Sich gänzlich zu entspannen und schlicht verwöhnen zu lassen war ... schwer. Ich vertraute ihnen nicht und ihre Nacktheit störte mich immer noch sehr, so wie überhaupt mein Hiersein. Aber ... mit der Zeit wurde es besser – ich fühlte mich besser. Der rote Schlamm in der Wanne lag wie eine weiche Decke auf meiner Haut – hüllte mich in diese unglaubliche Wärme. Beruhigte mein Herz. Die beiden Schwestern fuhren derweil mit ihren Fingerspitzen gekonnt jeden verspannten Muskelstrang an meinen Beinen entlang. Ganz ohne jedwede Anzüglichkeit. Passend dazu massierte jemand meinen Kopf, während zeitgleich meine langen Haare sanft gekämmt wurden. Von den Frauen so umsorgt zu werden war seltsam ... und doch tat es unglaublich gut. Ich konnte in ihrem Handeln einfach nichts Negatives finden. Dennoch ... mein Unbehagen blieb. Ich vertraute ihnen einfach nicht. Niemandem hier!
“Eure Seele ist noch nicht rein. Ich spüre deutlich Eure Abneigung”, brach Frau Butterblume schließlich das Schweigen, wodurch ich sie bemüht ausdruckslos ansah. Die schien mich wirklich ununterbrochen vom Beckenrand zu beobachten – unheimlich. “Fühlt doch die Wärme, fühlt unsere Liebe, werte Eishexe Dezeria. Können wir Euer kaltes Herz denn gar nie erweichen?” Ich verkniff mir darauf einen spöttischen Kommentar, auch wenn es mir regelrecht auf der Zunge brannte ... Gott! Dieses elende Eishexen Geschwätz nervte vielleicht!
“Ohh, oder zürnt Ihr wegen Eures Wassers? Keine Sorge. Die Lichtzofen beeilen sich, um nur das Beste für Euch heranzutragen.” “Uuund wie lange brauchen die dafür?”, platzte es dann doch patzig aus mir heraus, weil meine Kehle sich immer stärker nach was zu trinken sehnte – so schrecklich trocken war. Meine Lippen fühlten sich auch schon sehr aufgesprungen an ... und ich hatte ebenso den Eindruck, als kehrte der Schwindel zurück, oder? “Sie sollten bald zurück sein. Reines Wasser, wie Ihr es wünscht, haben wir hier schließlich nicht ... nur Gesegnetes.”
Hm, das wiederum glaubte ich nicht. Vermutlich mischten sie gerade etwas zusammen, was man weder schmecken noch riechen konnte. Es gab schließlich immer genügend Brunnen und das hier war doch die Stadt des Wassers, wie konnten sie da keines zum Trinken haben? Wobei ... wir waren so tief unter der Erde, vielleicht gab es ja wirklich keinen Quell hier. Aber, dann wiederum mussten die Frauen erst an die Oberfläche, oder? Die liefen jetzt echt die ganzen Stufen hinauf, weil ich das Gebräu in dem Krug nicht trinken wollte? Ohh ...
“Müssen die Frauen jetzt etwa den ganzen Weg nach oben nehmen, um mir Wasser zu holen? Dann bin ich sicherlich verdurstet, bevor sie wieder zurück sind.” “Nein nein. Ihr irrt”, sprach Frau Blume belustigt und strich in einer lasziven Geste ihr schulterlanges Haar hinter die Ohren. “Der Weg der Sonnenprüfung ist nur für die Zeremonie der Wiedergeborenen bestimmt. Für uns, sowie für alle anderen Anhänger der Sonne gibt es einen anderen Pfad.” Anderen Pfad? Darüber musste ich mehr wissen! “Einen zweiten Weg? Aber ... Treppen sind es ja dennoch. Also wird es trotzdem dauern.” Sie kicherte daraufhin. “Nein, kleine eisige Seele, die Gaben der Sonne bringen einen geschwind hinauf. Vollkommen ohne, dass eine Stufe beschritten werden muss.” Gut zu wissen! Es gab also doch einen deutlich kürzeren Weg hier raus. Und das ganz ohne Treppen! Jetzt musste ich nur noch wissen wo. Sie einfach zu fragen wäre wohl zu auffällig. Hm ... wenn es so eine Art Flaschenzug war, wie es mein Papa immer für die Getreidesäcke in seiner Mühle benutzte, müsste es viel Platz benötigen. Ja, bei dieser langen Strecke in die Tiefe war es sicherlich eine auffällig große Apparatur ...
“Grübelt nicht, geehrte Eishexe Dezeria. Das Wasser wird gleich da sein. Genießt bis dahin die rituelle Waschung. Ruht in den Tränen der Sonne.” Nach diesen Worten begann sie eine Melodie zu summen, welche mir bekannt vorkam. “... betet zur Sonne, zum Licht der Sonne! Hinauf zum Himmel, zum heiligen Stern!”, sang sie dann auch schon, was mich innerlich zum Seufzen brachte. Gerade, wo sie mir nicht mehr ganz so verrück vorgekommen war, musste sie natürlich wieder damit anfangen. Der Singsang breitete sich rasch in der Höhle aus. Jede Frau um mich herum schien ihre Stimme mit in dieses sonderliche Lied einzubringen. Sonne hier, Sonne da ... Schlimm war das!
Es nervte mich sehr und doch blieb ich erstaunlich ruhig – wurde seltsam müde. Die Massage an meinem Kopf unterstützte ebenso meine Schläfrigkeit. Meine Augen fielen ganz von alleine zu. Ich wäre vermutlich sogar richtig eingeschlafen, aber ... dann merkte ich den immer intensiver werdenden Duft von Rosen. Gott, sicherlich wieder so etwas, was meinen Verstand benebeln sollte! Ängstlich riss ich die Lider auf und sah ... zu meiner Überraschung, tatsächlich Blütenblätter! Zwei Frauen, die weiße und gelbe Kringelmuster auf ihrer nackten Haut trugen, warfen gemächlich das feine rote Blattwerk in den Schlamm. Das beruhigte mich etwas, dennoch blieb ich wachsam.
“Es ist soweit! O geehrte Dezeria, Hexe des Eises!”, verkündete auf einmal Frau Schleife hoheitsvoll, wodurch der Gesang augenblicklich verebbte. “Die Tränen der Sonne haben ihre Wirkung entfacht!” Erst nach diesen Worten sah ich sie an den Rand des Beckens treten. Auch auf ihrer braunen Haut befanden sich nun allerhand abstrakte Zeichnungen – allerdings nur in Weiß. Sie streckte die Arme in die Höhe und sah mich streng an. “Nehmt Abstand zu ihr!”, sprach sie weiter und sofort hörten die beiden Schwestern auf, meine Beine zu massieren, sowie auch die Hände von meinem Kopf verschwanden. “Die Gewählten des Lichtsegens mögen sich nun dem Eis annehmen.” “Und das soll was heißen?”, fragte ich genervt und leicht nervös, aber da stiegen schon die Blütenwerferinnen zu mir in die Wanne. “Wir helfen Euch hinaus”, sprachen beide fast gleichzeitig und hievten mich auf die Füße. “Ihre Haarpracht! So haltet es doch gescheit!”, murrte Frau Schleife und ich spürte auch sofort, wie jemand an meinen Haaren zog. Ein flüchtiger Blick über meine Schulter bestätigte mir, dass noch so eine bemalte Frau von hinten in die Wanne stieg, nur um meine helle Mähne hochzuhalten. Gott! Also umständlicher ging es wohl nicht mehr!
“Ich kann alleine gehen!”, murrte ich, da es meinen Beinen erstaunlich gut ging und ich nicht von lauter Händen angefasst werden wollte, aber offensichtlich hatte ich da nichts mitzubestimmen. Fast schon schmerzlich wurde ich aus dem Schlammbecken hinausgezogen und fand mich erneut eng umringt von nackten Frauen wieder. Bei den Monden! Wenigstens war meine Blöße noch gut von der feuchten Erde bedeckt, auch wenn diese nun mit jeder Bewegung weiter hinab rutschte. Hier und da klatschte auch etwas mit einem leisen Schmatzlaut auf den steinernen Boden, aber das schien niemanden zu interessieren. Daher wohl auch immer die Flecken.
“O Eishexe! Euer Körper ist gesegnet worden und frei von all den gräulichen Einflüssen ...”, begann Frau Schleife eine Predigt, aber ich hörte nicht weiter zu. Vielmehr kämpfte ich mit dem Schwindel in meinem Kopf. Ich war so durstig. Gott! Ich würde jetzt auch das Zeug aus dem Krug trinken ... Nein! Ich musste mich zusammenreißen! Für mich, für Zerian! Auch wenn ich mich mittlerweile wie eine leblose Puppe fühlte. Ich hörte erneutes Raunen und Gesumme ... Worte über Sonne, Licht und Wärme. Viele Hände zerrten an meinen Armen. Gleich vier Frauen hielten mich aufrecht – schmiegten sich aufdringlich an meine Seite und schoben mich unerbittlich vorwärts zu Frau Schleife. Sie streichelte meine linke Wange, was mir nicht wirklich geheuer war.
“Fühlt Euch frei. Fühlt Euch geliebt”, sprach sie entzückt und malte nebenbei einige Symbole direkt vor meiner Nase in die Luft. Eine kleine Verbeugung ihrerseits folgte, was mich nur noch mehr verwirrte. “Möge Euer Eis dahinschmelzen”, sprach sie erfreut, nachdem sie sich wieder aufgerichtet hatte und in einer grazilen Drehung herumwirbelte. “Zum Segen der Sonne! Dem Licht der Sonne! Zum Wohle des Feuers! Der Wärme unserer Herzen!”, sang sie und gestikulierte dabei schwungvoll. Ihre weißen Zeichnungen auf dem Rücken schienen zu tanzen, als wären sie lebendig. Es war faszinierend anzusehen – hatte etwas Magisches. Der Canon aus lieblichen Stimmen im Hintergrund verstärkte sich und hallte recht eindrucksvoll in der Höhle von allen Richtungen wieder. Immer mehr Frauen mit diesen weißen und gelben Kringelmustern auf der Haut traten in den Vordergrund und bereiteten mir so einen Weg durch die nackten Körper.
“Der Lichtsegen wartet!”, verkündete Frau Schleife inbrünstig und strich mit beiden Händen ihre lange wellige Haarpracht zurück, was die diversen fein gebundenen roten Schlaufen darinnen ebenso zum Tanzen brachte. Danach startete sie abermals eine Litanei über die Sonne. So langsam floss mir dieses Gesülze schon richtig aus den Ohren! Aber, meine sichtliche Unfreude darüber bekam sie ja gar nicht mal mit. Sie stolzierte vor mir ganz in ihrem Gerede versunken den Weg aus Rosenblättern entlang. Unfreiwillig folgte ich. Die Damen an meiner Seite waren darin echt unnachgiebig. Gott! Hoffentlich hatte das alles bald ein Ende!
“Verneigt Euch vor der Sonnengezeichneten Hexe des Eises!”, hörte ich plötzlich Frau Butterblume hinter mir lauthals rufen und dann knieten sich sämtliche Frauen am Rand auch schon hin. Das irritierte mich. Ich fühlte mich seltsam durch diese Geste ... Sie verbeugten sich für mich? Alle? Als wäre ich ein Rea – etwas Göttliches. Noch nie wurde ich so ehrfürchtig behandelt und irgendwie gefiel es mir. Vielleicht wurde ich aber auch nur langsam weich in der Birne ... Bei Cor und Del! Ich war kein Gott! Keine Eishexe! Ich war Dezeria! Schnell versuchte ich die Menschen um mich herum zu ignorieren. Starrte allein auf den Hinterkopf von Frau Schleife, die mich immer tiefer in die unglaublich heiße Höhle führte. Ein penetranter Gesang über Sonne und Feuer begleitete mich dabei ununterbrochen in diese Hölle.
Wenige Schritte später erreichten wir eine rundliche helle Kammer, welche über und über mit funkelnden Steinen an den Wänden besetzt war. Es glich einem wunderschönen Sternenmeer bei Tag. An einer Stelle stand eine riesige goldene Statue dicht an der Wand, die wohl eine riesige Sonne darstellen sollte. Ich sah überall orange Kerzen brennen und Schalen voller unterschiedlichen weiß, gelb oder roten Blüten darum verteilt. Ein Altar, keine Frage. Der Chor aus summenden Stimmen erstarb sofort, als wir uns diesem massiven Gebilde näherten und auch Frau Schleife unterbrach endlich ihre Predigt. Sie drehte sich schwungvoll herum und wich dann leicht verbeugend zur Seite aus. Machte mir Platz ... Meine Augen starrten sofort auf das Ende der Blüttenspur und musterten die goldenen Kacheln auf dem Boden vor mir. Kleine Flammensymbole zierten die glatten Steine, welche irgendwie ... zu glühen schienen? Wollten die mich jetzt etwa darauf rösten?
“Nur keine Scheu. Auch wenn Ihr heute nicht ganz den Ritus der Reinheit durchlebt, so erhaltet Ihr dennoch einen Lichtsegen, der die Tränen der Sonne von Euch bringen wird. Natürlich dient er gleichsam auch als Schutz vor dem bösen Wassergeist”, sprach Frau Schleife und dann wurde ich auch schon von meinen Begleiterinnen darauf gezerrt. “Was ist das?”, fragte ich besorgt, denn an meinen Füßen spürte ich deutlich, wie warm die Steine waren. Fast schon zu heiß, um darauf stehen zu bleiben. “Sagte ich doch bereits”, sprach Frau Schleife leicht verwirrt und trat dicht vor mich. “Zum Trocknen der Tränen, also dann, Segen an!”
Gleich als sie diesen Satz beendete, erklang ein seltsames Geräusch, wie von Wind. Heiß, heißer! Gott! Ein sengender Lufthauch strömte um meinen Körper, als würden lodernde Flammen meine Haut verbrennen! “AHH!”, schrie ich und zappelte in dem Griff der Frauen, leider ohne Erfolg. Sie hielten mich eisern an Ort und Stelle. Hilfe! Ich fühlte mich, wie ein Laib Brot in einem Steinofen! Ich wurde lebendig gebacken!
“Heiß! Es ist vieeeel zu HEIß!”, jammerte ich und ehe ich mich versah, eilte Frau Blume zu mir und küsste mich. “Shhh gleich wird es besser. Es mag Euch vielleicht nur am Anfang zu stark vorkommen, aber Ihr täuscht. Seht Ihr? Es geschieht Euch nichts, ich stehe sowie auch die Gewählten des Lichtsegens bei Euch. Geben Euch Kraft. Schenken Euch Liebe.” “Wa-Wasser! Durst!” Waren die einzigen Worte, welche ich noch aus meinem staubigen Mund formen konnte. Ich glaubte, gleich in Ohnmacht zu fallen ... Die wollten mich wohl ernsthaft umbringen! Schmorten mich hier in immer höheren Temperaturen und das, obwohl ich bereits vollkommen am Verdursten war!
“Ah! Natürlich, ich vergaß!”, hörte ich Frau Schleife im Hintergrund. “Trägerinnen! Bringt das Wasser für die Hexe Dezeria!” “Seht Ihr? Wasser ist für Euch schon da”, sprach auch Frau Blume mit einem breiten Lächeln, ehe sie den heraneilenden Frauen Platz machte. Gleich fünf gelbe Krüge wurden in meine Richtung gehalten und sofort schnappte ich mir blindlings einen von diesen, als man meine Arme endlich losließ. Völlig egal, was da jetzt auch immer drin sein mochte, ich hielt es einfach nicht mehr länger aus und leerte den Krug in einem Zuge! Schluck um Schluck spülte ich das kühle Nass meine Kehle hinunter und GOTT tat das gut!
Nur am Rande bemerkte ich, wie Getuschel einsetzte. Gesprächsfetzen die stark nach: “Hab ich’s nicht gesagt?” oder “Die Hexe hat genau gewusst, welchen Krug sie nehmen musste!” klang. Ich ignorierte es. Ich war viel zu durstig und überaus dankbar, dass sie mich nun in Ruhe trinken ließen. In Ruhe ... Unbeobachtet hätte ich mich natürlich noch wohler gefühlt, aber offensichtlich gab es für mich hier unten keinen Moment allein oder Kleidung oder auch nur etwas gesitteten Umgang ... Bestimmt hunderte Augen lagen auf meinem Körper ... was mir unweigerlich jeden weiteren Schluck erschwerte. Wieso starrten die mich den jetzt alle so intensiv an? O bei den Monden, lass in dem Wasser nichts Schlimmes drin sein!