【♤】Leopolds Sicht【♤】
Ich stand mit verschränkten Armen im Kontrollraum der Schiffssteuerung und starrte wütend durch das Vörl ins All hinaus. Die gewölbte Glasfront gab mir eine perfekte Sicht auf die Portschnittstelle, welche wir in diesem Moment erreichten. Ein Farbenspiel aus hauptsächlich blau, violett und weiß, tanzte vor meinen Augen. Ein schmaler gezackter Strich, der wie ein imposantes Leuchtfeuer inmitten all dem Schwarz emporragte. Seine Größe war im Vergleich zur Tyschenka winzig, aber das spielte für einen Sprung keine Rolle. Dieser Riss in der Raumzeit würde uns ohne Probleme verschlucken und an einer anderen Stelle im Universum wieder in einem Stück entlassen.
Drei. Zwei. Eins.
Das Licht erfasste uns und strich in sanften Wellen, gleich den Händen eines Liebhabers, über das Schiff. Die Passierung an sich dauerte nur einen Wimpernschlag. Es war immer wieder erstaunlich, wie auf diese Weise immense Strecken überbrückt werden konnten. Bis heute hatte niemand dieses Phänomen ergründen können und normalerweise erfreute mich dieser machtvolle Anblick, aber nicht heute.
Mein Blut kochte immer noch von dieser maßlosen Frechheit, welche sich die anderen erlaubt hatten. Wie konnten sie es wagen, ohne meine Einwilligung es auch nur in Betracht zu ziehen, sich meinem Sohn zu nähern? Es gab keine Worte dafür, wie sehr mich dieses Thema reizte. Meine Liebste hatte ihren künstlichen Körper und somit auch die von mir eingeschlossene Essenz zurück. Diese Tatsache und Alexanders unvorhersehbare Aktionen machte das Ganze zu einem explosiven Pulverfass. Nicht umsonst bedeutete diese Konstellation die Beendigung jedes laufenden Spiels.
Ich atmete einmal tief durch. Unablässig raschelten bereits kleine schwarze Schuppenplatten auf meiner Haut. Mein Körper wollte etwas töten. Etwas bestrafen. Ja. Ich war zu lange untätig gewesen und ganz gleich, was meine Liebste dazu sagte – diese Aktion würde ich nicht ungesühnt lassen. Paulus hatte recht. Wir waren bislang nicht radikal genug. Die subtile Ermordung von Hochrangigen, die uns im Weg standen, oder die kontinuierliche Aufklärung der Bevölkerung über den Tescha-Sender – es ging zu langsam. Ein zähflüssiger Plan auf Zeit, während das Orchikor über das BOLYZAG-Spielsystem seinerseits alle möglichen Leute aus dem Weg räumte. Ahnungslose Schwangere oder gleich deren ganze Familie. Nicht zuletzt über das Ranwon Kolosseum, welches einen großen Anklang unter den Reas fand. Irgendwie erbärmlich, wie dumm sie doch alle waren.
Eigentlich kümmerte mich das Volk der Rea nicht wirklich. Ich hatte noch nie eine Zugehörigkeit empfunden, auch wenn es die Welt war, in der ich lebte. Wäre es nicht so aufwendig, ich hätte sie wohl alle schon längst –
Ich stockte und stürzte keuchend auf die Knie. Irgendetwas traf plötzlich meine Sinne mit derartiger Wucht, dass mein Herz einen Moment aussetzte, bevor es wie wild zu schlagen begann. Meine Essenz spielte verrückt und überzog meinen Körper vollständig mit einer Klingenschicht, währen zusätzlich auch noch Blitze darüber huschten. Eine unerträgliche Flut aus Gefühlen entstand. Hass, Freude, Trauer, Liebe. Furcht. Es wurde zu viel. Ich konnte es nicht auseinanderhalten. Alles, was ich empfinden konnte sprudelte an die Oberfläche. Innerlich zerriss es mich und äußerlich verbrannte ich. Eine Spirale aus tausend Toden brach über mich herein.
“VERDAMMT, NEIN!” SIE war das! Ich spürte meine Liebste, aber nicht auf die gute Art und Weise. Sie verging UND das genau in diesem Augenblick! “WIE KANNST DU ES WAGEN!” Wut war nun mehr ein Wort, das nicht einmal ansatzweise den Zustand benennen konnte, in dem ich mich befand. Meine unförmigen Metallklauen bohrten sich in den Boden und nur am Rande hörte ich, wie etwas durch meine unkontrollierten Blitze beschädigt wurde. Ich biss heftig die Zähne zusammen und unterdrückte den Impuls, mich ebenfalls zu lösen. Ich schmeckte bitteres Blut und unendlicher Verrat. Wie konnte sie es wagen, mich mit in den Tod nehmen zu wollen? MICH?!
“Nein ...” So war das nicht. Ich beruhigte mich sofort, als ich dumpf ihre Gedanken empfing. Der Wunsch, etwas zu finden, trieb sie voran – voran ins Nichts. Es war also genauso, wie ich es vorausgesehen hatte. Meine Liebste machte irgendeine Dummheit, die ihr schadete und vermutlich ebenso unserem Sohn. Es stand nämlich außer Frage, dass er ihr wahnsinniges Tun ausgelöst hatte. Ihre ganze Welt drehte sich schließlich nur um ihn.
“Alles wie immer ...” Ich seufzte schwer, rappelte mich auf und schritt genau vor die Glasfront, um meine deformierten Hände auf die glatte Oberfläche zu legen. Es war an der Zeit, meine Liebste zu retten, bevor sie sich weiter ausbreitete, und hier würde es am einfachsten gehen, ohne noch mehr von meinem Schiff zu beschädigen.
Das Vörl war für meine Zwecke einfach perfekt, nicht umsonst hatte ich es in diesem Bereich großflächig verbauen lassen. Das Material erlaubte mir, gänzlich in Essenz gelöst und ohne ein riesiges Loch in die Außenhülle zu brennen, in das lebensfeindliche Sternenmeer einzutauchen.
Es kostete viel Kraft, eine Gestalt fern jeder Menschlichkeit in diesem Maße aufrechtzuhalten, aber ich hatte es nicht verlernt. Als eine Woge aus purem Licht jagte ich durch das unendliche Schwarz des Alls und zog erst einmal einen weiten Kreis um meine Liebste. Ich grenzte ihre Ausbreitung mit reiner Essenz ein und zerrte anschließend jedes Stückchen von ihr zusammen, dass ich spüren konnte. Fester. Enger. Auch wenn sie dadurch vermutlich Schmerz erfuhr, konnte ich hierbei nicht zärtlich vorgehen. Es war ein Kampf und den galt es unter allen Umständen zu gewinnen. Keine Gnade. Keine Kompromisse.
⇝Ich lasse dich nicht gehen. Niemals!⇜ Ihr Widerstand, ob nun bewusst oder unbewusst, stachelte mich unglaublich an. Der Drang, sie zu besitzen und vollkommen zu der Meinen zu machen, überrollte mich derart heftig, dass ich mehr als einmal fast die Kontrolle verlor. Das war fies. Ich wollte sie schon immer als Partnerin haben und nun quoll dieses Bedürfnis tausendfach stärker aus jedem Winkel meines Seins. Einfach unerträglich. Mein Körper wollte zurück in seine natürliche Form, um sich mit ihr zu einen, was aktuell äußerst ungünstig war. Ich konnte mich hier im Nichts unmöglich wandeln, zudem war mein Werk noch nicht vollendet. Ich musste mich regelrecht zwingen, nicht mein Ziel aus den Augen zu verlieren. Aber es war schwer. So verdammt schwer.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, meine Liebste in meinen Körper zu sperren und an einem Punkt zu festigen. Zeit, in der ich einerseits vor Lust verging und auf der anderen Seite von Sorge sowie Wut zerfressen wurde. Ich liebte sie, wollte sie und gleichzeitig verstimmte es mich gewaltig, dass sie sich hatte lösen wollen.
Als ich endlich den Anfang ihres Bruches erreichte, wurde mein Zorn zusätzlich durch den Anblick von Olivers Zeichen auf einem der beiden Schiffe befeuert. Natürlich war meine Liebste seinetwegen ausgeartet und ich musste all meine Konzentration aufbringen, um das Ding nicht gleich in seine Einzelteile zu zerlegen. Meine Blitze kratzten bereits hungrig über die Außenhülle – nagten hier und da etwas stärker am Metall. Es wäre ein Leichtes, es zu zerstören, aber nein. Der gammelige Kahn war an ein deutlich kleineres Hapanthma gekoppelt, welches zweifelsohne aus dem Oswelat stammte, und ich spürte, dass sich mein Sohn irgendwo in der Nähe dieser Verbindungsstelle aufhalten musste.
Alexander lebte zwar, aber meine Sinne erkannten, dass es ihm nicht besonders gut ging. Meine Liebste hatte ihm sicherlich einigen Schaden bei ihrer Ausbreitung zugefügt. Ihm und dem gesamten Maschinenkomplex. Ich tat also gut daran, das Ganze nicht noch zu verschlimmern.
Vorsichtig streckte ich meine Fühler tiefer ins Innere der Schiffe und suchte nach einem möglichen Einstieg. Ich fand ihn auch in einem Bereich, der normalerweise für Wartungsarbeiten genutzt wurde. Mühelos schnitt ich einen kleinen Spalt in das Metall und zwängte meine formlose Gestalt hinein. Natürlich verursachte diese Beschädigung sofort einen Druckabfall und die Luft wurde unter höllischem Lärm nach draußen gesogen. Aber nur kurz. Diese Schächte waren extra im Falle eines möglichen Hüllenbruchs alle paar Meter mit einer dicken Schutztür versehen. Diese Sicherheitsvorkehrung funktionierte auch einwandfrei, trotz des offensichtlichen Stromausfalls hier. Auf beiden Seiten knallte sogleich ein Schott zu Boden und verriegelte sich mit einem schwerfälligen Klick-Klack.
Dies passierte alles in Bruchteilen einer Sekunde und doch kam es mir wie eine Ewigkeit vor. Ich glitt ins Innere, lange bevor sich die Türen überhaupt in Bewegung gesetzt hatten. Zeit funktionierte irgendwie anders, wenn man ganz Essenz war. Momente konnten sich unendlich ziehen oder eben vergehen, bevor man sie überhaupt richtig bemerkte. Bei Gedanken und Sinneseindrücke wurde es sogar noch eine Spur merkwürdiger. Ich kam mir vor wie in einem Rausch, einem verworrenen Traum oder auf einem Weg, der nirgends und doch überall hinführte. Das Bedürfnis, mich zu lösen und endgültig zurück zum Ursprung zu kehren, lockte von allen Richtungen. Meine Konzentration hielt den Versuchungen zwar bisher stand, aber ich wollte es auch nicht auf die Spitze treiben. Ich hatte alles von meiner Liebsten in mir vereint und damit bestand kein Grund mehr, noch länger in dieser Form zu verweilen.
“Uhhh ... Ahhhrr ...” Ich stöhnte und keuchte halb erstickt. Meine sich bildenden Lungen verlangten schmerzlich nach Sauerstoff. Schlagartig wurde mir wieder bewusst, wie überaus unangenehm es war, nach solch einer Machtnutzung erneut eine menschliche Hülle anzunehmen. Blitze peitschten um mich herum und auch vereinzelte schwarz-silberne Klingen schossen aus meinem verzerrten Leib. Meine wachsende Haut brannte, als hätte mich jemand in siedendes Öl geschmissen. Kraftlos stürzte ich auf alle viere und war unfähig, mich wieder aufzurichten. Erschöpfung wallte durch meinen Körper, ebenso wie das beißende Gefühl von der einsetzenden Erneuerung und –
“Orrrrr ... Mee-ka-mahi!” Erregung. Alles andere konnte ich ertragen, aber nicht diese gigantische Lust auf meine Liebste, die mich schier um den Verstand brachte. Mein eben geformter Schwanz wurde hart und fühlte sich so an, als würde er gleich platzen wollen. DAS hielt ich keine Sekunde länger aus. SIE musste mein Innerstes verlassen! JETZT!
Gequält und unter größter Anstrengung zwang ich einen faustgroßen Bleasta aus meinem wabernden Brustkorb. Sofort erfuhr ich Erleichterung, als der weiß leuchtende Kristall klirrend zu Boden fiel. Das glühende Verlangen verschwand vollständig und auch die restlichen Schmerzen klangen nach weiteren Atemzügen spürbar ab. Es war wirklich einfacher, den gesamten Körper auf einmal wiederherstellen zu müssen, als nur ein bestimmten Bereich oder ein einzelnes Organ. Ja. Die Regeneration meines Herzens hatte mir vorhin deutlich mehr Probleme bereitet. Der blöde Muskel begann mit seiner Arbeit, sobald auch nur ein Strang wieder ganz war, was aber aufgrund der restlichen Unvollständigkeit zu neuen Wunden führte. Es dauerte eine Weile, bis dieser Kreislauf abklang und die Heilung die Zerstörung überwog.
Langsam verebbten meine Blitze sowie die unkontrollierten Ausbrüche der Klingen. Fleisch und Knochen festigten sich. Meine Essenz kam zu Ruhe und erlaubte mir, wieder Herr über meinen menschlichen Körper zu sein. Endlich konnte ich mich mit wichtigeren Dingen beschäftigen. Mein Kopf hatte nun die notwendige Kapazität, um sich genauer mit der hier geschehenen Katastrophe zu befassen.
“Tut mir Leid, Liebste ...” Ich griff nach dem Bleasta vor mir und stand auf. “Ich weiß du magst es nicht, aber du wirst einen Moment darin bleiben müssen. Es ist nur zu deinem Besten.” Mein Kristall schützte sie, wie es sonst nur eine richtige Hülle tun würde. Sie verlor weder Kraft noch den Verstand, wenn sie sich darin befand. Einzig ihr Gemüt litt darunter, aber das konnte ich nicht verhindern. Es war nicht meine Schuld, dass die Rea sie über Jahrhunderte hinweg eingesperrt hatten. Davon eine Zeitlang sogar in eben jenen Kristall, der aus meiner Fähigkeit bestand.
“Du kannst mir zürnen, so viel du willst, aber meine Liebe zu dir wird das nicht beeinflussen.” Ich lächelte leicht und bettete die Hand mit dem Bleasta an meine Brust – ganz nah an meinem Herzen. Ich spürte zwar keine direkte Ablehnung von ihr, aber ich kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie so empfand. Wäre es anders, hätte sie mir ein positives Zeichen geben können. Mein Kristall war nämlich keinesfalls derart abschirmend. Wenn sie wollen würde, könnte sie mir grobe Sinneseindrücke schicken oder sich sogar mit mir unterhalten. Nicht mit normalen Worten, aber immerhin in einer ursprünglichen Sprache, die ich extra für sie damals gelernt hatte.
“Du hast ziemlich viel zerstört.” Interessiert sah ich mich in diesem Halbdunkeln um. Olivers kleines Kriegsschiffchen war nicht mehr zu gebrauchen. Etliche Bedienfelder hatte es regelrecht aus ihrer Fassung gesprengt und überall an den Wänden zogen sich dunkle Verbrennungsspuren wie feine Adern übers Metall. “Hätte aber schlimmer sein können, nicht wahr? Eine glühende zusammengeschmolzene Masse zum Beispiel.” Das kam ebenso mit einem Lächeln, denn was auch immer ihren Bruch ausgelöst hatte, Wut war nicht der Grund gewesen. Andernfalls hätte Alexander das hier auch unmöglich überleben können.
“Dann werde ich mal unseren Sohn in Augenschein nehmen. Er hat Schmerzen, aber es dürfte nichts Ernsthaftes sein.” Ich erwartete nach wie vor keine Reaktion von ihr. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass ich dergleichen mit ihr durchmachte. Ich wollte lediglich, dass sie sich bei dem möglichen blutigen Anblick unseres Kindes nicht aufregte.
“Hmmm ... da entlang.” Ich drehte mich in die Richtung, aus der ich ihn spüren konnte, und eilte mit schnellen Schritten voran. Er würde an seinen Verletzungen nicht sterben – schon allein sein Dickschädel würde das verhindern –, aber Vorsicht war besser als Nachsicht. Zudem sollte sich meine Liebste nicht länger als nötig Sorgen um ihn machen.
Es dauerte nicht lange, bis ich auf dem Weg zur Verbindungsbrücke über die ersten leblosen Körper stolperte. Wie achtlos weggeworfene Puppen wirkten die Männer, die mit verrenkten Gliedmaßen kreuz und quer über den Boden verteilt lagen. Das diffuse gräuliche Licht der Notbeleuchtung passte gut zu diesem Bild und legte sich zusammen mit der absoluten Stille, wie ein schweres Leichentuch über diesen Ort.
“Oh ...” Neben einem Mann stoppte ich und betrachtete seinen Brustkorb genauer. Er atmete. “Wie mir scheint, konnte da jemand deinem Ausbruch trotzen.” Sofort formte ich aus meinem rechten Arm eine meterlange Klinge, durchstach mit Leichtigkeit seine Rippen und schließlich das Herz.
Umgehend vibrierte der Kristall in meiner Hand und jagte kleine Impulsschübe durch mein Innerstes. Ich erschauderte über dieses erste Zeichen meiner Liebsten und stöhnte wohlig auf. Augenblicklich wurde ich hart – schmerzhaft hart, auch wenn ihre Signale keineswegs positiver Natur waren. Ich konnte gar nicht anders. Wollte sie. Liebte sie. Selbst wenn sie nichts als Wut und Hass ausstrahlen würde, reagierte ich immer gleich.
“Ich weiß, du kannst das nicht gutheißen, aber sieh ihn dir doch an. Die angebrutzelte Uniform gehört eindeutig zu Olivers Untergebenen.” Weiterhin empfing ich nur Unbehagen, Unwohlsein und Verärgerung von ihr. Sie war nicht damit einverstanden, aber da ließ ich tatsächlich nicht mit mir verhandeln. Egal wie viel Lust durch meine Andern strömte.
“Er gehört zum Orchikor. Damit hat er sein Leben verwirkt. Auch für all die anderen hier, die noch nicht gänzlich dem Tod verfallen sind, werde ich der Richter sein.” Ohne zu zögern schritt ich zum nächstbesten, dessen schwache Präsenz ich registrierte, und gab ihm den Rest. Lautlos. Schmerzlos. Eigentlich gar nicht mein Stil, aber ich wollte die Sache nicht unnötig hinauszögern.
↝Bitte, Leopold. Es war nicht nur Reznick bei mir. Die beiden Elementare Johanna und Zerian sowie einige Sklaven aus Rotterval waren auch an Bord. Ich erinnere mich nicht mehr an alles vor meinem Kontrollverlust. Vielleicht wurden sie zwischenzeitlich dem Haus entsprechend eingekleidet.↜ Ich lächelte. Ihre Stimme in dieser alten Sprache zu hören versetzte mich an jenen Tag zurück, als wir das erste Mal miteinander gesprochen hatten. Aber gleich, wie herrlich ich mich dadurch auch fühlte, ich ließ mich nicht erweichen.
“Ich werde keinen Rea dulden. Nicht einen.” Unter gar keinen Umständen würde ich eine solche Gefahrenquelle bei Alexander lassen. Jeder aus dem Korkut könnte über das Auwolast einen von ihnen übernehmen. Ganz besonders Oliver liebte dieses ferngesteuerte Puppenspiel. Dieses Wissen sorgte auch endlich dafür, dass ich meine Erektion wieder in den Griff bekam. “Die beiden Elemente sind kein Problem und das weißt du auch. Der männliche ist zwar ursprünglich nicht geplant gewesen, aber wenn der sich bändigen lässt, darf er bleiben.” Damit war für mich auch alles gesagt und ein weiteres unbedeutendes Leben erstarb durch den Hieb meiner Klinge.
In Alexanders unmittelbarer Umgebung schienen sich besonders viele von Olivers Anhängern aufzuhalten und ich vergewisserte mich bei jedem Einzelnen, dass er auch wirklich tot war, bevor ich mich unserem Kind zuwandte. Ab diesem Zeitpunkt regte sich meine Liebste auch nicht länger über meine Taten auf. Ihre gesamte Gefühlswelt drehte sich jetzt nur noch um ihn.
“Er ist nur bewusstlos”, beruhigte ich sie und hockte mich neben unserem Sohn – musterte seinen Körper mit all meinen Sinnen. Oberflächlich erkannte ich Verletzungen durch Essenz, die aber bereits langsam heilten. Er trug kein Sklavenhalsband oder irgendwelche anderen Fesseln, die ihn dahingehend beeinträchtigten. Sein Innerstes sah dagegen schlimmer aus. Der Energiefluss war aus den Fugen geraten und erzeugte Wirbel, in denen mindestens zwei oder drei Elemente gegeneinander wüteten. Das war ein Phänomen, das ausschließlich bei gemischten Elementaren entstehen konnte, und war dementsprechend heikel, weil es dem Lösen ähnelte. Zum Glück hatte ich bei Hendrickson schon genug Erfahrungen sammeln können, was das Beheben solcher Verletzungen anging.
Ich formte die Finger der rechten Hand zu kleinen Sicheln und trieb diese in eben jene Handinnenfläche. Meine blutende Faust hielt ich dicht über sein Gesicht und ließ die schwarze Flüssigkeit durch Mund sowie Nase eindringen. Das würde ihm helfen schneller wieder ganz zu werden. Gleichzeitig erlaubte es mir, sein Erwachen exakt bestimmen zu können. Dass er zu früh munter wurde, konnte ich aktuell nicht gebrauchen. Ich benötigte dringend etwas Ruhe, um mir über das Kommende Gedanken zu machen. Es passierte gerade einfach viel zu viel. Eigentlich waren die Zusammenkünfte mit meinem Sohn immer lange im Voraus und bis ins kleinste Detail durchdacht. Aber jetzt? Ich hatte keinen Plan. Nicht mal einen Ansatz.