Johannas ganzes Leben raste an mir vorbei und es berührte mich auf einer Ebene, die stärker war, als alles Bisherige. Ich sah, was die verschiedensten Menschen ihr über die Jahre hinweg angetan hatten. Welche Schmerzen sie erleiden musste. Wie oft sie beinahe gestorben wäre. Es erschütterte mich, obwohl ich wusste, was mit Sklaven in der Regel gemacht wurde. Wie grausam Menschen untereinander sein konnten.
Ich kannte viele Spiele, Gesetze und Strafen. War bei mancher Folter selbst dabei gewesen, als ich mit dem Regen über die Landschaft zog. Ebenso, wenn ich in einem See oder im Fluss meine Zeit verbrachte. Elend und Auseinandersetzungen gab es überall auf der Welt. Es gehörte unwiederbringlich zum Leben.
Aber. Das Leid zu sehen und zu hören, war nichts im Vergleich dazu, es auch zu spüren. Allie hatte es mir bereits sehr deutlich vor Augen geführt, doch diese Erfahrung glich eher einem flüchtigen Moment – einem unbedeutenden Tautropfen, der auf ausgedörrte Erde fiel. In Johanna dagegen nahmen die fürchterlichen Erinnerungen einfach kein Ende. Wie hatte sie es nur geschafft, das alles zu überstehen? Ich wurde verrückt davon. Verlor mich regelrecht in ihrem Leben – in einem Strudel aus tiefster Finsternis.
Unwillkürlich wünschte ich mir mein früheres Wesen zurück. Kalt. Emotionslos. Ein stiller Beobachter, der nichts von Gefühlen wusste. Für den Schmerz nichts weiter als ein Wort von vielen war und Verzweiflung lediglich ein Gesichtsausdruck darstellte. Ich wollte wieder Wasser und Eis sein. Stürmisch mit den Wolken ziehen, mit den Fischen im Bach um die Wette schwimmen oder als Schnee sachte auf die Erde fallen. Ich wollte alles – nur kein Mensch mehr sein.
Nein! Das zu denken war falsch. Ich durfte mich nicht von diesem negativen Wirrwarr verschlingen lassen. Musste doch Johanna heilen – sie aus dieser Dunkelheit retten! Sie durfte nicht unglücklich sein. Kein einziger Schatten gehörte auf ihr wundervolles Licht!
Dieses Vorhaben stellte sich jedoch als unmöglich heraus. Mit jeder Sekunde, die verstrich, büßte ich ein Stück meines Geistes ein, ohne, dass ich etwas erreichte. Meine Konzentration glich einem flüchtigen Nebel. Ich verlor mein Ziel aus den Augen. Jedes Bild lenkte mich ab und nicht nur wegen dem, was sich darin widerspiegelte. Ich empfand Qual. Jedes Ereignis aus Johannas Leben spürte ich, als wäre es mir selbst passiert. Leid ohne jeglichen Sinn. Schrecklich.
Die Eindrücke wühlten mich schließlich so sehr auf, dass ich glaubte, sterben zu müssen. Zu viel. Es war zu viel. Viel zu viel! Schmerz zerrte an mir – riss mich weiter in die Tiefe. Tauchte mich unter. Ich brauchte Luft. Konnte nicht mehr atmen!
Ein undefinierbarer Schrei entwich meiner Kehle und binnen Sekunden schoss das Wasser in alle Richtungen von uns. Gleich einer Explosion knallte es lautstark und zerstörte ringsherum das ohnehin schon beschädigte Gebäude. Wände und Teile der Decke stürzten ein. Klatschten dicht neben uns auf den Boden. Überfordert stand ich einfach nur da und presste Johannas schlaffen Körper an mich, als würde sie jeden Moment verschwinden. Mich verlassen.
Ich zitterte. Hektisch ging mein Atem. Das Herz raste in meiner Brust. Der Blick starr ins Leere. Atemzug um Atemzug versuchte ich, mich zu beruhigen. Klarer zu werden. Es dauerte jedoch eine Weile, bevor ich begriff, dass es vorbei war. Das Grauen mich nicht mehr gefangen hielt. Seltsamerweise blieb die Erleichterung darüber jedoch aus.
“Tut ... mir leid”, flüsterte ich erschöpft und sackte mit Johanna fest umschlungen auf die Knie. Wiegte sie langsam in meinen Armen. Unerträgliche Schuld erfüllte mich und das, obwohl ich noch nie dergleichen gespürt hatte. Es tat mir leid. Sie tat mir leid und auch das, was ich gemacht hatte. Es sollte ursprünglich doch ganz einfach sein. Wieso konnte sie mir die schlimmen Erinnerungen nehmen, aber ich nicht ihre? Was hatte ich falsch gemacht?
Verzweifelt blickte ich auf sie herab – drehte ihren Kopf in meine Richtung. Überrascht stellte ich fest, dass sie die Augen geschlossen hatte und auch sonst keinerlei Regung zeigte. Bei den Monden, hatte ich sie getötet? Nein! Das durfte nicht sein!
“Johanna?!” Panik wallte in mir. Ich keuchte halb erstickt und ignorierte dabei völlig ihren gleichmäßigen Herzschlag. Das sachte Heben und Senken ihres Brustkorbes. Die Wärme ihrer Haut. Dass sie vielleicht nur bewusstlos war, hatte für mich irgendwie keine wirkliche Bedeutung. Mein Verstand gaukelte mir unentwegt vor, dass ich sie verliere. Sie verloren hatte. Sie gestorben war.
Alles entglitt mir. Ich fühlte mich wie feiner Sand, der ohne es zu wollen, von der Strömung mitgerissen wurde. Ins Ungewisse trieb. Genau. Erst verschwamm meine Sicht und dann regnete es auch noch, ohne, dass ich einen Befehl gegeben hatte. Vereinzelte Tropfen fielen sanft auf ihr Gesicht, obwohl ich absolut kein Wasser mehr hier haben wollte. Aber. Ich konnte es seltsamerweise nicht verhindern oder wegschicken. Es gehorchte mir nicht, stattdessen wurden es immer mehr. Kleine durchsichtige Perlen purzelten auf ihre Wangen, die Nase, die Stirn oder auf die geschlossenen Lider.
Plötzlich kehrte Leben in ihren Körper. Gebannt hielt ich die Luft an – verfolgte, wie sie mit einer Hand über ihr nasses Gesicht strich. Keinen Moment später blickten mir rot-gelb glühende Augen entgegen und ich glaubte, sofort in Flammen zu stehen. Da war es wieder – ein Gefühl von Sonne. Warm und geborgen. Sie beherbergte das Feuer. Zweifellos. So wunderschön.
Als Johanna mich jedoch erkannte, sah sie sofort verärgert aus. Zorn keimte deutlich in ihr, verschwand aber genauso schnell, wie es gekommen war. Sie blinzelte verwirrt. Jeder Wimpernschlag ließ dabei die Glut sichtbar verblassen, bis nur noch das normale Braun übrig blieb.
“Wieso weinst du?”, fragte sie besorgt und fuhr mit den Fingerspitzen einen Pfad an meiner Wange entlang. Ich stutzte. “Weinen?” Ich folgte ihrer Berührung mit einer Hand und tatsächlich – der vermeintliche Regen kam von Tränen. Meine Tränen. Wie sonderbar. Ich konnte weinen?
“Ich weiß nicht ... bin durcheinander. Ich dachte, du verschwindest. Lässt mich allein. Ich wollte dich doch nur heilen, aber irgendwie ging das schief und nun habe ich dir weiteren Schrecken gebracht. Dabei verstehe ich nicht wie. Bisher konnte ich noch jede Verletzung beheben. Egal wie schwer. Es tut mir leid, dass du diese verborgenen Erinnerungen noch einmal durchleben musstest.” Sie runzelte die Stirn. “Ich weiß nicht, wovon du sprichst. Du hast mir absichtlich mit dem Wasser Angst gemacht und dafür sollte ich sauer auf dich sein, aber ...”, sie drehte sich in meinen Armen und richtete sich soweit auf, bis sie schließlich vor mir kniete, “ich fühle nicht, dass du es aus Spaß gemacht hast. Du bist unglaublich traurig und das will ich nicht.” Sie gab mir einen sanften Kuss, der mich umgehend beruhigte und eine erdrückende Last von meiner Seele nahm. Wieso konnte sie das ohne Probleme und ich nicht?
“Ich würde dir nie ...” Ich stoppte. Dass ich ihr nie etwas antun würde, war gelogen. Ich hatte es gerade leichtfertig getan. Auch wenn ich ihr nur helfen wollte – es war nicht richtig gewesen. Diese Erkenntnis riss mich sofort in ein neues Tief. In einen Strudel, dessen Ende nichts als Dunkelheit beherbergte.
“Hey, warum wirst du schon wieder so aufgewühlt?”, fragte sie und wischte mir die letzten Tränen aus dem Gesicht. “Ich wollte dich nicht verletzen”, erwiderte ich leise und genoss gleichzeitig das wunderbare Gefühl ihrer warmen Hände. Als würden feinste Sonnenstrahlen meine Haut streicheln.
“Hast du nicht ... nicht wirklich zumindest. Ich weiß nur noch, wie mich das Wasser verschlingen wollte, aber danach ... Leere.” Sie stand auf und streckte sich. “Ich fühle mich gut. Dennoch möchte ich nicht, dass du sowas noch einmal mit mir machst.” Ich stand ebenso auf und nickte eifrig. “Werde ich nicht!” Sie lächelte und blickte anschließend umher. Schien irgendetwas zu suchen.
“Was ist?”, fragte ich und musterte die Reste des Raumes. Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis noch mehr einstürzte. Nicht auszudenken, wenn sie ein Trümmerteil treffen würde. “Wir sollten hier verschwinden”, entschied ich und griff nach ihr, was sie jedoch abwehrte. “Ja ja, ich weiß. Wo sind meine Sachen?” Ich sah sie verwirrt an. Betrachtete ihren nackten dünnen Körper.
“Wozu brauchst du die jetzt? Du gefällst mir so und ich hab ja auch nichts an.” Sie rollte mit den Augen und verschränkte anschließend die Arme vor der Brust. “Ich will so nicht–”
“Hier!”, rief plötzlich jemand, was Johanna zusammenzucken ließ. Ich drehte herum und sah einen kurzhaarigen jungen Mann in der typischen weiß-gelben Dienstkleidung dieses Anwesens. Er stand draußen im Hof, blickte zur Seite und winkte irgendwem hektisch zu. Uns meinte er offensichtlich nicht, oder?
“Hiiieeer ist noch wer!”, rief er weiter und nun drehte sein Kopf doch zu uns. Eilig kletterte er über den Schutt in unsere Richtung. Zwei weitere bulligere Männer folgten ihm kurz darauf.
“Johanna? Was hast du?”, fragte ich besorgt und wandte mich wieder zu ihr, als mich ein unangenehmer Schauer überkam. Seltsamerweise empfing ich Angst von ihr, obwohl an dieser Situation nicht die geringste Bedrohung zu erkennen war. Die Männer kamen vermutlich, um zu helfen – suchten in der Zerstörung nach Verletzen.
“Kastan ... Malte ...”, flüsterte sie und mit einem Mal, verstand ich es. Ihre Unruhe – diese aufkommende Furcht. Ich sah es deutlich vor meinen Augen. Bilder formten sich in meinem Kopf. Wie man über sie herfiel. Verschiedene Männer mit ihr heftigen Sex hatten. Ihr Schmerzen zufügten und dabei lachten. Ich begriff, dass sich gerade zwei von diesen elenden Kreaturen ihr näherten. DAS konnte – nein, durfte ich nicht zulassen!
Schlagartig brodelte irgendetwas in mir. Unerträgliche Hitze wand sich wie ein Aal durch meinen Körper. Mein Herz raste und sämtliche Muskeln spannten sich an. Meine Sinne stumpften ab – wurden blind und taub für alles andere. Und als die Männer nur noch wenige Schritte entfernt waren, hüllte sich blaues Licht um meine Seele. Alles verschwand um mich herum. Ging unter in einer stürmischen See. In tosendem Wasser.
*
“... rian ... erian? Zerian?!” Dumpf hörte ich Johannas Stimme. “Zerian? Bitte wach auf ...” Es dauerte einen Moment, bis sich der bläuliche Nebel vor meinen Augen legte und ich sie schließlich erkannte. Mich in einem Kuss mit ihr wiederfand.
“Du bist zurück, oder?”, fragte sie verunsichert, als sich unsere Lippen trennten. “Was meinst du? Ich war doch nicht weg”, erwiderte ich wiederum verwirrt und sah mich prüfend um. Ich fühlte mich zwar komisch und meine Beine waren etwas wackelig, aber sonst? Wir standen immer noch genau an derselben Stelle. Wobei. Die Männer waren verschwunden. Hatte ich mich getäuscht? War das gar nicht echt gewesen? Nur eine alte Erinnerung?
“Deine Augen haben wieder so intensiv geleuchtet. Richtig blau.” Sie streichelte meine Wange. “Du hast mit Wasser ... die Männer im hohen Bogen hinausgeschleudert. Selbst den armen Philippe. Hoffentlich hat er das unbeschadet überstanden. Er ist ein guter Junge.” Sie ergriff meine Hand und zog mich hinter sich her. “Schnell! Wir müssen von hier fort. Ich will nicht, dass das noch einmal passiert. Du-du hast nicht mehr reagiert und mir damit eine Heidenangst gemacht.”
Ich folgte ihr und dachte über diese Worte nach – verstand es aber nicht wirklich. In meinem Kopf drehte sich alles und diese verwirrenden Gefühle waren alle so nah an der Oberfläche, dass ich keinen klaren Gedanken fassen konnte. Mein Geist war trüb, wie das Wasser eines aufgewühlten Tümpels.
“Ich wollte dich beschützen, glaube ich jedenfalls. Du hattest Angst und ... ich hab darauf reagiert. Irgendwie.” “Du warst wütend. Davor auch schon, als du mich gerettet hast.” Sie ließ meine Hand los und kletterte über ein Mauerstück, um in einen weitläufigen Flur zu gelangen, oder eben das, was davon noch übrig war.
“Wütend?” Ratlos betrachtete ich ihren nackten Hintern, wie er vor mir leicht hin und her wackelte. “Ich war noch nie wütend. Selbst nicht, als Allie mich opfern wollte. Ich glaube nicht, dass ich das kann. Ich verspüre keinen Zorn.” “Glaub mir. Du warst es.” Johanna blickte kurz zurück, bevor sie auf der anderen Seite hinuntersprang.
“Komm! Jetzt du. Wir müssen uns beeilen.” “Warum? Wo willst du überhaupt hin? Hast du nicht eben noch nach deiner Kleidung gesucht? Und wieso gehen wir tiefer in das Haus und nicht nach draußen?” Irgendwie verstand ich gerade überhaupt nichts mehr.
“Wir müssen in das Folterzimmer des Grafen. Reznick wird dort gefangen gehalten.” Ich stockte. Der eine Gesteinsbrocken, an dem ich mich festhielt, zerbröselte augenblicklich als ich die Hand zur Faust ballte. “Reznick?”, fragte ich aufgebracht, denn allein der Name reichte aus, um dieses Brodeln erneut zu entfachen. “Seinetwegen sind wir hier gelandet. Man hat dir weh getan! Warum willst du dennoch zu ihm?” Bei all meinem jahrelang gesammelten Wissen – das begriff ich einfach nicht.
“Er hat es nur getan, um uns zu beschützen ...”, murmelte sie, aber mir fehlte der Zusammenhang zwischen Schmerzen und diesem Beschützen. “Das sind zwei verschiedene Dinge.” Ich sprang mit einem großen Satz über die Mauer – stellte mich direkt vor ihr.
“Ich will ihn nicht in deiner Nähe. Ich werde ihn töten, sollte er dir noch einmal schaden!” Das zu sagen fühlte sich seltsam an. Ich hatte noch nie einen Menschen aus eigenem Antrieb heraus getötet. Diesen einen Mann, weil Johanna es sich wünschte – aber sonst? Nein. Dennoch würde ich es tun, ohne zu zögern. Solch ein Gedankengang hätte mich früher schockiert – jetzt könnte es mir unbedeutender nicht sein.
“Das wird nicht passieren ...”, sprach Johanna verunsichert und legte sachte eine Hand auf meine Brust. “Lass uns erst mit ihm reden, ja?” Ich nickte. Durch ihre Berührung verebbte sofort das Brodeln. Sie erhellte meine düsteren Gedanken und brachte mein Innerstes wieder in eine gleichmäßig fließende Strömung. Ich war ein Bachlauf, der gemächlich seinen vorbestimmten Lauf folgte. Vollkommen zufrieden. Glücklich. Als die Hand allerdings von meiner Haut verschwand, zog erneut ein Gewitter auf. Je weiter sie voran Schritt, desto schlimmer wurde es.
“Du kannst mit ihm reden und danach bring ich dich hier weg”, sagte ich entschlossen und eilte ihr hinterher. “Der Ort hier ist schlecht und ich will nicht, dass dir etwas passiert – dass du Angst fühlst.” “Und du willst mit mir ... wohin?” Ich überlegte. Das Meer würde ihr sicherlich nicht gefallen und auch sonst fielen mir nur Gegenden mit Wasser ein. Aber. Eigentlich spielte das keine Rolle.
“Weg von diesen Menschen.” Genau. So weit weg wie möglich. “Nackt im Herbst und unter freiem Himmel? Nur im Licht der Monde, ja?”, fragte sie und lachte anschließend leise, aber ich verstand nicht warum. “Ja. Mir würde das gefallen.” “Ach Zerian, wir würden erfrieren. Also ich auf jeden Fall und außerdem–” Sie bog in den nächsten Gang und stoppte abrupt. “Es ... ist ja stockfinster.” “Findest du?”, erwiderte ich und blickte in den Flur, der wie eine tiefe Höhle vor uns lag. Das Licht der aufgehenden Sonne reichte nicht mehr bis in diesen Winkel des Gebäudes. Schemenhaft ließen sich aber alle nötigen Umrisse erkennen.
“Du magst es nicht?”, fragte ich und drückte mich eng an ihren Rücken – streichelte mit den Händen über ihre Hüften bis vorne zum Bauch. “Warum?” Mein Gesicht vergrub sich in ihrem weichen Haar. In meiner kurzen Zeit als Mensch hatte ich noch nicht viele Gerüche kennengelernt, aber ihrer war mit Abstand der schönste. Als würden sanfte Sonnenstrahlen die letzten Regentropfen von einer üppigen Blumenwiese nehmen. Dieser Duft – unwiderstehlich.
“Na warum wohl? Man sieht doch kaum was”, sagte sie und blickte umher, schlüpfte aus meiner Umarmung. “Außerdem kein Gefummel! Hilf mir lieber eine der Haussteuerungen zu finden. Das sind so kleine Tafeln an den Wänden, siehst du eine? Die sind meistens etwas verborgen. Ich war in diesem Flügel nicht oft und weiß nicht, wo eine sein könnte.” “Wozu brauchst du das? Für Licht? Warum machst du nicht selbst eines?” Sie fuhrt herum und sah mich fragend an.
“Wie machen? Hilf mir lieber, anstatt so komisch daherzureden.” “Ich weiß jetzt zweifellos, dass du Feuer bist. Du bist das Licht. Du kannst jederzeit alles erhellen.” Sie hob eine Augenbraue – ein Blick voller Zweifel. “Du bist wie ich. Ich bin Wasser und du Feuer”, sagte ich, um es ihr noch einmal zu verdeutlichen. Dezeria hatte das mit dem Eis ja auch erst nach mehrmaligem Wiederholen verstanden.
“Sei nicht albern. Als wäre ich wie du. Das glaubst du doch nicht ernsthaft.” “Warum nicht?” Sie seufzte. “Als würde eine Flamme auf meiner Hand erscheinen, nur weil ich es will.” Sie hob demonstrativ einen Arm vor mein Gesicht und drehte die Handfläche nach oben. Sofort schoss eine kleine Flamme empor und flackerte in einem angenehmen weiß-rot direkt vor meiner Nase.
“Ja. Natürlich. Du bist meine Sonne”, sagte ich und lächelte ihr liebevoll zu. Sie wiederum schien nicht so erfreut darüber. Mit offen stehendem Mund starrte sie auf ihre Hand – zeigte keinerlei Reaktion.
“Johanna? Was hast du?”, fragte ich verwirrt und berührte sie behutsam an der Schulter. Nichts. Sie schien mich weder zu hören, noch zu spüren. Auch meine Wahrnehmung über ihre Gefühle stumpften ab, als hätte sie die Verbindung zwischen uns getrennt. Aber. Warum?