich anzusehen. Richard hatte optisch ganze Arbeit geleistet, sie zu brechen, aber ich wusste ja schon, dass in ihr noch der Mensch steckte, der sie mal gewesen war. Nicht viel, aber etwas würde ausreichen. Ich stellte mich direkt vor sie und wartete einen Moment, bis ich eine leichte Gänsehaut bemerkte. Sehr gut. Angst war verständlich. Angst genau das, was ich mir zunutze machen wollte.
Ich griff nach ihrem Kinn und hob ihren Kopf etwas an. Dennoch vermieden es ihre Augen, mich direkt anzusehen ... Auch das war, wie zu erwarten. Ich beugte mich ihr entgegen und flüsterte ihr meinen Vorschlag ins Ohr. Das war jetzt heikel, wenn sie nicht darauf anspringen würde, blieb sie starr und stumm. Würde nicht reagieren. Aber Johanna ... du bist so nicht, oder? Komm schon ... geh mir auf den Leim. Wage ein Spiel mit mir ...
Als ich mich erhob, fand ich dann genau das, was ich sehen wollte. Ihre Pupillen fixierten mich und sie waren geweitet. Sehr gut. Du warst perfekt dafür, Johanna, und um dir zu zeigen, dass ich es ernst meinte, küsste ich dich. Nicht grob, nicht bezwingend, nicht dominant ... nein. Ich gab dir das, was du brauchtest – was du wolltest ... Zärtlichkeit.
[💋Auch hier wieder ein großes Dankeschön an Darklover für die Rechtschreibhilfe :>]