Du willst den Hobbits nicht unnötig Angst machen. Den vieren steht noch genug bevor. Außerdem – und das ist vermutlich wichtiger – wie solltest du sie warnen, ohne ihnen zu erklären, woher dein Wissen stammt? Du hast keine logische Erklärung anzubieten, nur dein Filmwissen und eine undefinierbare Unruhe.
Während die vier Hobbits sich in ihre Betten zurückziehen, hockst du auf deinem eigenen Bett und bekämpfst die Müdigkeit. Es dauert nicht lange, und Schnarchen dringt aus dem Zimmer.
Nachdenklich beobachtest du, wie die Flamme im Kamin herabbrennt. Schatten scheinen aus allen Winkeln ins Zimmer zu kriechen, und mit ihnen kommt die Kälte.
Solltest du ein weiteres Scheit auflegen? Andererseits quietscht die Ofentür ziemlich und du willst ja niemanden wecken. Also wartest du und denkst nach.
Dir bleibt viel Zeit, um dir Sorgen zu machen. Du weißt zum ersten Mal nicht mehr, was dich in Mittelerde erwartet. Vielleicht wird diese Nacht ja gar nichts passieren. Es kann durchaus sein, dass ihr ein paar Tage in Bree verbringen müsst. Sollst du dann jede Nacht Wache halten?
Während die Stunden vergehen und es dir immer schwerer fällt, die Augen offen zu halten, wachsen deine Zweifel. Im Gasthaus ist ja nichts passiert. Frodo hat den Ring nicht aufgesetzt. Die Ringgeister können also noch gar nicht wissen, dass ihr hier seid.
Oder doch?
Du hättest nicht gedacht, dass diese Situation irgendwie unangenehmer werden könnte, doch nun sitzt du tatsächlich vollkommen hilflos in diesem Zimmer und weißt nicht, was du tun sollst. Du hast dich darauf verlassen, dass Streicher euch irgendwie retten wird.
Immer wieder dämmerst du einen Moment weg und streckst dann wieder auf, wenn dir der Kopf auf die Brust sackt. Deine Zweifel werden allerdings nur größer. Solltest du dich wirklich des Schlafs berauben? Vielleicht musst du morgen ausgeruht sein.
Es ist zum Verrücktwerden. Langsam entwickelst du eine richtige Abneigung gegen dieses Zimmer.
Die Zimmertür knarzt. Etwas schläfrig siehst du herüber und erkennst, dass die Tür ganz leise aufschwingt. In der Öffnung erkennst du reine Schwärze.
Eine Welle des Grauens überrollt dich, wie ein kalter Windstoß, als du einen Fuß erkennst, der ins Zimmer geschoben wird. Er steckt in einer Rüstung aus mehreren Platten, die sich übereinander schieben und vorne spitz zulaufen. Die Gestalt, zu der der Fuß gehört, trägt schwarze Kleidung, einen Umhang, der alles von ihr verbirgt.
Du bist hellwach. Wie erstarrt siehst du zu, wie nacheinander vier Ringgeister ins Zimmer treten. Das schwache Mondlicht, das durch das Fenster dringt, schimmert auf ihren Händen und Füßen in den grauen Rüstungen, und auf den schartigen Morgul-Klingen.
Die Luft im Zimmer scheint erfroren zu sein. Du kannst kaum atmen und es ist so eisig kalt …
Dass du aufrecht im Bett sitzt, scheinen die Ringgeister gar nicht zu bemerken. Sie stapfen auf das Zimmer der Hobbits zu. Kaum etwas ist zu hören, nur ein leises Knirschen ihrer Rüstungen und die dumpfen Schritte.
Sie werden die Hobbits töten! Dieser Gedanke jagt ein Prickeln über diene Haut und reißt dich endlich aus der Starre.
„Wacht auf!“, rufst du, so laut du kannst. „Frodo, Sam, Merry, Pippin, wacht auf!“
Die Reiter wirbeln herum. Einer von ihnen kreischt so schrill, dass du die Hände auf deine Ohren presst. Du gerätst aus dem Gleichgewicht und kippst aus dem Bett, während du versuchst, den Schrei auszusperren, der sich wie ein Dorn in dein Innerstes zu graben scheint.
Als der Nazgûl verstummt, rappelst du dich keuchend auf. Im schwachen Licht siehst du, dass die Hobbits aufgesprungen sind. Glücklicherweise erfassen sie die Situation sofort und wuseln zwischen den größeren Gegnern vorbei zu dir. Du willst bei diesem – zugegebenermaßen recht witzigen – Anblick schon Hoffnung schöpfen. „Los, raus mit euch!“ Du drängst die vier zur Tür und hindurch, während die Nazgûl vorspringen. Sie wollen euch aufhalten, aber ihr seit um eine Haaresbreite schneller.
Während die Hobbits nach draußen flüchten, tastest du nach deiner Waffe. Gegen vier Gegner habt ihr nicht die geringste Chance, aber du musst den vieren wenigstens Zeit verschaffen.
- Auf in den Kampf! Teil 127: