╬Reznicks Sicht╬
Sie hatte genickt. Sie hatte stumm zugestimmt, mir zu gehorchen, um im Gegenzug zu erfahren, wie dieses Spiel endete. Aber ... das war dumm. Sehr dumm sogar, Dezeria. Wir waren hier unter uns. Ich könnte dich also auch belügen oder etwas so Abstruses von dir verlangen, dass du aufgeben musstest. Du konntest also nicht gewinnen. War dir das nicht bewusst? Ich seufzte innerlich. Deine Augen sahen mich an ... Ja, du sahst in dieser Dunkelheit vermutlich nicht einmal mein Gesicht, aber dennoch lag dein hoffnungsvoller Blick auf mir und berührte etwas in meinem Herzen, etwas ... was definitiv nicht existieren durfte! Ich konnte dir nicht helfen und es war auch keine Lüge, dass etwas zwischen uns gefährlich war. Alles nur noch komplizierter machte und deshalb gab es da nichts! Nichts, hörst du?! Ich war nicht hier, um dir zu helfen. Ich war nur des Spiels wegen hier, damit es weiter ging – versteht sich. Nicht wegen dir ...
“Ich will von dir für die nächsten Minuten keinerlei Fragen hören, hast du verstanden?”, sprach ich schroff und räumte dir damit doch mehr Siegeschancen ein, als ich ursprünglich wollte. Warum spielte ich fair mit dir? Ich wollte dir diese zwei Wege des Spiels nicht sagen, jedenfalls jetzt noch nicht ... Warum gab ich dir also diese Chance? Diese Möglichkeit? “Ja”, antwortest du natürlich und damit stand unser Spiel. Warum tat ich mir das überhaupt an? Ich hätte dich im Wald lassen sollen ... Nicht mit dir reden sollen ...
O Mann, ich machte mir viel zu viele Gedanken! Ich atmete also einmal tief durch und rief über mein Digitalarmband die Fernsteuerung meines Gleiters auf. Sofort gingen die Scheinwerfer an und es wurde auf dieser kleinen Lichtung binnen Sekunden taghell. Dezeria erschrak und klammerte sich an mich. “Hilfe! Was ist das?”, fragtest du leichtfertig und damit war unser Spiel auch schon wieder vorbei. “War das eine Frage an mich? Ich dachte du wolltest mir gehorchen.” Warte ... was? Wieso sagte ich dies? Das Spiel war vorbei ... dennoch war da dieses Verlangen in mir, dir noch einen Versuch zu geben. Tz! Das war absurd! “Es tut mir Leid ... Ich ... Ich ...” Du drücktest dein Gesicht fester an meine Brust, wodurch deine weiteren Worte selbst für mich nicht mehr verständlich waren. Und nun? Ach ... von mir aus, dann gab ich dir eben eine zweite Chance. Was machte dies schon? Du wirst sicherlich keine Minute später wieder etwas fragen. Dies war, angesichts deines primitiven Wissensstandes, schlicht unvermeidbar ...
Ich schob dich zu meinem Schiff, welches nur wenige Zentimeter über dem Gras schwebte. Mit einem Wink meiner Hand öffnete sich automatisch die Türe an der Seite und ich führte dich ins leuchtende Innere. In einen Raum, den du so wohl noch nie gesehen hattest. Weiß und gelb war die Decke und ging am Boden in einem vielschichtigen Blauton über. Alle Bauelemente passten perfekt zusammen und wirkten so, wie aus einem Guss. Hier und da leuchteten zusätzliche Zierleisten in einem schönen Hellblau oder blassem Grün. Dies war zwar überflüssig, aber machte diese Illusion komplett. Ein Meer. Ja, alles hier erinnerte an Wasser und Wellen ... Ich hatte es einst extra so angefertigt.
“Wow!”, hörte ich es von dir in einer Tour und deine Augen schienen sich gar nicht sattsehen zu können, nachdem du dich erst einmal an das ganze Licht gewöhnt hattest. Ich schmunzelte über deine Freude für etwas, was in deinen Augen sicherlich mehr Magie oder Zauberei war als alles andere. Es gab so etwas in deinem Dorf nicht. Nicht einmal Ähnliches im Anwesen von Ludwig. “Es ist wunderschön”, sprachst du fasziniert und sahst dich weiter neugierig um. Ich weiß auch nicht, irgendwie erfreute mich dein Verhalten und dieses kindliche Staunen über meine Arbeit, auch wenn ich darauf nicht angewiesen war. Ich brauchte keine Zustimmung von dir. Von niemandem. Das hier war schlicht mein Zuhause und es gab mir Geborgenheit – Ruhe zwischen den Spielen, die ich brauchte, um nicht doch noch verrückt zu werden.
Ich führte dich noch etwas weiter hinein und platzierte deinen Hintern letztlich auf einen Glasstuhl, den du ebenso bestauntest. Hm, wenn ich so genauer darüber nachdachte, warst du tatsächlich der erste Mensch, der jemals mein Reich von innen sehen durfte. “Das hier ist mein Zuhause”, erklärte ich dir unnötigerweise, während ich dich aus dieser verdreckten Decke und deinem Umhang schälte. Du blicktest erstaunt zu mir und öffnetest deinen hübschen Mund, wohl um mich etwas zu fragen, wie? Ja, damit war definitiv dein Scheitern besiegelt, denn es lagen dir sicherlich unzählige Dinge auf der Zunge und noch einen Versuch wirst du nicht bekommen. Nein. Diesmal hattest du verloren. Es war zu leicht. Wie immer.
Hm, doch nicht? Du presstest die Lippen aufeinander und schenktest mir einen flehenden Gesichtsausdruck, der mich wohl erweichen sollte? Interessant. Ich lächelte, da mich deine Schnute wirklich amüsierte. Meine Augen blieben lange auf deinem Mund gerichtet und als mich schließlich der Gedanke, dich küssen zu wollen, zu übernehmen drohte, erwachte ich. Verflucht, Dezeria, du lenktest mich echt zu sehr ab! ... Was wollte ich gleich noch mal? Ach ja! Ich wandte mich einem in der Wand eingebauten Schrank zu und kramte aus einer Schublade ein handliches Diagnosegerät. Ich bereitete auch gleich eine Dosis Siasal vor.
“Ich werde dir jetzt gleich etwas spritzen, das mögliche Infekte oder Krankheiten in deinem Körper beseitigen wird. Du brauchst keine Angst haben, es wird auch nicht wehtun”, erklärte ich dir erneut, auch wenn mir nicht ganz klar war, warum. Waren es deine hilfesuchenden Augen? Dein liebliches Gesicht? Du nicktest zögerlich und starrtest dann doch besorgt auf die Injektionspistole. Aber ich hatte dich nicht angelogen. Den Pieks spürtest du gar nicht und warst sogar verwundert, dass es schon so schnell vorbei war. “Ich nehm dir noch etwas Blut ab, um zu sehen, ob die Menge für dich ausreichend war.” Das allerdings war eine Lüge. Ich wollte etwas anderes in deinem Blut prüfen. Der Messsensor in deinem Körper hatte mir zwar bereits einen erhöhten hCG Wert angezeigt, dies muss aber nicht immer auf eine Schwangerschaft hinweisen. Ich wollte sicher gehen und dich noch mal gezielt auf das Schwangerschaftshormon testen.
Ich tropfte deine Blutprobe in eines meiner Analysegeräte, die du fragend in Augenschein nahmst. Ja, ich hatte hier alles, was man sich nur vorstellen konnte. Ein umfangreiches Labor, eine kleine Bücherei, ein Gewächshaus, eine Werkstatt mit Waffenkammer und dann natürlich noch all die Dinge, die in einer gemütlichen Wohnung nicht fehlen durften. Kurz überlegte ich, ob ich vielleicht noch deinen Bauch scannen sollte – sollte ich? Du wurdest gerade immer nervöser und presstest sogar deine nackten Oberschenkel zusammen. Warum? Ich hatte dich längst unbekleidet gesehen und vorhin auch schon deutlich diesen weißen Slip.
“Ich ... ich muss mal raus”, sagtest du schüchtern und deine Wangen erröteten etwas. Süß. “Ich kann dich raus lassen, aber wäre dir eine richtige Toilette nicht lieber?”, fragte ich schmunzelnd und deutete weiter hinten zum Badbereich. Verunsichert ging dein Blick durch mein Schiff, also schnappte ich deinen Arm, um dich die paar Meter dorthin zu begleiten. “Wow ... meine Beine!”, sprachst du erstaunt und wipptest auf deinen Zehenspitzen prüfend vor und zurück. “Ja, das Siasal wirkt schnell. Du solltest keinerlei Erschöpfungszustände oder Schmerzen mehr haben.” Ich konnte deutlich sehen, wie du kurz in dich hineinhorchtest und mich dann liebevoll anlächeltest. “Es stimmt, jetzt wo du es sagst. Ich danke dir.” “Du solltest mir nicht danken”, mahnte ich bemüht knurrig, denn es war nicht gut, wenn wir uns weiter so zutraulich verhielten. Ich weiß, ich wollte ja eigentlich dein Vertrauen und irgendwie ... Ach ... Ich wusste auch nicht mehr genau, was ich ursprünglich wollte. Verdammt! Wieso verwirrte mich deine Nähe so?
“Da ... du kannst deine Notdurft hier verrichten”, deutete ich auf eine blanke Wand, aus der auch sofort eine Toilette formte. “Bei den Monden! Alles hier ist so unwirklich! So voller Magie.” Ich lachte und sah dabei zu, wie du die sich umformenden Wände beobachtest. Binnen Sekunden hatte sich ein richtiges Badezimmer, samt Handtüchern und einem breiten Waschbecken mit Spiegel gebildet. Mein Blick blieb dabei allein an deiner Gestalt hängen. An deinen langen Beinen, den üppigen Hüften, dem albernen Slip und an diesem abgetragenen Hemd. Ein fleckiges Männerhemd und es stand dir so überhaupt nicht. Ich konnte dadurch nicht einmal dein prächtiges Dekolleté betrachten. Erst als du ein unüberhörbares Räuspern von dir gabst, realisierte ich, dass ich dich unangebracht anstarrte, während du auf etwas zu warten schienst. Was denn? Hattest du etwas gesagt? Natürlich, dein Blick wurde zornig, weil ich nicht verschwand. Wobei eigentlich ...
“Willst du dich vielleicht danach noch waschen? Du kannst hier auch duschen – mit warmen Wasser versteht sich. Ich brauche überdies deine Kleidung, um ...” Ja, Scheiße warum? Ich wollte sie unbedingt noch einmal nackt sehen – musste es einfach. Vielleicht hörte dann diese Besessenheit zu dieser Frau auf. Ah ja, das passte gut ... “ Um eine falsche Fährte für Hellkus zu legen. Du wirst natürlich etwas anderes dann zum Anziehen von mir bekommen.” “Du bist gemein!”, knurrte Dezeria und verschränkte die Arme vor ihren großen Brüsten. “Hm?” “Du fragst und sagst etwas, worauf ich dir nicht antworten kann, ohne eine Gegenfrage zu stellen!” “Hm? Du solltest meine Aussage auch nicht mit einer Frage beantworten.” Ich seufzte und rieb mir die Stirn. Ein flüchtiger Blick auf meine Uhr machte deutlich, dass wir für sowas eigentlich keine Zeit hatten. Eigentlich sollte ich längst zurück sein. Wieso bot ich ihr überhaupt mein Badezimmer an? Verdammt noch mal! Sie sollte – nein – durfte nicht hier sein! Ich verstieß gegen sämtliche Regel des Spiels!
“Ach ... sag doch, was du willst”, sprach ich schließlich genervt und streckte dann doch energisch meine Hand vor, um zu verdeutlichen, dass ich ihre Sachen wollte. Es musste sein, Dezeria, es war wie eine Sucht. Und wenn ich schon gegen Regeln verstieß, dann wollte ich auch dafür etwas mehr von dir sehen! Los! Zeig mir deinen Körper! “Was soll das alles? Was hast du mit mir vor? Du bist vollkommen widersprüchlich. Erst willst du mir nicht zur Flucht verhelfen und jetzt doch irgendwie und dann wieder nicht? Gehört das alles zum Spiel?!” “Zieh dich aus!”, hielt ich genauso wütend dagegen, ohne auf ihre Worte einzugehen. “Nein!”, fauchte sie zurück, was mir sofort durch und durch ging. Ich könnte ihr dieses lächerliche Hemd auch einfach vom Leibe reißen und ... Fuck, was dachte ich da?
“Dann nicht”, sprach ich bemüht ruhig, nachdem ich einmal tief, tief durchgeatmet hatte. Mit einem Wink deutete ich in Richtung Schiffstüre, die sich auch sofort öffnete und den Weg in die Dunkelheit offenbarte. “Deine Entscheidung. Du kannst auch gehen. Mir egal.” Mit diesen Worten ließ ich sie stehen und holte mir etwas zu trinken. Ich nahm mir aus dem Kühlschrank eine Karaffe meines Lieblingsgetränks. Ein flüssiges Farbenspiel aus Gelb, Rot und Blau, einem Haufen Zucker sowie bestimmt tausend kryptografischen Inhaltsstoffen. Ungesund? Jap, aber das war mir schon immer egal gewesen. Ich brauchte jetzt einfach etwas, dass mir ein gutes Gefühl gab. Ich nahm einen kräftigen Schluck und haute mich anschließend erschöpft aufs Sofa – starrte an die Decke. Ein Bild von einem Himmel, ähnlich eines Sonnenuntergangs oder doch eher Aufgang? O Mann, ich fühlte mich leer – so leer wie schon lange nicht mehr.
[Yey, auch hier war Darklover🥰 mit am Werk]