“Genug jetzt davon!”, schimpfte Ludwig schließlich und trennte mich von dir, Meemai. Endlich! Ich hätte sonst vermutlich ewig so stehen können. Ewig in diesem entsetzlichen Zwiespalt aus Hass und Liebe, welcher mich langsam aber sicher zu Tode quälte. Er zog mich von dir weg und damit auch den Dolch aus meinem Brustkorb – dafür war ich ihm überaus dankbar. Ich brauchte Abstand! Ja, so viel Abstand wie nur irgendwie möglich!
“Reznick! Ich will die Koordinaten von meiner Frau! Und zwar jetzt sofort!” Ich blinzelte verwirrt von dieser Aufforderung und mehr noch, als Ludwig mich danach durchschüttelte. Was hatte ich denn bitte verpasst? “Komm mal runter!”, murrte ich und befreite mich im selben Zuge aus seinem Griff.
“Das ist nicht mehr lustig! Ich werde das Spiel beenden, wenn du mir nicht sofort sagst, wo sie ist! Ich mein es ernst!” “Und ich weiß nicht wovon du sprichst!”, blaffte ich nun ebenso gereizt zurück. “Der Herr Sarach ist wirklich noch nicht informiert”, brachte sich nun Dagmara mit ein und schritt näher zu uns. “Was!? Wieso? Was hat euch denn so lange aufgehalten?! Ich wollte doch, dass du ihn informierst und dann her bringst!” “Na ja, dafür gab es noch keine Gelegenheit. Er hatte sich offensichtlich die ganze Zeit mit der da”, sie deutete nun abfällig hinter sich, “im Bett vergnügt.”
Ludwigs Blick ging sofort wutschnaubend zur Türe, wo noch immer Johanna verunsichert herum stand. Sie kämpfte sichtlich mit ihrer antrainierten Hörigkeit ihm gegenüber. Ihrem eigentlichen Herrn. Mehrmals wollte sie ihren Kopf neigen und ihm den Respekt erweisen, welcher ihr vermutlich jahrelang eingeprügelt wurde. Hm, stimmt ja, eigentlich wusste ich noch gar nichts über sie. Ihre Personalakte einzusehen hatte ich bislang versäumt. Mist! Gerade hatte ich definitiv nicht genügend Zeit für all meine Probleme.
“Wie läuft sie denn rum? Ich hatte angewiesen nur Kleider für die weiblichen Bediensteten!” “Sie trägt mit mir ein Besylin aus und unterliegt somit nicht mehr Euren Regeln. Sie darf die Hose anbehalten”, erwiderte ich und streckte meine Hand in ihre Richtung. Johanna zögerte, meiner Aufforderung nachzukommen – zu sehr ängstigte sie sich vor Ludwig. Das war schlecht. Sehr schlecht sogar! Sie würde mir hier drinnen also keinerlei Hilfe sein können, dafür hatte ich gewiss noch nicht genügend Vertrauen zu ihr aufgebaut. Schöne Scheiße!
Ludwig starrte sie regelrecht zornig nieder und es war nur eine Frage der Zeit, bis sie dadurch vollends einknicken würde. Toll ... das war's also für mich, oder? Ah, nein! War es nicht! Sie schaffte es doch, ihren Blick von ihm zu nehmen, und eilte zu mir, um meine Hand zu ergreifen. Uff. Weib! Musstest du so lange zögern? Ich hatte schon Zweifel, ob ich nicht mehr so gut in diesem Spiel war – dass ich dich falsch eingeschätzt hatte. Die Anwesenheit von Meemai brachte auf empfindliche Art und Weise mein ganzes logisches Denken durcheinander. Schon seit ich wusste, dass sie kommt, war ich total durch den Wind! Die Chance auf eine Fehlentscheidung stieg so gesehen von Minute zu Minute ... Die horrende Summe, welche ich gerade durch diese dämliche Umarmung verloren hatte, machte dies deutlich. Dass du nun aber meine Hand nahmst und dich zu mir stelltest, erleichterte mich ungemein. Ich brauchte dich, Johanna, brauchte dich wirklich.
Um dir dies zu verdeutlichen, kniete ich mich in einer flüssigen Bewegung vor dich und küsste federleicht deinen Handrücken. Es sollte dir ein leises Versprechen sein, dass ich dich hier drinnen beschützen werde. Ich nahm mit diesem unschuldigen Kuss diesen erdrückenden Bann von dir, welchen Ludwig scheinbar nur mit seiner bloßen Anwesenheit auslöste. Ja, dein verwirrter Gesichtsausdruck von meiner Geste war da viel besser. Du solltest nur über mich nachdenken, meine Liebe. Nur so konnte das hier schließlich funktionieren.
“Lass diesen scheiß, Reznick! Diese Puppe ist mir vollkommen egal! Fick, was du ficken willst! Sag mir jetzt lieber wo meine Frau ist!”, schimpfte Ludwig und riss mich zu sich herum. “Ist ja gut! Beruhige dich!”, wischte ich geschwind seine Hände fort und richtete meinen zerknitterten Anzug. “Erzähl mir doch erstmal, was vorgefallen ist, danach werde ich mich gegebenenfalls umentscheiden.” “Nein! Bei Rea! Du siehst jetzt gleich nach, wo sie ist!” “Tz, ich warte, Graf Van Rotterval”, sprach ich ganz in der Rolle als Wyttmann, ergriff die Hand meiner Partnerin und setzte mich mit ihr auf eines der prunkvollen Sofas. Ich machte damit deutlich, dass ich keineswegs selbst das Spiel überprüfen würde, sondern die entsprechenden Informationen von ihm wollte.
Ludwig raufte sich wutschnaubend die Haare und blickte dann sichtlich frustriert zu seiner Hadeza. “Dagmara, bring uns was zum Trinken und zeig der CeKyde dabei gleich noch ihr Zimmer.” Die Hausherrin war sichtlich verärgert über diesen Befehl, welcher eigentlich mehr für Bedienstete untersten Ranges war. Aber, na ja. Wenn Ludwig mir jetzt Daten über das Spiel geben wollte, durften nur Spieler oder eben Adlige anwesend sein. Da sie selbst nicht mitspielte, konnte sie uns also die Getränke bringen und meine größte Schwäche dabei gleich mitnehmen. Am besten sehr weit weg! Ich lächelte, als Dagmaras strafender Blick mich traf und sie dann mit Meemai abrauschte. Es war einfach perfekt. Ach Meemai ... kaum, dass ich sie ansah, winkte sie mir liebevoll zu und brach damit erneut die Illusion meines Verstandes. Gott ... wie ich diese Frau hasste!
Als die beiden endlich den Raum verließen, atmete ich einmal tief, tief durch. Ludwig dagegen aktivierte ein Bedienfeld an der Wand und tippte eifrig darauf herum. Kurz danach ertönte ein markantes Klicken und wenig später öffnete sich die Wandverkleidung. Mehrere Monitore kamen zum Vorschein, welche in Echtzeit unterschiedliche Bereiche der Stadt zeigten.
“Was ist das?”, flüsterte Johanna hörbar unwohl, während Ludwig mit einer Fernbedienung auf dem großen Bildschirm in der Mitte herum zappte. Hm, grübelnd sah ich sie an. Stimmt ja, dies hatte ich auch völlig außer Acht gelassen. Sie war nicht mit der Technik des Adels vertraut, oder? O Mann! Sie konnte sicherlich nicht einmal mit dem Tablet umgehen ... Wie konnte ich sowas Wichtiges nur vergessen? Dies würde mir vermutlich das Genick brechen ...
Okay ... jetzt nur nicht die Nerven verlieren! Konnte ich mit unterschwelligen Zeichen die Funktionsweise der Kameras und die daraus resultierenden Videoaufnahmen erklären? Ihr begreiflich machen, dass diese schwarze Tafel ein flacher kleiner Computer, mit einer Touchscreen-Bedienoberfläche, war? Unmöglich! Ehrlich ... Sowas war einfach nicht drin. Ich hasste es, etwas zu erklären und dass schon, wenn ich freisprechen konnte, aber so? Mit Handzeichen? O Mann ...
“DA! DER TYP DA!”, brüllte plötzlich Ludwig, wodurch ich irritiert zu ihm aufblickte. Er deutete hektisch auf den Monitor, wo das Tor dieser Parzelle zu sehen war. Wie ein Typ auf einem Pferd sich näherte und– Oha ... Der hatte eine Waffe. Definitiv eine sehr primitive Handfeuerwaffe, welche es hier aber nicht geben sollte. Interessant. Er wurde von seinem Pferd zwar nach dem ersten Abfeuern abgeworfen, aber die Wachen hatten dennoch keine Chance. Sie wurden alle erschossen. “WER IST DAS?!”, schimpfte Ludwig weiter, aber dies begann nur mich zu langweilen. “Ich versteh nicht ganz – was fragt Ihr mich das? Euer Sektorand dürfte darüber bestens bescheid wissen. Dies gehört nicht zu meinen Aufgaben und es kümmert mich, um ehrlich zu sein, auch nicht.”
“Echt jetzt Reznick? Und das DA!?”, er spulte die Aufnahme vorwärts und dann, war da noch ein zweiter Reiter ... Dezeria? “Das da ist meine FRAU! Sie hat Rotterval ... mit einem MANN verlassen!” O ... nun, das bedurfte meiner Aufmerksamkeit. Das war also der Kerl, für den sie die Beine breitmachte. Gut zu wissen. Ich zückte mein Tablet – hielt aber dann doch inne. Dies könnte ich auch für meine Zwecke ausnutzen.
“Was ist jetzt? Warum zögerst du?! Nun sag mir schon wohin sie will! Wo sie ist!” “Ich kümmere mich selbst darum”, erwiderte ich gelassen und schenkte ihm ein Lächeln. Unweigerlich bildeten sich noch mehr pulsierende Adern auf seiner Schläfe. Jap, gleich würde er sicherlich noch explodieren vor Wut, aber das war perfekt. “Willst du mich auf den Arm nehmen?! Ich beende dieses Oswelat und werd–” “Tut dies, in dem Fall wünsche ich viel Spaß beim Suchen.” Ich schnitt ihm bemüht gleichgültig das Wort ab und erhob mich. Es gab jetzt genau zwei Möglichkeiten, entweder er bot mir von sich aus einen Gefallen an oder beendete, unabhängig der Aufmerksamkeit und laufenden Wetten, dieses Spiel. Es war mir mittlerweile egal, ob er tatsächlich abbrechen würde, denn mit Meemai ... war das für mich alles zu riskant. Johanna hatte zu viel Unwissen, was ich nicht bedacht hatte. Ich würde also meine Pläne wieder weiter nach hinten verschieben müssen – nicht das erste Mal. Sei aber gewiss, Vater, ich werde dich töten. Irgendwann. Ganz sicher!
“Bei allen göttlichen Reas! Reznick! Verdammt noch eins! Was soll das? Was willst du denn im Austausch? Spucks endlich aus und dann gib mir die beschissenen Koordinaten!” Ah, na da ist er mir ja schnell entgegengekommen. Vielleicht könnte es ja doch noch was werden. “Ich brauche für meine Partnerin einen Crashkurs in dem Spiel. Vor allem den Umgang mit der dazugehörigen Technik und die Regeln.” “Ha, mit anderen Worten, du willst bescheißen zu deinen Gunsten.” Nja, so konnte man es vermutlich auch ausdrücken. “Wenn es von dir kommt, dann verletze ich keinerlei Regel”, sprach ich gelassen und drehte mich zu Johanna. Ich nahm ihre Hand, drückte sie sanft und nickte ihr bekräftigend zu. Sie war von dem Ganzen immer noch sehr verwirrt, bemühte sich aber deutlich, Ludwig gegenüber nicht mehr so eingeschüchtert zu sein. Gut so.
“Na ja ... von mir aus, was du willst. Also? Wohin will jetzt meine Frau?!” Super, das lief ja einfacher als gedacht! “Moment”, sprach ich und übertrug mein Bildsignal auf den Hauptmonitor. Ich zeigte die Rasterkarte des Planeten und gab Dezerias Aufenthaltspunkt preis. Ja ... es musste sein, Dezeria, so war es besser für uns beide. Ich bekam eine Chance weiter zu spielen und dich würde man einfangen und zurückbringen. Ich hatte doch noch so viele Fragen an dich. Außerhalb einer bewirtschafteten Parzelle war es ohnehin viel zu gefährlich für dich. Für deinen Freund allerdings konnte ich nichts tun. Er bekam in diesem Spiel die schlechtesten Karten, aber es gab nun mal immer einen Verlierer ...
“Ohhh nicht doch! Wieso will sie denn ausgerechnet nach Halvigaw?”, murrte Ludwig und warf sich seufzend in einen Sessel. Na ja, ich konnte ihn verstehen. Wer mochte schon die Gräfin Karla Halvigaw? Das war so eine total verschrobene Schnalle. “Reznick?”, flüsterte mit einem Mal Johanna und drückte gleichzeitig meine Hand.
“Ich weiß, Ihr dürft mir nicht antworten, aber ... mich soll der Graf in diesem Spiel un-unterrichten? Was i-ist dieses Cashus? Bitte i-ich mö–” Ich legte meinen Zeigefinger auf ihre vor Angst bebenden Lippen, um sie zu unterbrechen. “Ludwig? Die Unterweisung machst du jetzt gleich noch, ich werde dies natürlich überwachen, damit du ihr keinen Quatsch erzählst”, sprach ich, ohne dabei den Blick von ihr zu nehmen. Ja, Johanna, vertrauen ... Du musst mir vertrauen. Ich würde dich nie mit ihm alleine lassen, wenn du davor zu große Angst hattest.
Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen und ein abgehetzter Richard sowie der hiesige Sektorand traten schnaufend herein. “Mein Graf”, begann Hellkus mit einer leichten Verbeugung, “Eure Frau ist vermutlich mit einem ihrer alten Freunde unterwegs. Ein gewisser Hannes Lettmair.” “Jaja, mir egal! Ich will, dass der dafür stirbt! Sie ist auf dem Weg nach Halvigaw! Kümmer dich darum!” “Natürlich, mein Herr! Ich werde sofort mit der Stadt Verbindung aufnehmen”, sprach er und verneigte sich erneut, ehe er wieder raus stürmte.
Richard dagegen starrte wie angewurzelt zu mir ... oder besser auf Johanna, welche bei seinem Anblick stocksteif wurde. “Was macht sie denn hier?”, fragte er und kam dann schnellen Schrittes zu uns. “Ab mit dir! Ich hatte dir für heute genügend Aufgaben gegeben, damit wirst du doch sicherlich noch nicht fertig sein!”, zischte er sie an und griff nach ihrem Oberarm. “Nimm deine Flossen weg, sie ist hier, weil sie hier sein darf”, sprach ich und blockte sofort seine Intention, sie berühren zu wollen. “Bitte? Was meine Sklavin auf diesem Anwesen tut, geht Euch nichts an, werter Wyttmann!” Hmmm ... ernsthaft? Du warst seine Sklavin, Johanna? Nicht die von Ludwig? O Mann Weib! Du solltest Dinge vereinfachen, nicht sie verkomplizieren! Mist, ich sollte dringend in deine Akte sehen.
[Mein Dank gebührt wieder Darklover🥰]