Ich ging mit Johanna schnellen Schrittes zum Speisesaal. Das Frühstück wollte Ludwig heute ja unbedingt in einer großer Runde tätigen. Mann, wie mich das nervte und schlimmer noch ... ich wollte – nein – MUSSTE unbedingt zu meinem Schiff zurück. Selbst als die Blockade der Spielleitung im Zimmer wieder aufgehoben wurde, blieb Heka weiterhin still und reagierte auf keine meiner Anfragen! Ich spürte schon, wie mir der blanke Schweiß den Rücken hinunter lief und ich nur noch aus Nervosität zu bestehen schien. Scheiße! Ich machte mir Sorgen! Ich musste wissen, was los war! Jetzt! Sofort! Aber nein ... erst nach diesem dummen Essen. O Mann, wozu? Ludwig wollte sicherlich nur verkünden, dass er Vater wurde. Ich wüsste nicht, was mich weniger interessierte ... oder wütender machte!
Frustriert fuhr ich durch meine ungekämmten Haare – selbst mein Zopfgummi hatte ich, vor lauter Aufregung, vergessen. Uff, nur die Ruhe. Meine ganze Nervosität steckte nur unnötig Johanna an, die ohnehin schon stocksteif an meiner Seite ging. Sie hatte sich in meinem Arm eingehakt und ich spürte deutlich, dass sich ihre Fingernägel bei jedem Schritt tiefer in meine Haut bohrten. Ich atmete einmal gezwungen gelassen durch. Meine Nerven lagen zwar blank, aber weiter so kopflos zu agieren, könnte mir hier gleich noch das Genick brechen. Ich musste sie doch nur noch dazu bringen, ihren Status von Richard einzufordern, und danach könnte ich sofort aus diesem Spiel austreten. Direkt zu meinem Schiff – direkt zu Dezeria ... Gott, Dezeria, hoffentlich war dir nichts passiert! War es sicherlich auch nicht ... Ja, war es nicht ...
*
Nach weiteren langen Korridoren und einigen Treppen, erreichten wir schließlich die prunkvoll geschmückte Türe zum Speisesaal. Zwei Diener öffneten uns zeitgleich die goldgelben Flügeltüren und verbeugten sich, während wir eintraten. Eine aufreizend, freizügig gekleidete Sklavin empfing uns direkt dahinter mit einem eingemeißelten Lächeln. Es war unecht, dies sah ich gleich. Eigentlich war sie auch nicht mehr echt, sondern nur eine Puppe – Spielzeug, wie es bei solchen Anlässen üblich war. Ich hasste es ... Hm, andererseits. Sie trug eine weiße-gelbe brustfreie Corsage, ein dazu passendes Spitzenhöschen und feine gelb-orange verlaufende Netzstrümpfe, welche in sexy roten High Heels verschwanden. Wie Dezeria wohl darin aussehen würde?
Mist! Ich verfing mich einen Moment zu lange in diesem Gedanken ... einen Steifen konnte ich jetzt nicht gebrauchen. Schlimmer noch, ich hatte der Puppe währenddessen auf die Brüste gestarrt und nun lächelte sie auch noch nickend auf die Ausbeulung meiner Hose. Toll. Von ihr wollte ich aber definitiv nichts. Ich stand nicht auf willenloses Spielzeug.
“Sarach Reznick und Partnerin, bitte folgen sie mir”, flötete sie und wackelte mit ihrem Hintern zur feierlich dekorierten Tafel. Sie zeigte auf zwei Plätze, welche für uns bestimmt waren. “Wünscht der Herr jetzt schon ein Vorprogramm?”, fragte sie und kniete sich neben mir, als ich mich gerade hinsetzte. Johanna tat es ihr im selben Augenblick gleich, was mich frustriert schnaufen ließ, aber auch nicht wirklich verwunderte. Sie war sicherlich schon oft bei solchen Veranstaltungen gewesen und auch als Platzdame benutzt worden. Sowas war eben normal. Was mir dann aber doch gehörig gegen den Strich ging, dass sich nun beide Frauen an meiner Gürtelschnalle sowie dem Verschluss meiner Hose, zu schaffen machten.
“Johanna! Reiß dich gefälligst zusammen!”, knurrte ich wütend und packte grob jeweils eine Hand der Damen. “Ich benötige keinen Schoßhund!”, gab ich bestimmend der Puppe zu verstehen und verdrehte ihr Handgelenk, weil sie dennoch versuchte, weiter meine Hose zu öffnen. “Natürlich, mein Herr. Gebt mir aber Bescheid, wenn ich Euch zu Diensten sein kann”, sprach sie lieblich, ohne auf die Schmerzen einzugehen, welche ich ihr sicherlich gerade bereitete. Eine Puppe durch und durch. Sie stellte sich ohne ein weiteres Wort mit diesem aufgesetzten Lächeln brav neben meinem Stuhl ... Ja, solche Sklaven konnte man auch bis aufs Blut foltern, ohne das sich diese beklagen würden ...
“Und nun zu dir, Johanna. Was soll das?”, fuhr ich erzürnt herum und hielt noch immer ihre Hand bei meinem Schoß gefangen, auch, wenn sie diese nun wegzuziehen versuchte. “Wolltest du mir jetzt ernsthaft einen blasen?” “Es-es tut mir leid”, stammelte sie und stoppte dann aber ihre Gegenwehr. Sie wagte es nicht einmal, mich anzusehen ... Toll. Am liebsten hätte ich sie jetzt übers Knie gelegt – was in Anbetracht der Situation auch nicht hilfreich wäre. O Mann ...
“Verdammt Johanna! Willst du das? Willst du eine dumme Puppe sein und für immer bleiben? Schön! Dann brings auch zu Ende!”, blaffte ich sie an und zog ihre Hand zu meinem Schritt. Sie griff zögerlich nach meinem halb geöffneten Reißverschluss und ... hielt inne. Sie zitterte und schien mit sich zu ringen, das war gut. Komm schon Weib! Ich weiß, dass du noch nicht gänzlich verkümmert bist! “Sieh mich an, Johanna”, sprach ich nun deutlich sanfter. Langsam hob sie den Kopf und in ihren Augen hingen dicke Tränenschleier. “Sag mir, was du willst, Johanna.” “F-frei sein.” “Dann hör auf, neben meinem Stuhl zu knien wie ein abgerichtetes Hündchen”, sprach ich neckend und für den Bruchteil einer Sekunde konnte ich erkennen, dass sie die Nase missbilligend rümpfte. Nur kurz. Wahrscheinlich unterbewusst. Aber es war für mich unübersehbar, Johanna. Du hattest noch Widerstand in dir. Kein Zweifel.
Ich lächelte zufrieden, als sie sich endlich aufrappelte und auf den Stuhl setzte. Gut, ich richtete noch schnell meine Kleidung und sah mich erstmal um. Mein Blick schweifte über dieses riesige Bankett, aber bis auf einige weitere Platzdamen und Bedienstete war noch niemand da. Waren wir echt zu früh?
Ah, kaum gedacht wurde auch schon Hadeza Dagmara angekündigt. Sie betrat die Halle mit zwei ihrer persönlichen Sklaven und nahm mir gegenüber am Tisch platz. Ihr aufwändiges dunkelrotes Kleid bauschte sich, als sie sich setzte und ihr unfreundlicher Blick schien Johanna regelrecht zu erdolchen, ehe dieser mich genauso böswillig traf. “Dies ist ein offizieller Anlass!”, geiferte sie und ich verstand, worauf sie dezent anzuspielen versuchte. Na ja, ich hatte Johanna eine schmucklose Hose, Jacke und Hemd von mir gegeben und ich selbst sah wohl auch eher wie ein ungepflegter Lump aus im Vergleich zu ihr. Aber, na ja. “Wissen wir. Deswegen sind wir ja auch anwesend”, gab ich ihr unbekümmert zurück und widmete mich lieber Ludwig, der gerade in einem pompösen Aufzug hereinkam. Natürlich mit der CeKyde Isabell an seiner Seite, sowie auch einer Handvoll Bediensteten.
Ich beachtete ihn nicht weiter – ich hoffte nur, dass dieses ganze Theater nicht allzu lange andauern würde. Ich brauchte schließlich nur Richard ... Wo steckte der Penner überhaupt? Sah ihm gar nicht ähnlich, zuletzt zu kommen. Normalerweise musste er doch als Haus- und Hofmeister immer der Erste an solch einer Tafel sein. Wollte er mich jetzt damit noch extra auf die Palme bringen? Oder lief hier noch etwas ganz anderes? Was sagte er gleich noch ... Ich hatte ihm Geld gestohlen? Hatte das was damit zu tun? Nein. Ich hatte sämtliche meiner Wetten heute früh noch mal überprüft. Er musste sich irren. Ich hatte keinerlei Tepps mehr gesetzt ... Irgendetwas passte hier einfach nicht ins Bild. Ich wusste es! Ich spürte es! O Mann, ich bekam schon wieder Kopfschmerzen davon ...
“Der Ha-Haforan R-Richard.” Wurde er dann endlich, wenn auch etwas verunsichert von einem der Bediensteten, angekündigt. Als ich aufsah, konnte ich auch verstehen, warum die Dame so irritiert gewesen war. “Bei der Sonne, Richard! Wie siehst du denn aus?”, fragte Ludwig entsetzt, während ich nur in schallendem Gelächter ausbrach. Ha ha! Mann, das hatte ich ja ganz vergessen! Gott ... ich konnte nicht mehr! Ich schlug vor lauter Lachen auf den Tisch und hatte sogar Tränen in den Augen, das passierte mir wirklich selten. Richards Gesicht war durch die gebrochene Nase derart blau-rot-lila angeschwollen, dass man ihn nur mit sehr, sehr viel Mühe darunter erkannte. Auch seine ganzen Bemühungen, dies mit Schminke zu verdecken, hatte kein Stück geholfen.
“Warst du das?”, flüsterte Johanna schockiert zu mir, wodurch ich mich wieder so halbwegs fing. “Was hat das zu bedeuten Reznick?”, fragte auch Ludwig erzürnt. “In meinem Hause dulde ich keine Gewalt unter den Adligen!” “War keine Gewalt”, warf ich ein und zuckte gleichzeitig mit den Schultern. “Ich habe ihn lediglich in seine Schranken verwiesen.” “Was erlauben Sie sich? Ich dachte Sie sind der neutrale Schiedsrichter in diesem Oswelat? Verstößt dies nicht gegen die Regeln?”, fragte Dagmara sichtlich empört. “Tut es! Ich werde Euren Status höchst persönlich prüfen lassen! Geschätzter Wyttmann!”, knurrte Ludwig aufgebracht und richtete seinen weiß-gelben Mantel, welcher durch seine heftigen Handgesten in meine Richtung verrutscht war.
“Prüft, was Ihr prüfen wollt, Ludwig. Seid aber versichert, dass ich weit mehr über die Regeln weiß, als ihr wohl alle zusammen. Euer guter Haus- und Hofmeister war etwas anmaßend und hat dafür mit seiner hübschen Nase bezahlt.” Ich kam nicht drumherum, nach diesen Worten erneut zu lachen. “Was erlaubt Ihr Euch?!” “Ist schon gut, mein werter Graf”, erhob nun Richard das Wort, auch wenn seine Stimme durch die Verletzung hörbar in Mitleidenschaft gezogen wurde. “Es ist alles in Ordnung. Der Wyttmann hat Recht, es war ... meine Schuld.” Hm? Wirklich Richard? Heute warst du aber recht kleinlaut. Dein Gesicht tat vermutlich verdammt weh, oder? Es sah jedenfalls schwer danach aus. So fest ... hatte ich doch gar nicht zugeschlagen, oder? Na ja, was solls. Interessant war auf jeden Fall, dass du keinerlei Wundheilung angewandt hattest. Besaßt du nicht einmal ein bisschen Ceanessenz? Ah, du durftest es nicht verwenden, selbst wenn du es gehabt hättest, oder? Ja, ich war mir sicher. Du hattest von der Spielleitung diese Art der Strafe für deinen widerrechtlichen Angriff auf mich – auf einen hochrangigen Rea – bekommen. Tja, dann wird dein Gesicht wohl die nächsten Tage so bunt geschmückt bleiben. Hätte mir ja fast leidtun können ... Wobei. Nein. Als ich näher darüber nachdachte ... Dein demoliertes Gesicht spielte mir so unglaublich gut in die Karten, dass man meinen könnte, ich hätte dies geplant. Verrückt.
Ich grinste bis über beide Ohren und stand abrupt auf. “Komm Johanna, es wird Zeit”, sprach ich und zog sie von ihrem Platz. “Du wirst von diesem kümmerlichen Wicht nun deine Freiheit verlangen.” “Aber ich kann doch nicht ...”, haspelte sie und ließ sich nur mit deutlichem Widerstand hinter mir her schleifen, aber das interessierte mich nicht. Wenn sie es jetzt nicht schaffen würde, dann nie! Er sah mit dieser Verletzung selbst so verwundbar und verletzlich aus, dass sie darin kaum ihren übermächtigen Meister sehen konnte. Es war einfach perfekt! Also los Weib, jetzt oder nie! Ich hielt ihre Hand fest und schritt mit ihr um die große Tafel, direkt zu Richard. Der schien sichtlich verwirrt deswegen und wollte wohl eine Augenbraue heben ... fluchte dann aber doch nur schmerzlich auf.
“Hier, meine Partnerin will dir etwas sagen”, sagte ich und bugsierte sie vor ihm. Sie zitterte zwar am ganzen Körper, konnte ihm aber immerhin ins Gesicht sehen ... Na ja, vielleicht schockierte sie auch immer noch die gebrochene Nase, wer weiß.
“I-ich i-ich ... ich ...”, stammelte sie, was Richard sichtlich zu nerven schien. “Ich will nichts von dir hören, Sklave!”, knurrte er auch sogleich, was sie auch sofort zum Verstummen brachte. Ich stellte mich dicht neben sie und ergriff unterstützend ihre Hand. “Du schaffst das. Sieh ihn dir an, er kann dir gar nichts. Er ist unbedeutend, Johanna. Ich beschütze dich ...”, flüsterte ich ihr der Reihe nach irgendwelche Dinge ins Ohr, in der Hoffnung, dass etwas davon ihr mehr Mut geben würde.
“Der Platz als mein Schoßhund bei dieser Feier ist noch frei, Johanna. Also, hop! Beweg deinen Arsch zu meinem Stuhl!” Sie versteifte sich ... ja, jetzt würde es sich entscheiden. Konntest du diesem Befehl widerstehen? Oder würdest du gleich hier als sein Fickspielzeug am Essen teilnehmen? Entscheide dich ... Johanna. Es war allein deine Entscheidung ...
“Sagt meinen Namen”, sprach sie plötzlich leise und mehr zu sich selbst, als wirklich zu Richard. “Wie war das?”, fragte er dagegen verwirrt. “Meinen Namen.” Wiederholte sie, nun sogar etwas kräftiger. Gutes Kind, du hattest also seinen Bann gebrochen ... Na ja, etwas zumindest. Ich konnte deinen hektischen Pulsschlag sogar durch deine Hand spüren und deine Haltung war sichtlich verkrampft.
“Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Johanna! Zieh dich aus und knie dich runter wie jedes brave Spielzeug!”, schimpfte Richard sichtlich wütend, was Johanna ihrerseits sauer werden ließ. Ja, komm schon! Fahr mal deine Krallen aus! “Sag meinen richtigen Namen!”, schrie sie ihn an und bebte dabei am ganzen Körper. Ja, da war noch mehr Angst als alles andere in dir, aber für den Anfang nicht schlecht.
Richard stieß ein tiefes Knurren aus, was ihr dann doch den Wind aus den Segeln nahm, aber mehr war auch nicht nötig. “Haforan Richard, Euer ehemaliger Sklave verlangt seinen Namen. Nach den gültigen Regeln seid Ihr dazu verpflichtet, diesen nun zu nennen.” “Einen Teufel werde ich tun!”, spuckte er mir entgegen und wollte nach ihr greifen, was ich allerdings abblockte. “Johanna, Ihr dürft Euren richtigen Namen selbst nennen, dies steht Euch nun zu”, sagte ich ruhig und strich ihr einmal über die Wange, um sie aus ihrer beginnenden Schockstarre zu holen.
“Ich ... ich bin Zar’Rea Johanna Aschen-Aschengard”, sprach sie schließlich zögerlich, wodurch ich ihr freundlich zunickte. “Johanna gehört somit zu einem der Adelshäuser und ist gültiges Mitglied der Rea.” “Nur über meine Leiche!”, tobte Richard und stürmte auf sie zu. “Sie ist ein niemand! Sie is–” Mehr schaffte er nicht, da ich ihm erneut ins Gesicht schlug. “Wagt es ja nicht, Hand an meine Verlobte zu legen!”, sprach ich bemüht kühl und zog Johanna an meine Seite. “Ver-Verlobte?”, echote sie verwirrt, aber daraufhin gab ich ihr einfach einen bestimmenden Kuss. “Ja, Liebste”, sagte ich und gab ihr noch einen Kuss, diesmal fordernder. Nachdem ich von ihren Lippen abließ und ihr Gesicht nur noch Verwirrung zeigte, wandte ich mich an die übrigen Anwesenden:
“Ludwig, Ihr entschuldigt uns”, verneigte ich mich kurz, “aber, wir verlassen das Spiel mit sofortiger Wirkung. Wir haben eine Hochzeit vorzubereiten. Wir wünschen noch eine schöne Zeit und natürlich Glückwunsch zur Vaterschaft.” Dann eilte ich schnellen Schrittes aus dem Speisesaal, ungeachtet der fragenden Gesichter oder den Rufen. Johanna zog ich dabei fest am Handgelenk hinter mir her. Na ja, das mochte für sie jetzt etwas plötzlich sein, aber das war nun einmal die einfachste Möglichkeit, aus dem Spiel zu kommen, und mich zu heiraten, war jetzt doch kein schlimmer Preis dafür, oder?