Rasch läufst du dem kleinen Hobbit nach. Du erreichst ihn kurz vor dem Feuerschein.
„Bilbo!“
Erschrocken fährt er herum. Dann atmet er auf, als er dich erkennt. „Sag doch, dass du mitkommst.“
Dass du überhaupt hier bist, scheint ihn nicht zu wundern. Diese Zeitsprünge haben offenbar die Angewohnheit, sich selbst zu reparieren.
„Willst du dich wirklich an drei Trolle heranschleichen?“, fragst du flüsternd, während Bilbo vorwärts kriecht.
„Ich bin als Meisterdieb angeheuert worden, oder etwa nicht?“, antwortet der Hobbit. „Dann kann ich doch wenigstens versuchen, die Ponys zurückzustehlen.“
Du folgst dem Hobbit so leise, wie du nur kannst. Bilbo kann sich vollkommen lautlos durch das Gebüsch schieben, dir fällt es schon schwerer. Allerdings müsstet ihr euch gar nicht solche Mühe geben: Die Trolle diskutieren lautstark über Hammelfleisch und die Qualität der Popel im Eintopf. Sie veranstalten einen solchen Lärm, das sie euch gar nicht bemerken können.
Das ändert sich natürlich, als Bilbo in den Lichtschein tritt und sich den eingesperrten Ponys nähert. Diese befinden sich in einem Gatter aus groben Holzstücken, die mit Seilen verbunden sind, und laufen nervös hin und her.
Mit angehaltenem Atem kriechst du ihm hinterher, dicht an dem behelfsmäßigen Zaun entlang. Die Ponys wiehern panisch.
„Pscht!“ Bilbo will eine Hand vor den Mund heben und stellt erschrocken fest, dass er einen Knochen festhält. Ihr kriecht über die Überreste manch einer Mahlzeit. Das meiste sind hoffentlich Schafsknochen, aber die Trolle reden auch davon, wie schlecht der Bauer geschmeckt hätte.
Deine Hände kribbeln, während du über die Knochen kriechst.
Bilbo hat inzwischen das Tor des Geheges erreicht. Dieses besteht nur aus einem Seil, das mit einem dicken Knoten an einem der Pfähle befestigt wurde. Der Hobbit zerrt an dem dicken Strang, aber nichts rührt sich. Währenddessen kriechst du leise neben ihn und siehst zu den Trollen.
Die drei Kreaturen sind so nah, dass du nur einen Fuß ausstrecken müsstest, um die Baumstämme zu berühren, die ihnen als Hocker dienen. Der Gestank ist unbeschreiblich. Eine Mischung aus ungewaschenen, verschwitzten Körpern und einem Geruch, der an wilde Tiere denken lässt. Du nimmst fauliges Fleisch wahr, stark zerkochten Kohl – offenbar enthält die Suppe nicht nur Nasenerzeugnisse – und einen muffigen Geruch nach Tod.
Du versuchst, möglichst flach zu atmen.
Bilbo hat inzwischen festgestellt, dass er den Knoten nicht lösen kann. Er lässt sich neben dich sinken und sieht sich mutlos um.
Du willst schon nach deinem Gürtel greifen – vielleicht hast du ja ein Messer oder etwas anderes, das hilft – dann besinnst du dich. So schwer es dir fällt, du musst Bilbo wohl im wahrsten Sinne des Wortes ins Messer laufen lassen.
„Da.“ Du nickst zu einem der Trolle, welcher an seinem Gürtel eine dünne, geriffelte Klinge hat. Für ihn ist es vielleicht ein Küchenmesser oder ein Kurzschwert, aber die Waffe ist fast hobbithoch und eure beste Chance, das dicke Tau schnell durchzuschneiden.
Bilbo erblickt die Waffe und verzieht dann das Gesicht, als wollte er dich fragen, ob das dein Ernst sei.
Du nickst und machst eine entschuldigende Geste. Dann kriecht ihr Seite an Seite los.
Euer mutiger Sturm voran gerät ins Stocken, als unvermittelt einer der Trolle seine Pranke ausstreckt und in eure Richtung tastet. Ihr weicht zurück, während die dicken Finger dicht über euch durch die Luft gleiten. Ihr weicht zurück. Zum Glück findet der Troll seine Tasse – die ebenfalls aus Schrott zusammengebastelt ist – bevor er verleitet wäre, den Kopf zu drehen. Dann hätte er euch nämlich direkt angesehen.
Deine Beine zittern fast zu stark, um dich zu tragen. Bilbo kriecht aber bereits wieder los. Während du den Mut des Hobbits noch bewunderst, beeilst du dich, hinterher zu kommen.
Bilbo stellt sich hinter dem Troll mit dem Messer auf und streckt die Hände aus. Zögerlich nimmt er Maß, dann versucht er, nach der Waffe zu greifen.
Just in diesem Moment springt der Troll natürlich auf, um sich am Hintern zu kratzen. Bilbo kauert sich hinter dessen Stuhl zusammen, du wirfst dich in etwas Schatten nah am Pferdegatter. Du liegst flach ausgestreckt auf der Erde.
Der Troll lässt sich mit einem Plumps wieder fallen. Du atmest heimlich auf. Dein Herz rast wie verrückt – der Gestank, die streitenden Stimmen und die Dunkelheit machen dir wirklich zu schaffen. Neben dir kommt eines der Ponys ans Gatter und versucht, dich anzustupsen. Überrascht erkennst du dein graugesprenkeltes Tier: Wolke Zwielicht! Wieso ist sie denn mit allen anderen gefangen? Ab jetzt ist es wohl persönlich …
Du hörst einen Troll Luft holen und duckst dich noch tiefer in den knochendurchsetzten Schlamm. Der arme Bilbo kann nicht ausweichen, als der Troll mit einer schnellen Bewegung sein Taschentuch samt Hobbit packt und dröhnend niest.
„He! Guckt mal, was mir da aus dem Zinken geflutscht ist!“
Mitleidig verziehst du das Gesicht. Der arme Bilbo! Du hast ein schlechtes Gewissen, weil du ihn einfach ausgeliefert hast, aber was hättest du tun sollen?
Der Troll schleudert Bilbo jetzt von sich – „Es ist ekelig, wie es da zappelt!“ – und der Hobbit stolpert beinahe in die lange, speerartige Gabel, die der Koch-Troll auf ihn richtet.
„Was bist du?“
„Ich bin ein Meister- ähh, Hobbit!“
„Ein Meisterhobbit? Sind noch mehr von dir in der Gegend?“
Du ziehst den Kopf ein, als sich der Troll suchend umsieht. Offenbar ist deine Kuhle zwischen den Knochen gut gewählt. Du drückst das Gesicht in die muffige Erde, während du auf die Diskussion der Trolle lauschst. Dann erklingt lautes Gebrüll aus vielen Kehlen und ein erschrockener Schrei der Trolle: „Zwerge!“
Du wagst es, wieder aufzusehen und grinst. Thorin und Company sind aufgetaucht, um ihren Meisterhobbit zu retten. Jetzt kannst du, unbeachtet von den chaotisch durcheinander wirbelnden Kämpfern, aufspringen.
Sollst du den Zwergen helfen – oder die Ponys und vor allem deine Wolke befreien?
Du entscheidest dich …
- … mit den Zwergen zu kämpfen. Teil 199:
[https://belletristica.com/de/chapters/321269/edit]
- … mit Bilbo die Ponys zu retten. Teil 205: