Ich rieb mir mehrfach die brennenden Augen. Zum Glück ließ das grelle Licht sehr schnell nach, auch wenn es mich verwirrte, woher dieses strahlende Weiß überhaupt erst gekommen war. Magie vielleicht? Es war so unglaublich viel heller als die Sonne gewesen und wir befanden uns hier immerhin unzählige Meter tief in der Erde. Vorsichtig linste ich in den Raum. Die Trommelklänge waren inzwischen verstummt. Ob wir der Grund dafür waren? Leider konnte ich kaum was erkennen. Bunte Lichtpunkte tanzten unaufhörlich vor meiner Sicht. Ich erkannte grob einen prunkvollen großen Saal, der stark an eine Kirche erinnerte – nur eben ohne die Sitzbänke darinnen. Und gerade, als der Schleier vor meinen Augen verblasste, trat Herr Sonne wieder persönlich vor mich.
“Ihr habt nun ausreichend Eure Demut demonstriert. Nun kommt, verirrte Seele. Es wird Zeit, dass Ihr an meiner Seite – an der Seite eines reinen Kindes der Sonne hinein schreitet”, sprach Lichius und streckte mir sogleich hilfsbereit eine Hand entgegen. Ich griff zögerlich danach, auch wenn ich wusste, dass dies keine gute Idee war. Immerhin bestand meine Beinmuskulatur nur noch aus einer schmerzenden Masse. Meinen Körper konnte ich unmöglich noch einmal aufraffen. Nicht mal für eine Sekunde oder für einen einzigen Schritt – ganz und gar ausgeschlossen! Es kam also, wie es kommen musste. Er zog mich mit einem kräftigen Ruck empor und ich stolper-stürzte umgehend gegen ihn ... Bei den Monden! Als ich mich reflexartig in sein kostbares Gewand verkrallte, strömte sofort dieses rote Glitzerpulver aus sämtlichen Stofföffnungen. Ich atmete es zwangsläufig ein ... Wirklich fabelhaft ...
“Ahhh! Da-das tut mir leid!”, sprach ich keuchend, nachdem ich endlich nicht mehr husten musste, und versuchte schnell, von ihm abzurücken. Ich kam aber nicht dazu. Er packte mit beiden Händen mein Gesicht und behielt mich an Ort und Stelle. “Shhh, es gibt nichts, wofür Ihr in diesem Moment um Verzeihung betteln müsstet. Ich war wohl etwas vorschnell, bitte verzeiht. Eure Beine sind sicherlich vollkommen entkräftet vom Weg der Sonnenprüfung. Durst verspürt Ihr sicherlich ebenso. Dem schaffen wir nun Abhilfe. Die Sonne ist allezeit gut und barmherzig, daher folgt nun der angenehme Teil Eurer Wiedergeburt”, sprach er butterweich und ließ anschließend meinen Kopf los. “Zum Einstieg erhaltet Ihr einen wundervollen Blick auf das, was Euch und Eurem Körper die Reinheit der Sonne einbrennen wird.” In einer fließenden Bewegung zog er nun seine Kleidung beiseite ... und ... und ... entblößte sein aufragendes riesiges Geschlecht genau vor meiner Nase! O GOTT! Schnell schlug ich die Hände vors Gesicht und betete inständig, dass er sich wieder bekleidete. O Bitte ... bitte ... bitte ...
“Süß. Schämt Ihr Euch, den erleuchteten Körper eines Sonnenkindes zu sehen?”, sprach er deutlich belustigt und schien auf eine Antwort zu warten, die ich ihm aber sicherlich nicht geben werde! Nicht, dass er sich dadurch noch in seinem unverschämten Handeln bestärkt fühlte. Magisches Pulver hin oder her! “Verstehe. Ein niedlicher Wesenszug an Euch und ich bin neugierig, ob dieser Euch erhalten bleibt. Seid versichert, dass Ihr hier im Reich der Sonne Euch für nichts schämen müsst. Wenn Ihr den Ritus der Reinheit vollführt habt, wird es keinerlei Scheu mehr vor der Sonne in Eurem Körper geben. Ihr werdet mich lieben, so wie mich alle lieben! De Asa sire meeha! Die Sonne hat gesprochen!”, verkündete er schwer von sich überzeugt, aber ... pah! Als ob ich ihn lieben könnte. Er klang ja schon genauso wie Hannes – nur eben eine Spur wahnhafter. Seine Anhänger schienen auch nur diesen einen Zweck zu haben, seinen stumpfsinnig geistlosen Satz: “Die Sonne hat gesprochen!” nachzusprechen. Ob er die auch manipuliert hatte? Sollte ich auch so werden? Was hatte er davon?
Egal wie sehr ich darüber nachdachte ... ich begriff es nicht. Weder, was er von mir wollte, noch, was das hier alles werden sollte. Ein heiliges Ritual, in welchem er letztlich mit mir schlief? Wollte er mich als Frau, so wie Ludwig? Warum? Was hatten die Männer nur davon, wenn sie mit mir Sex hatten? Ich war weiß Gott nicht die einzige Frau ... Nicht einmal besonders schön oder schlank ... Diese Emma dagegen war es und sie hatte sich ihm doch auch regelrecht an den Hals geworfen, also warum nahm er sie nicht für den Beischlaf? Das ergab doch alles gar keinen Sinn! Und schlimmer noch ... Ich spürte deutlich, wie sich mein aufbrausendes Gemüt immer mehr glättete. Dieses komische Mittel benebelte erneut meinen Verstand und verschlang jedes negative Gefühl. Ich war den Monden unendlich dankbar, dass ich nicht noch das Verlangen spürte, mich wie eine Hure an ihn zu schmiegen. Ich ... Ich musste meine Gedanken irgendwie klar halten! O Del und Cor, bitte! Ich ... ich musste mich konzentrieren! Mich mit aller Kraft daran festhalten, was jetzt wichtig war ... Ich ... ich musste Zerian befreien und dann so schnell wie möglich hier raus ... Ohhh, aber ich spürte deutlich, wie mein Herz ruhiger wurde ... Ich ... ich alles nicht mehr als beängstigend empfand. Aber. Ich wollte dennoch nicht so enden wie seine Anhänger. Nein. Ich war und bin keiner dieser willenlosen Sklaven ... Nein. Niemals.
Plötzlich ergriff Lichius meine Hände und zwang mich so, ihn wieder anzusehen. Ich war dabei unglaublich erleichtert, dass er seine Kleidung vorne wieder verschlossen hatte. “Alle lieben die Sonne und die Sonne liebt alle, die sich ihr bedingungslos hingeben. Und das werdet Ihr doch, nicht wahr?” Wenn er damit meinte, dass ich für ihn gleich die Beine breitmachen sollte, dann konnte er dies sowas von vergessen ... Dennoch nickte ich, damit er endlich zufrieden war. “Sehr schön. Ihr seid einfach wunderbar”, er ließ meine Hände los und trat einige Schritte rückwärts, “und jetzt werden meine Flammenbringer Euch zu den Tränen der Sonne bringen.” “Tränen der Sonne?”, echote ich verwirrt, wurde da aber schon von zwei Männern gepackt. Sie waren ausgesprochen vorsichtig und kein bisschen unverschämt ... auch wenn ich eigentlich so gut wie nichts am Leibe trug. Sie halfen mir stillschweigend auf eine Bahre, bestehend aus einem dunkelroten Stoff und zwei goldenen Stäben.
“Natürlich. Die Tränen der Sonne werden die Unreinheit von Euch nehmen und nichts als Zufriedenheit in Eurem Körper zurücklassen. Wenn der Ritus der Reinheit es mir nicht verbieten würde, seit gewiss, würde ich Euch selbst nun dorthin bringen. Ihr müsst wissen, dass ich Euch erst vollkommen berühren darf, wenn Euer Leib gesegnet wurde.” Oh, dies war einerseits gut zu wissen und andererseits bedeutete es auch, dass der Kerl ernsthaft vorhatte, nachher mit mir zu schlafen. Fabelhaft ... Ich hatte also eine genaue Frist, um Zerian zu finden.
“Also dann! Schreiten wir mit der Hexe des Eises in unseren heiligen Hallen voran. Ich spüre bereits das Licht in mir aufwallen – ein überaus göttliches Zeichen! Es wird ohne Zweifel eine großartige Zeremonie werden!” Ich schluckte schwer an seinen Worten und wurde sofort auf der Trage von gleich vier Männern hochgehoben. Lichius klatschte einmal in die Hände, drehte sich herum und ging summend durch den Torbogen – die Männer folgten ihm.
Ich wurde mitten durch diesen unwirklichen Ort getragen und wusste gar nicht, wohin ich zuerst schauen sollte. Das hier sollte zweifelsohne eine Kirche darstellen ... Es gab die traditionellen übergroßen Rundbogenfenster, welche aus verschiedenfarbigen Glasstückchen höchst eindrucksvoll Sonnenbilder zeigten und dem Raum dieses geheimnisvolle gedämpfte Licht schenkten. Hier und da warfen die einfallenden Sonnenstrahlen wunderschöne Farbmuster auf den Boden. Aber, wir waren doch tief in der Erde? Woher kam das ganze echt wirkende Sonnenlicht? Magie vielleicht oder doch eher Adelstechnik?
Ich sah mich weiter um und entdeckte riesige brennende Feuerschalen in den Ecken. Dies erklärte vermutlich, warum es hier so schrecklich heiß drin war. Eine sehr trockene Hitze ... Lag deswegen auch überall weißer Sand auf dem Fußboden? Oh, auf der rechten Seite, hinter einer Reihe anmutig wirkenden Steinsäulen, entdeckte ich dann die ersten Menschen – sehr leicht bekleidete Frauen. Ich ... ich konnte ihre Brüste sehen ... Gott, wie konnten die sich nur so freizügig geben und hier nur mit einem dünnen gelben Tuch um die Hüfte herumlaufen? Es schien mich jedenfalls mehr zu stören, als diesen Damen an sich. Sie trugen ganz in ihre Arbeit versunken Körbe voller roter und gelber ... hm, Blütenblätter? Und warfen diese anschließend in die lodernden Feuerschalen. Daher rührte also dieser liebliche Duft in der Halle. Etwas weiter oben auf einem der weitläufigen Rängen, erblickte ich schließlich rot, weiß und gelb verzierte Trommel. Sehr große Trommeln, wo jeweils zwei Männer hantierten ... Sie trugen auch nichts weiter, als ein windiges Tuch um die Hüften – diesmal allerdings ein rotes und schienen auch sehr tief in ihrer Arbeit versunken.
“Das Eis ist in unseren heiligen Hallen! Sehet die Hexe des Eises! Erblicket die verfluchte Frau der Kälte!”, rief Lichius auf einmal hallend, was mich erschrocken zusammenzucken ließ. Bei den Monden, was bitte sollte das denn? Plötzlich unterbrachen alle Leute ihre Tätigkeiten und starrten zu mir rüber ... Das war wirklich unbeschreiblich unangenehm. “Heißen wir sie mit unserer Liebe und dem reinen Licht der Sonne Willkommen! Meine Funken, meine Fünkchen ... lasset das Donnergrollen der Flammen erklingen! Stimmt ein in das Fest! Stimmt ein in das Lied der Sonne!” Er riss nach diesen Worten die Arme empor und klatschte zweimal lautstark in die Hände. “Allieee ... betet zur Sonne ... zum Licht der Sonne. Hinauf zum Himmel, zum heiligen Schein ... Allieee so war es immer und wird ewiglich sein”, sang er nun wiederum im starken Kontrast dazu sehr milde und sanftmütig. Ein Raunen unterschiedlicher Stimmlagen fügte sich dem hinzu, ebenso wie rhythmische weiche Trommelschläge. Eine wunderschöne Melodie entstand, die gleichsam, wie die regelmäßig dumpfen Klänge direkt in meinen Körper strömte ... Es war einfach unbeschreiblich ...
Lichius sang diese eine Strophe erneut und schritt weiter wie ein Gott durch die Halle. Er führte uns vorbei an roten und gelben Fahnen – vorbei an eine Art Altar sowie ... flüssigem Feuer? Ich runzelte die Stirn und betrachtete es genauer. Ja, oder? Ich wurde über einem Bach aus flüssigem Feuer getragen! Magie! O Gott! Unsägliche Hitze blies mir mitten ins Gesicht und umströmte gleichsam meinen Körper. Ich hatte das Gefühl, als würde ich gleich bei lebendigem Leib verbrennen. Zügig überquerten wir diese glühende Brücke, wodurch ich erleichtert aufatmete. Ich weiß nicht warum, aber kurzzeitig kam mir der Gedanke, sie würden mich da nun hinunter werfen ...
*
Wir erreichten schließlich das Ende dieser prachtvollen Sonnenhalle, welche wirklich enorme Ausmaße besaß. Platz für bestimmt hunderte von Menschen. Lichius stoppte vor dem Eingang eines schmaleren Flures und drehte sich herum – trat näher an die Bahre heran. “Ab hier muss ich Euch verlassen, Hexe des Eises.” Also so langsam konnte ich diese Bezeichnung Hexe nicht mehr hören. “Meine Funken bringen Euch zu den Flämmchen, welche die Tränen der Sonne beherbergen. Wir sehen uns dann später zum Gebet”, sprach er weiter fröhlich klingend und tätschelte mir abschließend den Kopf. “Was ist mit meinem Freund? Ich will ihn sehen”, sagte ich schnell, als er sich nun abwenden wollte. “Ihr wollt die Geißel des Wassers sehen? Nein. Ausgeschlossen. Erst beim Gebet wird dies möglich sein.” “Verstehe, habt Dank”, antwortete ich lieblich, auch wenn es mich innerlich ärgerte. Ich wollte keine Sekunde länger hierbleiben ... Das Pulver verlor wohl erneut seine Wirkung? Oder lag es mehr an den Bauchschmerzen, die sich nun wieder unangenehm meldeten?
“Auf dann, kleine verirrte Seele. Wir sehen uns, wenn Eure Vorbereitungen abgeschlossen sind und der Lichtsegen Eure Haut ziert. Ich kann es bereits jetzt kaum erwarten, Euch erneut in Augenschein zu nehmen.” Er winkte mir so seltsam lasziv zu, dass es mir einen unangenehmen Schauer bereitete, und dann trugen mich die Männer wortlos weiter. Der Flur war mit gelb-oranges, magisches Licht erleuchtet und überall sah ich kirchentypische Symbole an den Wänden gezeichnet. Zusätzlich ließen übermäßiges Gold und glitzernde Steine alles unglaublich prachtvoll wirken ... Ich hatte noch nie so viel Luxus gesehen, wie an diesem Ort. Man fühlte sich dadurch irgendwie unwürdig ... unbedeutend eben. Und, wohin brachten die mich jetzt eigentlich? Etwas sollte meine Haut schmücken? Ein neues Kleid oder was hatte er damit gemeint?
Oh, eine Tür erschien am Ende und davor standen zwei ... zwei vollkommen nackte Frauen ... na toll. Sie hatten nichts als gelbe Schriftzeichen auf ihrer Haut ... Hm, ich hatte schon eine Ahnung, was mir gleich widerfahren würde, und fand das alles andere als erfreulich. Diese nackten Damen öffneten sofort die Tür, als wir näher kamen und die Männer trugen mich sogleich in den Raum. Darinnen befanden sich zu meinem Leidwesen gleich noch mehr von der Sorte. Hilfe ... besaßen die denn hier alle überhaupt keinen Anstand?
“Ah, da bringt ihr ja endlich die Hexe des Eises. Habt Dank. Und nun hinaus mit euch!”, sprach eine Frau mit roten Schleifen in ihrem welligen langen schwarzen Haar ... Gott, ich versuchte auf nichts, als ihr Gesicht zu sehen. Am liebsten würde ich ja die Augen einfach nur zu lassen, solange ich hier drinnen war.
“Wie? Nicht mal einen Kuss für diese ehrenvolle Aufgabe?”, erwiderte einer meiner vorderen Träger, als sie mich mit der Bahre auf den Boden ablegten. “Ein Kuss?” “Nur einen Kuss?”, hörte ich einige der anderen Frauen belustigt kichern. “Ich nehme auch gern mehr”, brummte nun der Mann tief und stellte sich breitschultrig vor die mit den Schleifchen. Ich lief sicherlich knallrot an vor Scham, als ich sah, wie sie ihm dann, ohne mit der Wimper zu zucken, in den Schritt griff.