“O bei der Sonne, niemand wird dich hier vergewaltigen.” Frau Butterblume fand als erstes ihre Stimme wieder. “Wie kommst du denn auf sowas, Süße?”, fragte sie weiter und schien dabei ehrlich bestürzt zu sein. Seltsam. “Sowas zu sagen ist reinste Blasphemie! Im Tempel der Sonne gibt es nur Liebe! Wer hat Euch denn derart Abscheuliches vorgetragen? War es diese Geißel des Wassers?”, sprach Frau Schleife wiederum verärgert, wodurch ich aber nur die Nase rümpfte. “Ich habe mir das nicht ausgedacht! Ich wurde gegen meinen Willen mit dem Grafen Van Rotterval vermählt, nachdem er meine Eltern ermorden ließ! Er hat mich mit irgendetwas in einem Getränk benommen gemacht und mit mir geschlafen! Sie haben es für ein Spiel gemacht, um die Adligen zu unterhalten und alle haben es gesehen!”, schimpfte ich wütend, wodurch die beiden Frauen, welche neben mir in der Wanne hockten, meine Beine kräftiger massierten. “Shhh, regt Euch nicht auf, wehrte Eishexe Dezeria, Ihr sollt Euch doch entspannen”, sagte eine von ihnen und lächelte mir aufmunternd zu, aber die hatte vielleicht gut reden ... Das hier war doch nichts Anderes, als bei diesem Monster Ludwig! Ich blickte also finster zu der kleinen braunhaarigen Frau, die noch immer sehr verunsichert den weißen Krug in meine Richtung hielt.
“Ich werde nichts von diesem seltsamen Gebräu zu mir nehmen! Da könnt Ihr hier noch so lange rumstehen und mich anstarren! Trinkt es doch selbst!”, meckerte ich schließlich, was Frau Schleife einen knurrigen Laut entlockte. Sie schnappte sich kurzerhand das Gefäß und betrachtete es einen Moment, ehe sie es zu ihrem blutroten Mund führte. Sie nahm ein-zwei Schlucke und sah mich danach unergründlich an. “Es ist ein Getränk von höchster Ehre. Der Herr der Sonne hat es eigenhändig geschaffen. An ihm zu zweifeln ist absurd! Er ist die Sonne, er ist die Liebe.” “Ja klar! ... Also wenn Herr Sonne dies persönlich zusammengemischt hat, fühl ich mich natürlich sofort besser! Er kann seine Liebe gerne behalten!”, spottete ich, was erneut Getuschel um mich herum auslöste.
“Bitte Eishexe Dezeria, die Sonnengattin hat Recht”, sprach nun Frau Butterblume und ließ sich ebenso den Krug zum Munde führen, um gierig daraus zu trinken. “Das gesegnete Getränk soll die Wiedergeborenen lediglich entspannen und die Wärme des Feuers verbreiten. Ihr werdet berauscht sein. Ihr werdet lieben und von allen geliebt werden.” Sie fasste sich nach diesen Worten mit beiden Händen an die Brüste, weswegen ich schnell meinen Blick abwendete. “Das werde dann aber gewiss nicht mehr ich selbst sein!”, hielt ich verstimmt dagegen, fragte mich aber gleichzeitig, warum ich überhaupt noch etwas sagte. Diese Unterhaltung führte doch zu nichts.
“Vielleicht ist das Ritual für sie doch zu verfrüht”, sprach Frau Schleife, aber mir war es egal. Ich blickte lediglich zu den Frauen, die noch immer meine Beine berührten und sachte kneteten. Sie bemühten sich um ein aufmunterndes Lächeln, aber auch das kümmerte mich wenig. Sie konnten mich nicht täuschen! “Hexe Dezeria?”, hörte ich Frau Butterblume nahe an einem Ohr, aber ich zögerte, zu ihr zu blicken. Sollte ich? Was, wenn sie noch immer an ihrem Körper spielte? Das wollte ich keinesfalls sehen! “Mein Kuss wirkt nur unterstützend zu Eurer eigenen Lust – bringt lediglich Euer Blut in Wallung ... Ihr seid dennoch ganz und gar Ihr selbst. Wir alle hier schenken Euch nur Wärme, schenken Euch das Feuer.” Ich runzelte die Stirn. “Feuer, ja? Meine Eltern hat man bei lebendigem Leibe verbrannt, ebenso meine Großmutter! Ihr redet alle immer nur von Liebe, aber das ist völliger Quatsch! Euer blöder Herr der Sonne ist–” “Zügelt Eure eisige Zunge!”, hörte ich Frau Schleife verärgert rufen, aber ich war längst an einem Punkt angelangt, wo ich die Konsequenz zwar fürchtete, aber diesen Irrsinn nicht weiter wortlos hinnehmen wollte!
“Ich soll schweigen, ja? Warum? Vertragt ihr alle etwa die Wahrheit nicht oder erhalte ich sonst eine Strafe?” “Das was Ihr sagt, hat wenig mit einer Wahrheit zu tun”, sprach Frau Butterblume und berührte mich an der rechten Schulter. Ich drehte verunsichert den Kopf zu ihr und verfolgte, wie ihre Fingerspitzen sachte über meine Haut strichen. Es bereitete mir unweigerlich eine Gänsehaut, trotz der Hitze des Schlammes, und als ihre Hand schließlich hinab zu meinen Brüsten wanderte, reichte es mir. Ich ergriff schnell ihr Handgelenk und sah sie mahnend an. “Lasst das!”, schimpfte ich, doch sie lächelte nur und blinzelte mich mit einem verführerischen Augenaufschlag an. “Warum? Was habt Ihr gegen sanfte Berührungen?”, fragte sie unschuldig, zog dann aber doch ihre Hand zurück. “Niemand tut Euch etwas. Ihr seid immerhin im Herzen des Sonnenrefugiums und hier gibt es keine Strafen. Nur Liebe, Licht und Wärme füllen unsere Seelen. Hat Euch etwa der Mond und das Wasser für jeden Ungehorsam bestraft? Fürchtet Ihr Euch deshalb andauernd? Hat Euch der blaue Fluch schweres Leid zugefügt?” “Wer Zerian? Nein! Hat er nicht!”, sagte ich vollkommen empört. “Der Mondgott tut nie–”, ich stoppte, denn zu sagen er würde niemandem etwas antun, wäre gelogen ...
“Er ist mein Freund!”, sagte ich stattdessen, was Frau Butterblume aber wenig überzeugte. “Ihr habt sicherlich Schlimmes durch seine Knechtschaft erlebt. Ich versichere Euch, dass Ihr hier in Sicherheit seid. Euch wird das Wasser nie wieder etwas antun.” “Er hat mir aber doch gar nichts angetan! Er ... er hat mich gerettet ... Mehrfach! Ohne ihn wäre ich noch immer gefangen ... oder ... tot.” Die letzten Worte flüsterte ich schniefend, was dazu führte, dass Frau Butterblume mir sofort die Wange streichelte. “Shhh, alles gut, verirrte Seele Dezeria, wir sind doch bei Euch. Wir und all unsere Schwestern”, sprach sie weiter und fuhr mit ihrem Zeigefinger hauchzart über meine bebenden Lippen. Ich schnaubte umgehend und drehte meinen Kopf weg, um ihrer unangebrachten Berührung zu entgehen. “Wir sind doch gut zu Euch.” “Wir behandeln Euch doch liebevoll, nich wahr?”, fragten nun auch die beiden Frauen zu meinen Füßen und ließen gleichsam ihre Hände langsam meine Oberschenkel hinauf gleiten. Gott! Das wollte ich ebenso wenig! Das wurde mir einfach alles zu viel! “Hört auf! Fasst mich nicht soo an!”, forderte ich beunruhigt und war im Begriff aufzustehen ... verwarf es aber schnell. Ich war noch immer viel zu erschöpft und ... um die Wanne herum sah ich nichts als entblößte Frauen ... Toll!
“Ziert Euch nicht dermaßen, ein jeder von uns wäre gerne an Eurer Stelle! Passt bloß auf Ihr Haar auf, es darf nicht in die Tränen!”, hörte ich Frau Schleife, ohne dass ich sie allerdings erblicken konnte. Ich zog derweil meine kraftlosen Beine an und versuchte mich im Schlamm so klein, wie möglich zu machen ... Das einige meiner hellen Haarsträhnen derweil in der roten Pampe schwammen, war mir vollkommen gleich. “Bleibt mir ja fern! Ihr könnt meinen Platz in diesem Spiel gerne haben! Ich will hier nicht sein! Ich will nur Zerian holen und dann weg – gaanz weit weg von hier!” Ich presste mir überrascht von meinen unbedachten Worten hastig die Hände auf den Mund ... und natürlich einen Haufen Erde gleich mit dazu. Eww! Bei den Monden! Die machten mich hier alle wahnsinnig! Und ... und wie konnte ich ihnen nur davon erzählen, dass ich fliehen wollte? Jetzt würden sie mich gewiss noch viel strenger bewachen ...
“Ihr habt Angst? Ruft die Geißel des Wassers etwa gerade nach Euch?” “Beeinflusst er Euer handeln? Hat er Euch so sehr unter Kontrolle, dass Ihr dem folgen müsst?”, fragten abwechselnd die beiden Frauen und nahmen besorgt blickend ihre Hände von mir. “Hält das Wasser gar Eure Seele gefangen und bringt Euch Schmerz, da wir Euch jetzt zu reinigen versuchen?”, fragte auch die Butterblumenfrau, was mich nur genervt den Kopf schütteln ließ. “Nein! Ihr hört mir gar nicht richtig zu!” “O doch, wir verstehen Euch sehr gut sogar. Gefangenschaft, Gewalt und Tod ... das ist alles was das Wasser kann!” “Was? Nein! Zerian hat mich weder gedemütigt, ausgepeitscht noch vergewaltigt! Die Menschen – die Adligen waren es!” “Armes verwirrtes Kind des Eises, wurdet Ihr so blind gemacht?”, mischte sich nun Frau Schleife ein und trat an den Rand der Wanne, schob sich grazil durch die Menge, sodass ich sie sehen konnte. “Merkt Ihr nicht selbst, wie falsch Ihr sprecht? Ihr redet von Demütigung, Auspeitschung und Vergewaltigung? Niemand hier tat Euch dies Scheußliche an und selbst Euer eigener Körper straft Euren Worte lügen. Eure Haut ist gänzlich unberührt gewesen.” “Es stimmt aber! Seht es euch doch selbst auf der Adelstechnik an!” “Adelstechnik? Ich weiß nicht wovon Ihr sprecht. Eure Worte sind offensichtlich immer noch stark durch das Wasser beeinflusst, aber keine Sorge, es wird Euch sehr bald schon bei uns besser gehen.” “Ich lüge nicht! GOTT! Glaubt doch WAS IHR WOLLT!”, schrie ich nun richtig schrill, aber das schien die Frauen nur noch mehr in ihrem verrückten Gerede zu bestärken. Einige tuschelten etwas Abfälliges über das Wasser oder Cor, andere lächelten mich liebevoll an oder nickten aufmunternd, als wäre ich ein Kind, das nur Unsinn erzählte. Das machte mich so wütend!
“Sie hat Temperament. Belasst es einfach dabei, geehrte Sonnengattin”, sprach Frau Blume lieblich, erhob sich vom Wannenrand und gab der schwarzhaarigen Verrückten einen Kuss auf die Wange. Ein kräftiger gelber Lippenabdruck blieb auf der braunen Haut zurück. “Ich benötige keinen deiner berauschenden Küsse! Ich hatte ohnehin nicht vor, weiter mit der Hexe des Eises zu diskutieren. Dennoch ... das Ritual ist für sie eindeutig verfrüht. Sie zergeht nicht vor Leidenschaft. Der Hass auf die Sonne wird noch zu sehr vom unheilvollen Wasser genährt ... dagegen wird auch mein Segen nichts ausrichten können. Ich beschließe daher, dass ihr Ritus der Reinheit jetzt beendet ist. Jemand muss dem Sonnenherrn davon in Kenntnis setzen, damit er–” “Ich!” “Vergiss es, ich gehe!” “Ich geh zu ihm!” “Ich mach das!” “Nein! Ich!” “Wieso du?” “Hier ICH!” “Ich geh schon!”, riefen sofort sämtliche Frauen aufgeregt durcheinander und eilten, wie eine Schar kopfloser Hühner, auf und davon. Gott! Was lief hier nur? Selbst die beiden Damen bei mir im Schlamm, wollten sofort hinaus klettern, wurden jedoch von Frau Blume aufgehalten.
“HALT! EIN BOTE reicht vollkommen!”, rief dagegen Frau Schleife erzürnt und unglaublich hallend, aber da waren schon einige Weiber durch den Vorhang hinaus gestürmt. Der Rest machte tatsächlich kehrt ... seufzte oder stöhnte frustriert dabei. “Der Sonnenherr muss sich gerade vorbereiten, wie könnt ihr ihn alle stören wollen?!”, schimpfte sie weiter, ohne, dass ihr jemand eine Antwort gab. “Er kommt zu uns, wenn ihm danach ist! Außerdem könnt ihr ihn alle bei der Läuterung des Wassers sehen!” “Als wärst du nicht selbst am liebsten losgestürmt”, kicherte Frau Butterblume, was ich hingegen überhaupt nicht nachvollziehen konnte. Warum waren alle so verrückt nach dem Sonnenheini?
“Seid ihr etwa alle seine Frauen?”, fragte ich schließlich verwirrt, denn dass er sie alle lieben konnte, war doch absurd! Oder? Ich kannte nur, dass zu einer Frau ein Mann gehörte – es für jeden nur den Einen gab. Ich wüsste niemandem, wo es anders gewesen wäre. “Ja!” “Natürlich!” “Ja.” “Ist er nicht süß?” “Wir lieben ihn.” “Wie kann man ihn nicht lieben?”, raunte es von überallher an meine Ohren, was mich auch nicht weiter brachte. “Er liebt uns alle, wie auch wir ihn bedingungslos lieben”, schwärmte ebenso Frau Butterblume und umarmte sich selbst ... was für mich wenig hilfreich war.
“Auch Ihr werdet es schon bald verstehen, Hexe aus Eis. Wenn Ihr seine Herrlichkeit und Liebe am eigenen Leib erfahrt ...”, fügte Frau Schleife noch hinten ran, wodurch ich sogleich entsetzt den Kopf schüttelte. “Bei den Monden! Der soll mir bloß nicht zu nahe kommen! Ich will seine Liebe nicht!” “Genug davon! Ihr seid verstimmt, wir haben es verstanden. Genießt doch einfach das Bad und lasst all das Schlechte endlich hinter Euch! Hier wird Euch gewiss nichts geschehen, das garantiere ich Euch. Und um zu zeigen, wie gutherzig die Sonne ist ...”, sie drehte sich herum und streckte die Arme in einer fließenden Bewegung zur Seite. “Los! Geht und holt reines Wasser für die Eishexe Dezeria. Vielleicht wird sie das ja milde stimmen. Sie soll der Sonne nicht länger zürnen und sobald wie möglich ein glücklicher Teil unserer strahlenden Familie werden!”
Ich schnaubte abfällig und sah misstrauisch einer Gruppe Frauen hinterher, die nun eilig die Höhle verließen. Ich sollte nun also doch richtiges Wasser bekommen? Jetzt auf einmal? Egal, was sie mir da jetzt bringen würden, für so einfältig konnte sie mich doch nicht halten, das Zeug dann einfach blindlings zu trinken? Andererseits ... meine Kehle brannte wie die Hölle ... Ich hatte so Durst und es dauerte sicherlich nicht mehr allzu lange, bis ich auch freiwillig das seltsame Zeug, aus dem weißen Krug trinken würde ...
“Alles gut, verirrte Seele Dezeria”, sprach Frau Butterblume und beugte sich erneut über den Beckenrand um eine Hand nach mir auszustrecken. “Hört auf das, was die hohe Sonnengattin spricht. Die Tränen der Sonne werden Euch all das Negative nehmen. All den Schmerz ... all die Sorgen. Warum wollt Ihr nur weiter an Eurer Vergangenheit festhalten? Genießt doch einfach nur das Hier und Jetzt. Keine Gewalt, kein Schmerz ... ich bitte Euch. Lasst das liebliche Rot Eure Haut verwöhnen. Lasst die Schwestern der Tränen sich weiter um Eure geschundenen Beine kümmern, ja?” “Nur keine Angst.” “Wir würden Euch niemals etwas antun”, sprachen auch sogleich die beiden Frauen vor mir und tasteten vorsichtig im Schlamm nach meinen Füßen.
Ich ... ich ließ sie widerwillig machen – ließ von Frau Blume meinen Kopf zurück auf das Kissen betten und streckte letztlich meine Beine aus. Es stimmte schon ... bisher hatte mir hier niemand etwas getan, aber die Furcht davor wallte unglaublich intensiv in meinem Inneren. Dieser Sonnenwicht Lichius wollte mit mir schlafen, dessen war ich mir sicher! Warum sonst hatte er sich ... Schnell verwarf ich den Gedanken an sein aufragendes Ding und auch die erneut beginnende Massage half, mich zu entspannen. Ich war noch immer viel zu erschöpft ... Erst einmal musste ich wieder zu Kräften kommen und dann ... würde ich schon irgendwie einen Ausweg finden. Ja! Ganz gewiss!