Die grüne Holztür schwingt nach innen auf, nachdem Gandalf am Knauf gezogen hat. Über die Köpfe der im Eingangsbereich gedrängten Zwerge hinweg siehst du den dunkelhaarigen Thorin im Mondlicht vor der Tür stehen.
„Gandalf.“ Der Zwerg tritt ein. „Sagtest du nicht, dieser Ort wäre leicht zu finden? Ich habe mich dreimal verlaufen. Wäre nicht das Zeichen an der Tür gewesen …“
„Welches Zeichen?“, mischt sich Bilbo ein. „Da ist kein Zeichen!“
„Natürlich ist da ein Zeichen“, mischt sich Gandalf ein. „Ich habe es selbst dort angebracht.“
Thorins Blick fällt auf Bilbo und sein Blick wird noch eine Nuance kälter. Du fröstelst sogar in der warmen Hobbithöhle.
„Das ist also der Hobbit“, stellt Thorin fest. „Sagt, Meister Beutlin: Seid Ihr erfahren im Kampf?“
„Ich … was?“
„Axt oder Schwert, welches ist Eure Waffe?“
Bilbo sieht sich hilfesuchend um und räuspert sich. „Ich werfe eine recht elegante Rosskastanie, wenn Ihr es unbedingt wissen wollt! Aber ich verstehe nicht, wieso das …“
Während Thorin Bilbo weiter ausfragt, fällt dein Blick auf eine Karte, die neben dir auf einem Wandregal liegt. Neugierig hebst du das Pergament auf.
‚Der alte Wald und Umgebung‘ steht über der Zeichnung. Du willst sie gerade entfalten, als du Thorins Stimme hörst.
„Und was ist mit dem Menschen? Wir brauchen kein großes Volk auf unserer Mission!“
Du siehst auf. Alle Blicke sind auf dich gerichtet.
„Ich, äh …“ Du bist wie gelähmt. Der Gedanke, dass die Zwerge ohne dich losziehen würden, macht dir schreckliche Angst. Nicht nur, dass du ein großartiges Abenteuer verpassen würdest – du wärst auch noch vollkommen alleine im Auenland!
„Du hast mich gebeten, die fehlenden Mitglieder dieser Mission zu bestimmen“, mischt sich Gandalf ein. „Und ich sage wir brauchen einen Meisterdieb und einen …“ Sogar der Zauberer zögert kurz auf der Suche nach einer plausiblen Ausrede. „… Gelehrten.“
Thorin mustert dich kritisch. „Ein Gelehrter?“
„Oh ja“, krächzt du. „Ihr wärt erstaunt, wie viel ich über die Orte und Völker weiß, die Ihr auf Eurer Reise womöglich treffen werdet, Thorin Eichenschild.“
Der Zwerg hebt eine Augenbraue und schnaubt. Mit schweren Schritten geht er ins Esszimmer. „Bringt uns Licht!“, befiehlt er.
Du tauscht einen kurzen Blick mit Bilbo und verziehst das Gesicht zu einer Grimasse. Dann läuft der Hobbit los, um eine Kerze zu holen, und du folgst den Zwergen zurück an den Tisch, wo Thorin eine Karte auspackt und den Anderen von seinem Treffen mit den Zwergenfürsten berichtet. Enttäuschte und entmutigte Laute erklingen, als den Zwergen klar wird, dass sie allein sind. Daran kann auch Thorins Rede nichts ändern. Sie sind zu wenige, um einen Drachen zu besiegen.
Erst Gandalfs Plan und der Schlüssel, den er Thorin gibt, verleihen den Zwergen neue Hoffnung. Alle Blicke richten sich auf Bilbo, als dieser den Vertrag entgegennimmt. Du kannst die gespannte Erwartung beinahe fühlen. Bilbo, dieser kleine Hobbit, könnte den Zwergen den Weg nach Hause neu eröffnen. Ein einziges ‚Ja‘ würde mehr bewirken als der Schlüssel, der sich im Schloss der Geheimtür dreht.
Stattdessen kippt Bilbo in Ohnmacht.
„Geht es ihm gut?“, fragt Ori besorgt.
„Natürlich geht es ihm gut!“, schimpft Dori mit ihm, dann sieht der Weißbärtige zu Gandalf, der sich über den Hobbit beugt. „Es geht ihm doch gut?“
Gandalf streicht über Bilbos Stirn und atmet dann leise auf. „Ja, er ist nur bewusstlos. Kommt, tragen wir ihn ins Arbeitszimmer.“
Bifur, Bofur und der großgewachsene Dwalin heben Bilbo auf und tragen ihn auf den Gang und in das Nebenzimmer. Du siehst, wie Thorin seufzend den Kopf schüttelt. Der Anführer der Zwerge stützt die Ellbogen auf den Tisch und fährt sich über das Haar. Kíli steht auf und bringt seinem Onkel einen Teller mit etwas Brot und Käse, das noch übriggeblieben ist.
„So schlimm ist es nicht, oder?“, fragt der junge Zwerg hoffnungsvoll. „Wir sind immer noch dreizehn. Wir können es immer noch schaffen.“
„Aber wir haben keinen Meisterdieb“, sagt Thorin, bevor er vom Brot abbeißt. Er kaut, schluckt und seufzt. „Egal. Wir werden es auch ohne ihn schaffen!“ In seinen Augen blitzt das starrköpfige Feuer auf, das ihn ausmacht. Doch obwohl du ihn aus den Filmen kennst, hat der Bildschirm doch nie vermitteln können, wie stark und furchtlos Thorin ist. Du spürst, dass dir ein Schauer über den Rücken läuft, als du ihn verkünden hörst, dass die Zwerge eben ohne Bilbo losziehen werden. Ohne Bilbo und ohne Aussicht auf Erfolg, aber auch ohne Angst.
Der Wunsch, ihre Heimat zurückzubekommen, ist in diesem Moment ebenso kostbar wie rein. Ehe du dich versiehst, hörst du deine eigene Stimme:
- „Lasst mich mit dem Hobbit reden! Ich werde ihn überzeugen.“ Teil 48:
[https://belletristica.com/de/chapters/123973/edit]
- „Ich könnte euer Meisterdieb sein!“ Teil 44: