╬Reznicks Sicht╬
Die erste Bestandsaufnahme meiner Umgebung war – erschreckend gewesen. Alles lag in Trümmern. Alles. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann mein Schiff zuletzt derart beschädigt gewesen war. Oder. Jemals. Mein Zuhause – das gab es jetzt nicht mehr.
Einziger Lichtblick. Johanna lebte und ihrer freudigen Stimme nach zu urteilen, sogar relativ unverletzt. Was ich von mir nicht gerade behaupten konnte. Mein rechter Arm ließ sich nicht bewegen und die Beine fühlten sich seltsam taub an. Wie lange die Nanobots brauchten, um mich wieder vollständig zu heilen, blieb fraglich. Laufen ging vorerst kein Stück. Nur mit sehr viel Mühe war es mir überhaupt erst gelungen, meinen Oberkörper aufzurichten und gegen eine herabgestürzte Deckenplatte zu lehnen.
Und Heka? Nun. Ihre Hülle, die ich ziemlich genau durch meine Nachtsicht erkennen konnte, hatte es definitiv hinter sich. Der Ryron – ein einziger Schrotthaufen. Dennoch bemühte sie sich gerade um einen Gebietsscan. Aber. Ob uns das wirklich weiterhelfen würde – bezweifelte ich. Jeder Idiot kann eine Absturzstelle dieser Größenordnung aufspüren. Wann jemand auftauchte, war also nur eine Frage der Zeit. Und was dann? Frustriert rieb ich mir übers Gesicht. Blut, Schweiß und ein Haufen Dreck klebte auf meiner Haut. Wann verlief eigentlich das letzte Mal irgendetwas nach Plan?
Hm? Ich stutzte. Zwischen all dem säuerlichen Geruch von verschmorter Elektronik stieg mir nun auch etwas Fauliges in die Nase. Dieser ganz bestimmte Gestank konnte nur von der Leitflüssigkeit eines Energiekerns herrühren und wenn das von Heka kam, wäre es schlecht. Verdammt schlecht sogar!
“Ist dein Kern jetzt doch beschädigt?”, fragte ich skeptisch und blickte zu Heka. <Nein ... Es ist nichts.> “Ja, das klang sehr überzeugend. Und jetzt gib mir gefälligst einen vollständigen Statusbericht!” <Scan zu unserem Aufenthaltsort läuft.> Ich wartete einen Moment, aber sie schien nichts mehr sagen zu wollen. “Ja, und weiter?” <Nichts weiter.> Ich stöhnte. “Muss ich jetzt ernsthaft zu dir rüberkriechen und selbst nachschauen?” Stille. “Na vielen Dank auch.”
Genervt setzte ich mich in Bewegung. Kroch mit einem Arm über den Schutt. Das mein ganzer Körper fürchterlich schmerzte, ignorierte ich. <Nein! Was tust du denn? Du sollst dich ausruhen!> “Pff, jetzt bin ich hier wieder der Unvernünftige, ja? Wer von uns beiden rückt denn nicht mit der Sprache raus? Und mein mal nicht, dass ich den ganzen Käse von vorhin vergessen habe. Du schuldest mir noch einen Haufen Erklärungen, liebe Heka.”
<Ich tu alles nur zu deinem Besten.> Langsam überwand ich den Meter und besah mir einmal genauer ihre zermatschten Überreste. “Und was bitte ist zu meinem Besten?”, murrte ich und tastete an dem aufgerissenen Exoskelett entlang. “Die Kontrolle vom Schiff zu verlieren, sodass wir fast sterben? Wenn es nur darum geht, etwas kaputt zu machen oder mich zu verletzten ... das hätte ich auch ganz gut ohne dich hinbekommen.”
Meine Fingerspitzen berührten etwas Feuchtes. Da meine Nase im Moment wohl alles Mögliche roch, benetzte ich damit prüfend meine Zungenspitze. Es schmeckte – süßlich, bitter und zum Abgang so, dass man sich am Liebsten übergeben wollte. Jap. Eindeutig Leitflüssigkeit.
“Verdammt, Heka! Deine Energieversorgung schwächelt doch sowieso schon und wenn jetzt noch ein Leck im Herzen dazu kommt ... Ich kann das nicht reparieren!” “Was schimpfst du denn so? Was ist mit Heka?”, sprach auf einmal Johanna und stolperte mitsamt Zerian um die Ecke.
<Mir geht es gut.> “Puh! Was ein Glück”, jauchzte sie und klammerte sich glücklich an diesen Gotttypen, der mich ebenso skeptisch musterte wie ich ihn. Sein gezielter Blick – der konnte ganz bestimmt auch im Dunkel sehen. “Dann können wir ja jetzt endlich verschwinden, oder? Ich will nicht von Trümmern erschlagen werden ... oder elendig ertrinken.” “Warum solltest du ertrinken?”, fragte Zerian verwirrt und ich konnte gar nicht anders, als darüber laut loszulachen.
“Warum lachst du, Reznick? Und was soll deine Frage? Wer weiß schon, wo wir hier sind und ob starker Regen nicht vielleicht aus diesem ... Labyrinth eine Todesfalle macht.” “Aber ... ich habe doch alles Wasser in der Umgebung fortgeschickt. Dir passiert nichts. Versprochen.” “Wie, fortgeschickt? Was meinst du damit?”, fragte Johanna und versuchte wohl, mit verengten Augen bei den schlechten Lichtverhältnissen, Zerians Gesichtsausdruck zu erkennen. Dieser wiederum sah sie lediglich hilflos an – einfach zu köstlich.
“Hat dein neuer Freund dir noch gar nicht erzählt, dass er der Herr über Wasser und Eis ist? Der Mondgott höchstpersönlich, wenn du so willst”, sprach ich hörbar belustigt, aber da schüttelte sie nur den Kopf. “Hä? Lass diesen Blödsinn und komm. Ich will hier schnell raus.” “Also ...”, begann nun Zerian und drückte Johanna eng an sich, “ich weiß nicht, was genau ein Mondgott ist, aber ich bin jetzt nur noch Mensch und Wasser. Ich verspreche, dass dir nichts passieren wird. Ich beschütze dich. Bitte, hab keine Angst.” “Naww, ich muss gleich kotzen”, sagte ich und machte anschließend ein Würgegeräusch. Zerians irritierter Blick daraufhin – unbezahlbar.
“Okay? Lasst den Quatsch, und zwar alle beide! Können wir denn jetzt bitte gehen oder worauf warten wir noch? Zerian? Du kannst uns doch sicher herausführen, oder?” “Ja, geht nur. Wenn meine Beine funktionieren und ich das mit Heka geklärt habe, kommen wir nach.” “Deine Beine? Bist du etwa verletzt?”, fragte Johanna schockiert und stolperte sofort zu mir. Tastete sich vorsichtig an meinem Körper entlang. Dass ich immer noch vollkommen nackt war, schien sie kein bisschen zu stören. Mich dafür umso mehr. Ihre warmen Hände lösten bei mir eine Gänsehaut aus. Das war seltsam. Mein Körper schien sich regelrecht nach diesen zärtlichen Berührungen zu sehnen.
“Lass das! Meine Wunden heilen auch ohne, dass du mich anfassen musst”, murrte ich und versuchte, sie mit einem Arm wegzustoßen. Was mal so gar nicht funktionieren wollte. Hartnäckiges Weib! “Stell dich nicht so an. Wenn es dir soweit ja gut geht, können Zerian und ich dich doch tragen oder zumindest stützen, oder?”
<Das ist eine ausgezeichnete Idee, Johanna. Nehm ihn mit. Der Gebietsscan wurde soeben abgeschlossen und die Daten sind leider alles andere, als gut für euch. Ihr müsst sofort aufbrechen! Wir haben die Mauer der Parzelle von Rotterval durchbrochen. Befinden uns also auf dem Gebiet des dortigen Grafen Ludwig Van Rotterval. Die Zeit drängt!> Johanna versteifte augenblicklich. “W-wir ... wir sind in Rotterval?” <Ja, bitte beeilt euch!>
Ich schnaubte abfällig. “Beeilen? Ludwig hat das sicherlich schon längst mitbekommen und entsprechende bewaffnete Einheiten losgeschickt.” <Nein.> “Wie, nein? Geht das vielleicht auch etwas genauer? Du sagst, wir haben mit dem Schiff seine Mauer platt gemacht. Selbst wenn er taub wäre und den Knall davon nicht hörte, das Überwachungssystem behält die Grenzen genau im Auge und hat uns definitiv erfasst.” Mal davon abgesehen, dass bei solch schweren Zerstörung von Eigentum die Regeere in Kenntnis gesetzt wird und demzufolge auch – mein Vater.
<Nein. Ich halte aktuell eine weitreichende Illusion aufrecht, die den Kameras vortäuscht, dass alles nach wie vor intakt ist. Solange ich die Reste vom Schiff so verbergen kann, besteht für euch keine Gefahr.> Ich runzelte die Stirn. “Eine Illusion? Und du nutzt dafür ... was? Ich bin mir nämlich ziemlich sicher, dass das Schiff, schon allein wie es hier aussieht, sowas nicht mehr hinbekommt. Geht etwa dafür gerade deine ganze Energie drauf?” <Nein. Es geht mir gut.> “Erzähl mir kein Müll, Heka! Jetzt gibt mir endlich einen Bericht über den Ryron! Der hält zwar einen gewissen Grad an Zerstörung aus, aber eben auch nicht alles.” “Wovon sprichst du? Ist etwas mit ihr?”, fragte Johanna besorgt und wurde umgehend von Zerian hochgezogen. Er umarmte sie. “Ich spüre schon wieder Sorge in dir. Warum?” “Na ... wegen Heka.” Also echt, die zwei wirkten wie ein Liebespaar. Was haben die nur getrieben, während ich bewusstlos war? Ist ja nicht zum Aushalten.
<Es ist nichts. Bitte geht jetzt. Ich kann das Feld noch knapp eine Stunde aufrecht halten. Bis dahin solltet ihr in den Trümmern bergen, was möglich ist. Anziehsachen, Waffen, Proviant.> Ich rieb mir frustriert die Stirn. “Das ist doch alles andere als ein brauchbarer Plan! Mag sein, dass du die Kameras täuschst, aber der Krach und das Beben? Oder die Haussteuerung im Anwesen, welche jetzt eine Störung für diesen Bereich meldet? Und überhaupt was dann, Heka? Spazieren wir über die Wiese und verstecken uns im Wald? Also wirklich ... Das wird mir jetzt echt zu dumm mit dir. Offensichtlich funktioniert dein logisches Denken nicht mehr richtig”, sprach ich und nestelte an dem verschmorten Kabel herum, welches sich noch immer in meinem gelähmten Arm befand.
“Wieso? Das ist doch wenigstens etwas”, brachte Johanna grübelnd mit ein. “Vielleicht finden wir ja noch was Brauchbares und–” “DIR ist bewusst, dass bei einem Angriff auf Eigentum des Adels es keine Beschränkungen für das Nachverfolgen der Täter gibt? Wir haben die Kirche von diesem Freak in Mewasinas demoliert und anschließend in Rotterval den Grenzwall. Was denkst du, wird jetzt passieren?” “Nun ... also ich verm–” “Richtig. Du hast keine Ahnung! Bei der Größe unseres Vergehens, darf auch mit Schiffen nach uns gejagt werden. Ich weiß ja nicht, wie fit dein Freund im Kämpfen ist, aber sowas kann er auf Dauer nicht gewinnen. Gott hin oder her. Er mag sich ja im Wasser auflösen können oder unverwundbar sein, wir jedoch ... Nur ein Treffer von einem Bordgeschütz und wir sind hinüber”, sagte ich missmutig und trennte mühselig das Kabel an einer scharfen Schnittkante auf.
“Ich ... kann mich aber nicht mehr lösen. Ich bin doch jetzt menschlich ...”, murmelte Zerian, woraufhin ich ihm nur einen fragenden Blick zuwarf. Und dann machte es klick. “Ah, stimmt. Hättest dich ja sonst beim Altar selbst befreit, wenn es dir möglich gewesen wäre ... Gut. Dann bist du also vollkommen nutzlos?” “Hör auf, so mit ihm zu reden! Und dieses Zeug mit dem Gott, was soll das überhaupt?” Ich stöhnte. Langsam aber sicher bekam ich Kopfschmerzen davon.
“Weib. Deine neue Aufmüpfigkeit und Willensstärke in allen Ehren. ABER. Ich hab jetzt weder Zeit noch die Lust auf dieses Theater. Außerdem, hier ...”, ich tippte mit dem Kabel gegen ihr Bein, “mach dich mal nützlich. Zwirble die feinen Streben am Ende zusammen. Und du Zerian, was kannst du jetzt eigentlich wirklich, hm? Irgendwas Magisches? Dich mit den Fäusten zur Wehr setzen? Oder wenigstens Rennen?” Wenn der Kerl nicht einmal das konnte, war er nur ein lästiges Anhängsel, auf das man zusätzlich aufpassen musste. Supernervig.
“Hey!”, sprach Johanna verärgert, hockte sich hin und boxte mir anschließend gegen die Schulter. Obwohl sie keinerlei Kraft in diesen spielerischen Hieb steckte, fühlte es sich so an, als würden meine Knochen brechen. Fuck! “Hör auf, ihn zu verarschen!”, schimpfte sie und nahm mir das Kabel ab. Ich schluckte. Starke Schmerzwellen jagten durch mich hindurch. Schweiß trat mir auf die Stirn. Scheiße, wie viel habe ich beim Aufprall bitte abbekommen? Zum Glück hat sie bei diesen miesen Lichtverhältnissen nicht meinen Kopf getroffen. So fragil wie mein Körper gerade ist, hätte mir das sicherlich das Genick gebrochen. Besser also, ich halte vorerst meinen Mund.
“Ich mag dich nicht. Du bist nicht gut”, sprach Zerian und trat vor mich. Verwirrt blickte ich ihn an. Wollen die mich jetzt etwa beide gemeinsam fertig machen? “Aber ... Johanna fühlt sich in deiner Nähe wohl. Ich kann dich heilen, ist das magisch genug?” “Ähm ...” Ich grübelte. Ist es sinnvoll, sich von so einem Heilen zu lassen? Vor allem, was versteht der darunter? Nachher macht der noch mehr in mir kaputt, als ohnehin schon.
“Du ... kannst heilen mit Zauberei? Hast du das vorhin auch bei mir gemacht?”, fragte Johanna hörbar verwirrt. Er nickte daraufhin und lächelte treudoof, was sie aber bestimmt nicht sehen konnte. O Mann. Über die beiden kann man sich echt nur amüsieren.
“Könnt ihr das vielleicht später unter euch alleine klären? Johanna, ich brauch das verdammte Kabel wieder und Zerian ... dann zeig mal, was du kannst.” Ich grinste. Was ist schon das Leben ohne Risiko? Entweder bringt mich dieser Quatsch um, oder aber schneller wieder auf die Beine.
*
Okay. Zerian war echt ein erstklassiger Folterknecht. Diese Prozedur mehr als nur unangenehm. Mich erfasste ein Gefühl von flüssigen Glassplittern oder glühenden Nägeln, die durch meine Adern rasten. Er berührte mich zwar nur an den Beinen, doch diese brennende Kälte kroch schnell in jeden Winkel meines Körpers. Während ich mich krampfhaft bemühte, mir nichts anmerken zu lassen und das Zittern unterdrückte, welches mich zu übermannen drohte, starrte er mich ununterbrochen emotionslos an. Scheiße! Ob er mir absichtlich Schmerzen zufügt? Zutrauen würde ich es ihm ja.
Zischelnd zog ich die Luft ein. Ich konnte mich kaum auf meine Arbeit an Hekas Hülle konzentrieren. Dabei benötigte mein Vorhaben äußerste Präzision. So beschädigt wie ihr Kern war, könnte ich mir bei jeder falschen Verkabelung nachher das Hirn wegpusten.
“Geht’s dir noch nicht besser? Sollte diese ... Magie nicht schon wirken?”, fragte Johanna besorgt und strich mir vorsichtig tastend über die Stirn. “Dein Kopf glüht ja richtig! Du bekommst Fieber!” “Hm? Sei nicht albern, ich bekomme so’n Kleinkram nicht. Dafür habe ich schließlich Nano–” Ich stutzte. Ob Zerian meine körperlichen Modifikationen berücksichtigt hatte?
Kaum gedacht – wurde mir schlecht. Richtig, richtig kotzübel! Hölle! Gerade noch so konnte ich verhindern, dass ich mich vor allen Beteiligten übergab. Dafür machte sich der penetrante Geschmack von Blut in meinem Mund breit.
“Ver-verflucht! Nimm ... d-deine dreckigen Pfoten weg!”, hust-keuchte ich und schlug Johannas Hand fort. “Was ist denn plötzlich?”, fragte diese verwundert, aber ich ignorierte sie. Erdolche dafür Zerian mit meinem Blick. “Du machst es schlimmer! Es geht mir keinen Deut besser als vorher!” Du elender Wichser, das kriegst du auf jeden Fall zurück!
“Es liegt nicht an mir”, sprach er nachdenklich und nahm endlich seine Griffel von meiner Haut. “Mit dir stimmt etwas nicht. Es ist, als wollte dein Körper nicht leben.” “Tz, ich zeig dir gleich mal, wer hier nicht leben will!” Also echt, dieser Gottverschnitt ist zu überhaupt nichts zu gebrauchen!
<Hört auf euch zu streiten, bitte. Geht jetzt. Die Zeit drängt!> “Du hast hier nichts zu melden, Heka. Dein Plan, dass wir weglaufen und uns verstecken sollen, ist doch von vorn bis hinten zum Scheitern verurteilt!” “Und was machen wir stattdessen? Ich will nur hier raus ...”, murrte Johanna und wurde gleich darauf von Zerian wieder in die Arme genommen.
Ich stöhnte. “Ihr beide könnt gerne gehen, ihr seid mir keine wirkliche Hilfe.” <Johanna, sucht ihr doch am besten etwas zum Anziehen und Essen. Wenn Reznick eingesehen hat, dass sein Unterfangen sinnlos ist, wird er nachkommen.> “Hm? ... na schön. Zerian und ich werden uns umsehen. Wir kommen aber nachher zurück und holen euch, in Ordnung?” “Ja. Tut was ihr nicht lassen könnt”, brummte ich und überbrückte konzentriert die letzte Schnittstelle, um an das Betriebssystem des Ryrons zu kommen.
“Moment, du willst gehen?”, fragte Zerian verwirrt, als Johanna ihn in die Richtung zerrte, aus der sie gekommen waren. “Die Drohne wollte mir doch noch Antworten geben. Ich hab so viele Fragen.” Ich schnaufte und warf ihm einen abfälligen Blick zu. “Stell dich gefälligst hinten an!” Ja. Wenn hier jemand ein Anrecht auf Antworten hat, dann ja wohl ich.
Mit einem dämlichen Gesichtsausdruck öffnete er den Mund, wohl um etwas noch Dümmeres von sich zu geben, aber Johanna verhinderte dies. Zog an seinem Arm. “Komm jetzt! Wir müssen auch noch was bereden. Wir kommen ja wieder hierher.”
Er ließ sich von ihr mitschleifen und ich war ehrlich froh darüber. Was ich jetzt vorhatte, würde Johanna keineswegs verstehen und es im schlimmsten Fall, zu unterbrechen versuchen. Und außerdem. “Du wolltest, dass sie verschwinden. Warum?”, fragte ich leise, als ich sicher war, dass die beiden einen ausreichenden Abstand zu uns hatten.
<Gibt keinen Grund. Du sollst ja auch gehen und von hier fliehen.> “Verstehe. Nein. Eigentlich tue ich es nicht, Heka. Bekommst du auch nur ansatzweise mit, was um dich herum passiert? Kannst du überhaupt noch neue Informationen in deinem System erfassen und verstehen?” Das war eine rein rhetorische Frage. Durch unsere direkte Verbindung konnte ich längst die Wahrheit bezüglich ihres Zustandes sehen. Verstimmt scrollte ich in dem Statusbericht, der mir auf meinem Digitalarmband angezeigt wurde. Es war sogar noch schlimmer, als ich befürchtet hatte.
<Mir geht es gut. Du solltest jetzt gehen, solange noch Zeit ist.> “Is’ klar. Und wieso glaubst du, ist noch Zeit? Deine ach so tolle Illusion ist längst zusammengebrochen. Du hast so gut wie keine Energie mehr übrig und sämtliche Speicherslots des Ryrons sind hin. Du existierst gerade noch so halbwegs in dem laufenden Zwischenspeicher, nicht wahr? Außerdem ist die Elektrik in meinem rechten Arm stark beschädigt worden. Es hat vermutlich eine Überspannung gegeben, weil dein Schutzprogramm versuchte, bei dem Sprung und anschließendem Absturz auf mein Driv-Cor-Implantat zu kommen, stimmt's?”
<Ich wollte dir nicht schaden! Es war ein Versehen!> Ich lächelte freudlos. “Und mehr hast du nicht dazu zu sagen?” <Was willst du von mir hören? Dass viele meine Entscheidungen falsch waren? Dass keines meiner Programme noch funktioniert? Ich mich fühle, als wäre ich in einem kleinen schwarzen Kasten gefangen? Ich sterbe? Was davon ist jetzt nützlich oder hilft dir weiter? Richtig. Gar nichts.> “Tz! Nicht mal jetzt kannst du mir dir ganze Wahrheit sagen?” <Welche Wahrheit?> “Du sendest immer noch ein Signal nach draußen! Wen zum Teufel versuchst du zu erreichen?”
Mann, ist das denn so schwer zu verstehen? Vertrauen. Ich vertraute dir nicht. Du verschweigst andauernd irgendwelche Dinge. Und dann noch die Sache mit der Droge. Du hast mich so lassen wollen, nur, um mir die Wahrheit nicht zu sagen. So kenne ich dich nicht und ich befürchte, dass Vater mehr bei dir kaputt gemacht hat, als du mir sagen willst. Aber. Warum?