Okay, jetzt zählt es! Jetzt brauche ich eine plausible und vor allem überzeugende Antwort! Aber. Mein Kopf ist leer. Nein. Eigentlich ist er über und über mit Dezeria gefüllt. Scheiße! Was soll ich denn sagen? Warum bin ich gleich noch mal hier? Was wollte ich ihm vorhin noch für eine Geschichte auftischen? Ich – weiß es nicht mehr. Aber schweigen ist auch keine wirkliche Option. O ich bin sowas von am Arsch.
Verunsichert ging mein Blick auf Dezeria, die ich noch immer halb umarmte. Deutlich fühlte ich ihren rasenden Herzschlag unter meinen Händen und wie sie sämtliche Muskeln anspannte. Sie spähte angestrengt aus ihrer Position heraus nach meinem Vater. Ich spürte – Angst? Ihre Angst. Verrückt. Aber ja, ich fühlte es ganz eindeutig. Sie fürchtete sich vor ihm und wollte weg. Es stachelte die Unruhe in mir weiter an – versetzte mich in allerhöchste Alarmbereitschaft.
“Hendrickson? Hat es dir die Sprache verschlagen?” Meine Augen ruckten zu ihm. Der alleinigen Gefahr hier – hö? Warte. Was denke ich denn da?
“N-nein, Vater. Entschuldige”, antwortete ich mit bemüht fester Stimme und stellte mich gerade hin – nahm sofort etwas Abstand zu Dezeria ein. Aber. Der Drang, sie zu schützen wallte unerträglich in mir. Ich konnte mich nicht weiter entfernen als dieser eine Schritt und schlimmer noch, ich wollte ihn vertreiben. Wollte meinen Vater so weit wie möglich entfernt von ihr wissen. O Bitte, das soll endlich aufhören! Schmerzhaft biss ich die Zähne zusammen und ballte die Fäuste. Diesen Irrsinn konnte ich jetzt nicht gebrauchen! Ich muss nur die Ruhe bewahren. Ich bin doch schließlich sein perfekter Sohn. Immer.
“Ich warte”, sprach er und verschränkte die Arme vor der Brust. Seine strengen Augen ruhten unablässig auf mir. “Verzeih. Das sollst du natürlich nicht. Ich habe sie für dich vorbereiten wollen”, antwortete ich zügig, als es meinem nutzlosen Kopf dann doch wieder einfiel. Dieser innerliche Zwiespalt machte es mir wirklich nicht leicht.
“Ist das so?”, hakte er nach und schritt langsam näher. Seine Augen dabei fest auf mich gerichtet. “Natürlich, Vater. Ich, nun ... also ich habe ihre Haut laysiert. So wie du es wolltest.” “Es wäre mir neu, dass ich dich mit dieser Aufgabe betraut hätte.” Ich schluckte schwer. “Nein, das nicht. Aber ich wollte, dass alles zu deiner vollsten Zufriedenheit ist. Ich weiß, dass sie für dich sehr wichtig ist.” “Wichtig, in der Tat ...”, raunte er, während ihn sein Weg dicht an Dezeria vorbei führte. Tyschka entfernte sofort das von mir zuvor gerufene Waschbecken, den Medizinschrank sowie die übriggebliebenen Eisreste vom Boden. Nichts sollte auch nur ansatzweise seine Richtung kreuzen.
“Du weißt um ihre Bedeutsamkeit und doch ...”, begann er leise, als seine Schritte vor mir endeten. In einer fließenden Bewegung griff er nach meinem Kinn und zog es ein Stück weit zu sich. “Du hast dich nicht an meine Vorgaben gehalten”, sprach er mit einem enttäuschten Gesichtsausdruck und ließ mich los, wechselte den Blick auf Dezeria. Ein unangenehmer Schauer glitt durch mich hindurch und gleich noch ein viel stärkerer, als er sich dicht neben ihren Kopf stellte.
“Du solltest nur mit mir zusammen in ihre Nähe”, sprach er kühl und strich dennoch zärtlich über ihren Haaransatz. Wie besessen starrte ich auf seine Hand. Es machte mich nervös, dass er sie berührte. Jede Faser meines Körpers spannte sich bis zum Zerreißen an. Bereit um – ja, um was eigentlich? Ihn von ihr zu stoßen? Sie zu schnappen und weglaufen? Das ist doch albern.
“Du hattest nur eine Aufgabe, Hendrickson, und hast mich enttäuscht.” Ich blickte entsetzt auf. “Das lag nicht in meiner Absicht! Ich wollte ja gehorchen, aber in ihrer Nähe ist das irgendwie nicht möglich. Sie hat mich verhext! Mein Verstand spielt vollkommen verrückt!”, platzte es aufgebracht aus mir heraus, ehe ich den Inhalt meiner Worte begriff. Verwirrt sah ich ihn an. Was habe ich da gerade gesagt? Scheiße! Das wollte ich nicht!
Er nahm prompt die Hand von Dezeria und kam zu mir. “Es ... tut mir aufrichtig leid, Vater. Ich ... ich ...”, stammelte ich unsicher, während sein besorgter Blick auf mir ruhte. Dass er nichts dazu sagte, machte mich fertig. Ich mein, er wusste es bestimmt. Er hatte die Aufnahmen von Tyschka sicherlich sofort nach seinem Erwachen bekommen. Hatte gehört und gesehen, was hier drinnen vor sich ging. Wie ich mich verhalten hatte. Alles! O Mann, warum habe ich noch gleich versucht, ihn zu belügen? Das war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Ich bin wahrlich dumm.
“Ich ... fühle mich zu ihr hingezogen ...”, sagte ich leise, auch wenn sich alles in mir sträubte. Plötzlich schnellte seine Hand vor und – streichelte mich liebevoll an der Wange. “Ich hatte dich gewarnt. Du trägst mehr vom Wind in dir, als dein Bruder.” “Ich weiß, aber ... ich wollte nicht hören.” Selbst jetzt verstand ich es ja immer noch nicht so ganz. Warum sollten sich Elementarwesen untereinander anziehen? Und dann gleich derart besessen? Egal, ob man das wollte oder nicht. Wieso gab es diese Flüche überhaupt? Wie viele existierten und wer hatte alles eins? Oder, welche Kriterien waren dafür ausschlaggebend, eins zu werden?
Vaters Forschungen hatte diesbezüglich nie wirklich etwas zu Tage gefördert. Er trug definitiv keines in sich und die Version meiner Mutter, die ganz Wind war, verstarb lange vor meiner Zeit. Es gab also mehr Fragen als tatsächliche Antworten. Dezeria selbst besaß zwar mehr Macht als ich, hatte aber keine Ahnung von dem Ganzen hier, oder? Was sagte sie noch – sie wollte kein Eis sein. Ob ihr Körper sich deswegen auch zersetzte? Sie sich genauso quälte, wie ich? Nicht leben wol–
“Du siehst erschöpft aus, mein Junge”, unterbrach Vater meine trübsinnigen Gedanken und nahm anschließend die Hand von meinem Gesicht. “Hast du überhaupt geruht? Du weißt, wie wichtig das für deinen Körper ist. Komm, geh auf dein Zimmer und begib dich in Stase.” Ohne meine Antwort abzuwarten, drehte er herum und widmete sich wieder Dezeria. Ich atmete schwer, als seine Fingerspitzen ihren Bauch berührten. Es lähmte mich regelrecht, dies mit anzusehen. Aber. Warum? Es ist harmlos und außerdem weiß ich doch, dass sie bereits als Franükade in der Datenbank steht – was sie zukünftig hier erwartete. Vorher hatte mich das auch alles nicht im Geringsten gestört. Dennoch.
“Bitte ... lass mich bleiben”, sagte ich brüchig und senkte schnell meinen Blick. Ich konnte jetzt nicht in seine Augen sehen. Nein. Dafür bereitete mir das Widersprechen ein viel zu großes Unwohlsein. “Bleiben?”, echote er dann auch schon erzürnt, gefolgt von Stille. Minutenlang sagte keiner von uns beiden ein Wort. Ich wagte es schlicht nicht und er – nun, er wartete wohl, dass ich gehorche. Aber. Auch das ließ sich nicht mit meinem Körper vereinbaren. Mein Verstand tobte, mein Herz raste und kein einziger Muskel wollte sich rühren. Scheiße! Was soll ich jetzt machen?
“Nun gut. Du darfst bleiben. Vorerst”, sprach Vater plötzlich, was mich ruckartig von meinen Schuhspitzen aufblicken ließ. Erleichterung wallte durch meinen Leib – verebbte aber genauso schnell wieder, als ich sah, mit was er sich beschäftigte. Dicht vor ihm schwebte eine virtuelle Bedienoberfläche, worin er mit den Zeigefingern auf und ab scrollte. Tabellen und Zahlen aus rotem Licht listeten bis ins kleinste Detail Dezerias Gesundheitszustand auf. Ich schluckte.
“Wonach suchst du?”, fragte ich besorgt, denn er konnte darin so viel Unheil anrichten. Ihr unvorstellbare Schmerzen bereiten oder gar töten, wenn in bestimmten Bereichen auch nur eine winzige Ziffer verändert wurde.
“Dein Hiersein werde ich nur solange gestatten, wie es mir nutzt. Also, sei nützlich. Henriette ist noch nicht vollständig gereinigt.” Ich runzelte verwirrt die Stirn. “Henriette?” Er stoppte mitten in der Bewegung. “Willst du mich heute wirklich noch erzürnen, so wie dein unkontrollierbarer Bruder?”, fragte er bedrohlich, bevor er weiter die Zahlen durchging. “N-nein, Vater”, erwiderte ich schnell und verneigte mich. Wie konnte ich bloß Dezerias neuen Namen vergessen? Kann ich denn heute gar nichts richtig machen?
Bemüht geräuschlos atmete ich tief durch. Einmal. Zweimal. Hob schließlich den Laysierer vom Fußboden und stellte mich dicht neben Dezeria. Krampfhaft vermied ich, ihr ins Gesicht zu sehen. Ich wollte Vater nicht erneut verärgern und ihre wunderschönen weißen Augen würden mich sicherlich dazu verleiten, etwas Dummes zu tun. Ja. Da bin ich mir absolut sicher.
“Warte kurz”, sprach Vater, als ich die gelb-orange Klinge an ihrer Haut ansetzte. Bewegung kam augenblicklich in Dezerias Körper, wodurch ich einen Schritt zurückmachen musste. Ihre Arme und Beine spreizten sich und formten ein X nach. “Jetzt kannst du”, sagte er kurz darauf, doch ich war wie gelähmt von diesem Anblick. Ihre Muskeln zitterten, ein deutliches Zeichen, dass sie sich wehrte. Unwillentlich suchte ich den Augenkontakt und gefror innerlich. Ein Schneesturm tobte in ihren Pupillen, welcher perfekt mit meiner Unruhe harmonierte. Ich spürte Vollkommenheit. Fühlte ihre Angst, den Zorn und wie ich für sie Kämpfen wollte. Und dann – war alles mit einem Schlag weg. Mein Herz angenehm ruhig. Vom einstigen Orkan in mir blieb nicht mal ein laues Lüftchen. Ich fühlte – gar nichts. Mein Kopf – leer. So vollkommen leer. Wie immer eigentlich. Aber. Warum?
Ich realisierte, dass ihre Augen zwar noch offen standen, sich dahinter aber kein wacher Geist mehr befand. Verwundert drehte ich den Kopf und sah zu meinem Vater. “Du hast sie betäubt?”, fragte ich, jedoch ohne einen Hauch von Anschuldigung. Er musterte mich überrascht. “Es ist dir aber schnell aufgefallen. Hast du es gesehen oder gespürt?” “Gespürt”, sagte ich wahrheitsgemäß und wandte mich wieder Dezeria zu. In der Tabelle, die Vater gerade bearbeitete, fand ich bereits die Antwort auf meine Frage. Ja. Er hatte sie tatsächlich betäubt. Gut. Es kümmerte mich ja sowieso nicht. Warum ich danach aber meine Hand behutsam über ihre Augen strich, um die Lider zu schließen, war mir selbst schleierhaft.
“Wie fühlst du dich?”, hörte ich ihn neugierig hinter mir, woraufhin ich lediglich mit den Schultern zuckte. “Beschreib es mir”, sprach er fordernd, während ich konzentriert den Laysierer über Dezerias Haut zog. “Wie immer, Vater. Ich fühle nichts.” “Interessant.” “Findest du?”, fragte ich gleichgültig und entfernte die feinen weißen Härchen an ihrem linken Arm sowie die im Bereich der Achselhöhle. Anschließen schritt ich um sie herum, damit ich dasselbe auf der anderen Seite wiederholen konnte.
Eine Weile arbeitete ich so still und stumm vor mich hin. Entfernte den Flaum von ihren Brüsten und dem Bauch. “Verspürst du Lust?”, fragte Vater schließlich, als ich mich zwischen ihre Beine stellte. “Nein, warum auch?” Ich hatte immerhin noch nie Derartiges gespürt. Auch jetzt war der Anblick ihrer Scham für mich nichts Sexuelles. Ein Bild fern jeder Erotik.
Gelangweilt setzte ich das stumpfe Messer an ihrem Venushügel und – erlitt einen Schock. Mein Körper stand plötzlich unter Strom und rührte sich nicht. Mein Herz spielte verrückt. Eiskalte Schauer jagten durch mein Innerstes und rissen derart brutal an meinem Verstand, dass ich vollkommen überfordert nach vorne wankte. Keuchend stützte ich mich auf ihrem Bauch ab.
“Und, wie sieht’s jetzt aus?”, hörte ich Vaters belustigte Stimme, jedoch hatten diese Worte keinerlei Bedeutung für mich. Nichts schien mehr von Belang, als ich Dezerias offene Augen sah. “Du ... bist wach”, stellte ich überrascht fest und fühlte gleichzeitig fürchterliche Panik. Ihre Panik vor mir!
“Nein, nicht! Es ist nicht so, wie du denkst!”, sprach ich verzweifelt, als ich nur ein Wort in ihrem Gesicht las: Vergewaltigung. Schnell nahm ich die Hände von ihr und entfernte mich ebenso hastig von ihrem Geschlecht. Vater lachte. “Was ist daran so lustig?”, knurrte ich gereizt, denn ihre Angst vor mir schmerzte, als würden endlose Dolchstöße in meiner Brust niedergehen. “Hm, kein Verlangen, wie? Dafür Zorn, richtig? Warum?” Neugierig musterte er mich.
Ich ballte die Fäuste. “LASS SIE FREI! ODER ICH BRING DICH UM!”, schrie ich und trat wutentbrannt auf ihn zu. Der Sturm raste brachial durch meine Adern. Blitze spannten jeden einzelnen Muskel. Ich wollte sie beschützen – musste sie vor IHM beschützen. Dann wurde mir mit einem Mal schwarz vor Augen.
*
Mein Verstand erwachte langsam. Träge öffnete ich die Lider. Ein fürchterlicher Schwindel kämpfte in mir. “Was ist passiert?”, fragte ich verwirrt, als ich die Umrisse meines Vaters erkannte. Er stand mit dem Rücken zu mir und studierte offensichtlich zwei virtuellen Tabellen. Eine davon trug meinen Namen und bei der anderen stand Henriette in der Kopfzeile.
Es dauerte einen Moment, bevor ich kapierte, dass ich mich noch in dem Plexwürfel befand. Schwebend. Aufrecht in der Luft fixiert. Ich runzelte die Stirn. “Vater?” Keine Antwort. Gut. Auch in Ordnung. Untersuchungen kannte ich schließlich zur Genüge. Gelangweilt sah ich mich um – erspähte Dezeria im Augenwinkel hinter mir. Sie schien betäubt? Kurz darauf sog ich scharf die Luft ein – erinnerte mich an meinen Wutausbruch. O Scheiße!
“E-es tut mir leid, Vater! Ich ... ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Ich wollte nicht meine Stimme gegen dich erheben. Dir ... nicht drohen. Wirklich nicht! Bitte verzeih mir!” Er reagierte nicht. Panik wallte in mir auf. Was, wenn er mich jetzt deswegen verstieß? Immerhin ist ja noch mein Bruder übrig. O nein!
“Bitte! Sortier mich nicht aus!”, flehte ich und konnte an nichts anderes mehr denken, als an die Zerlegung der anderen Klone. Ich wollte keineswegs so enden. Ich bin nicht defekt. Bin nicht unbrauchbar!
“BITTEEE! ICH TU ALLES WAS DU WILLST!” “Dann halt den Mund und sieh hin.” Hektisch ging mein Atem. Verstört starrte ich auf seinen Hinterkopf. Was soll ich denn sehen? Was wollte er von mir? Krampfhaft beruhigte ich mein Herz. Verdammt! Ich brauchte Klarheit. Will ihn nicht enttäuschen. Nicht noch einmal!
Meine Augen verfolgten, wie er in den Daten von Dezeria Einträge tätigte. Etwas umschrieb. Kurz blickte er zu mir. Prüfte, ob ich auch tatsächlich hinsah. Okay. Er wollte also, dass ich darauf achtete, was genau er machte.
Hm. Er ließ von Tyschka das übrige Sistek aus ihren Zellen entfernen. Soll ich mich vielleicht dazu äußern? Oder will er meine Einstellung im Allgemeinen dazu wissen? Mir ist es egal. Ich weiß, dass dieses Mittel in allen Parzellen angewendet wird. Immer schon. Über Speisen und Getränke werden die Menschen damit infiziert. Es verhindert gezielt Schwangerschaften. Macht ja auch Sinn. Niemand will eine unkontrollierbare Vermehrung von Sklaven. Außerdem reduziert es gleichzeitig die Lebensspanne um mehr als die Hälfte. Beschleunigt das Altern, damit man die Entwicklung seiner Spielfiguren schneller beobachten kann. Wer will schon 200 Jahre warten, um einen ganzen Lebensabschnitt zu sehen? Gut, der Adel wird im Schnitt 1000 Jahre alt, dennoch bringt keiner von Ihnen diese Geduld auf. Auch das ist für mich vollkommen verständlich. Wer wartet schon gerne länger als nötig?
Hm. Nun befasste Vater sich mit einer neuen Spalte der Tabelle. Ich stutzte. “Sie trägt das Kind noch immer in sich?” Das sollte eigentlich nicht möglich sein. Lag es vielleicht an ihrem Element? Hob das Eis die Wirkung des Sisteks auf? Nein. Doch nicht. Den Statusbericht, welchen Vater sich nun genauer anschaute, offenbarte kein Lebenszeichen des Embryos. Kurz darauf hörte ich elektronisches Surren neben mir. Angestrengt versuchte ich, mehr zu sehen. Grob erkannte ich, dass ein mechanisches Konstrukt aus der Decke fuhr und sich auf Dezerias Bauch legte.
“Du entfernst es ... zum Klonen, oder?” “Ja”, erwiderte er kühl und drehte sich herum. “Willst du was dazu sagen? Mir erneut drohen?” Ich grübelte. Warum sollte ich? Mit dem Klonen an sich hatte ich nie ein Problem. Mir behagte es zwar nicht, aber was spielte das für eine Rolle? Ob nun eine direkte Kopie von mir oder ein weiteres Geschwisterchen. Die, die unbrauchbar waren, starben letztlich. Unabhängig, was ich dazu sagen würde.
Mein Schweigen schien ihm zu reichen, jedenfalls befreite er mich mit einem Wink aus der Levitation. Ich stürzte auf die Knie. Brauchte einen Moment, bevor ich wieder stehen konnte.
“Deine Aufgabe ist noch nicht fertig”, sprach er emotionslos und reichte mir den Laysierer. Ich nickte. Schritt zu Dezeria. Ohne großartig zu zögern, positionierte ich mich erneut zwischen ihre Beine. Unbehagen flammte dennoch auf, als ich auf das kleine weiße Paradies schaute. “Wirst du sie wieder wecken?”, fragte ich, denn das würde ich sicherlich nicht noch einmal ertragen. Wie sie mich angesehen hatte – was ich dabei fühlte. Schrecklich. Durch und durch.
“Nein. Aber ich will wissen, ob sie dich erregt.” Erleichtert setzte ich die Klinge an ihren Venushügel und begann mit meiner Arbeit. Dicht über der Haut ließ ich das stumpfe Metall tanzen. Verdampfte die ersten Haare.
“Nein ...” Keine Erregung zu verspüren war für mich nichts Neues. Selbst unter Drogeneinfluss bekam ich selten einen hoch. Von meiner Unfruchtbarkeit ganz zu schweigen. Aber. “Wenn sie mich wollen würde”, sprach ich leise, denn das konnte ich mir durchaus vorstellen. “Ich habe große Abneigung von ihr gespürt. Angst. Wenn sie mich gewollt hätte, ich ... weiß nicht. Möglich.” Ich zuckte mit den Schultern. Strich anschließend mit der freien Hand flüchtig über die Innenseite ihres Oberschenkels. So weich und weiß, wie frischer Schnee. Ich fühlte mich definitiv zu ihr hingezogen. Schnell schüttelte ich den Kopf. Ich muss das hier schleunigst zu Ende bringen, bevor Vater noch was testen will.
“Warum hast du sie eigentlich verstummt?” “Weil ich ihre Stimme nicht ertrage.” “Wut?”, hakte er genauer nach. “Sturm”, erwiderte ich trocken. “Wenn sie wach ist, tobt er in mir.” Das sollte ihm eine Warnung sein. Ich trug zwar nicht vollkommen ein Windelement in mir, aber ich hatte schon einmal Teile des Schiffes zerlegt und mich dadurch fast umgebracht. Das wollte ich nicht erneut erleben. Und mit Dezeria – ich weiß nicht. “Sie manipuliert dich”, sprach Vater streng und ich nickte. “Sie ist mein Fluch ...” Einem, den ich nicht widerstehen konnte. Jedenfalls nicht, wenn sie wach war. “Mich kotzt das an”, murrte ich und beendete nebenbei meine Arbeit. Am liebsten hätte ich sie nun in meine Arme genommen – in Sicherheit gebracht. Aber. Das zu wollen ist lächerlich. Nicht echt!
“Lass uns mal sehen, wie stark dein Zwang ist.” “Hm?” Verwirrt drehte ich den Kopf. Vater tippte eifrig etwas in das Bedienfeld zu seiner Rechten. Keine Sekunde später fuhren neben mir rechteckige Plattformen aus dem Boden. Darauf lagen unterschiedlich große und kleine schwarze Kreise. Ich schluckte. Zihok-Ringe!
“Befestige jeweils vier an den Armen und fünf an den Beinen.” Ich versteifte. Das – kann er nicht von mir verlangen. Nein! Mit diesen Dingern schwebte sie überall in Gefahr und nicht nur hier in dem Plexwürfel. Außerdem war es pure Folter für die Seele, jeden Moment befürchten zu müssen, dass ein feiner Laserstrahl etwas von einem abtrennte.
“Hier.” Er reichte mir den ersten Zihok-Ring für ihre Füße. Zitternd nahm ich diesen entgegen. Starrte ins Leere. Tränen hingen in meinen Augen. Wenn das erstmal an ihrem Körper klebte, wird er es auch benutzen. Ganz sicher!
“Ich ... ich kann nicht! Bitte, Vater, ich flehe dich an!”, platzte es verzweifelt aus mir heraus. Selbst wenn es schnell ging – verstümmelt wäre sie auf ewig. Das konnte ich ihr einfach nicht antun.
“In Ordnung. Lass es.” Ein Stein fiel mir vom Herzen. “Ich habe ohnehin schon etwas anderes mit ihr vor.” Und schon war da wieder unendliche Sorge. “Was willst du machen?”, fragte ich nervös, auch wenn ich es eigentlich nicht wissen wollte. Es gab so vieles, was er ihr antun konnte. Sein Lächeln bestätigte mir, dass es definitiv nichts Gutes werden würde.
“Ihre Erinnerungen durchgehen.” Meine Augen wurden groß. “Sie ist nur ein einfacher Mensch ohne Driv-Cor-Implantat! Ihr Verstand wird dabei hundertprozentig Schaden nehmen ...”, sagte ich bestürzt, woraufhin Vater grob mein Kinn umfasste. “Es ist auch nicht wichtig, dass sie denkt. Nur. Das sie gehorcht. Wie du.” Liebevoll streichelte er danach meine Wange. Sein Lächeln bereitete mir einen unangenehmen Schauer.
“Geh jetzt auf dein Zimmer. Du wirst dich in Stase begeben und ausreichend regenerieren. Das ist ein Befehl.” Er ließ mich los und egal, was mir zuvor noch auf der Zunge lag, ich konnte nicht mehr sprechen. Kein Wort schaffte es über meine Lippen. Sein Befehl war so tief in mir verankert, dass ich dagegen nicht bestehen konnte.
Ich nickte lediglich und ging, wie von ihm angeordnet. Musste gehorchen. Wollte gehorchen. Aber heute bereute ich es von ganzem Herzen. Ich weiß, dass er ihr etwas antun wird, und bin doch machtlos dagegen. Im selben Zuge keimte Hass in mir, da ich nicht derart stark für sie empfinden wollte. Eigentlich soll ich gar nichts fühlen. Sie hat mich gegen meinen willen verhext! Manipuliert! Und doch. Ich – bin mit all dem überfordert. Mein Kopf ist ein einziges Chaos. Ich hatte mein Leben schon vorher als ein Fluch angesehen – doch jetzt?