Deine Reise durch Mittelerde
Kapitel 3: Querfeldein in ein Abenteuer
Früh am nächsten Morgen wirst du von einem vertrauten Geräusch geweckt: Der Klang eines Zauberstabs, der auf eine Hobbitholztür klopft.
Es ist erstaunlich, dass du den Klang sofort erkennst und weißt, dass Gandalf mit dem ersten Tageslicht auf Sams Türschwelle erschienen ist. Noch etwas schlaftrunken kämpfst du dich unter der Decke hervor. Im Schlafzimmer hörst du leises Schnarchen.
„Aufstehen, Samweis!“, ruft Gandalf. „Schlafen könnt ihr später!“
Du kommst auf die Füße. „Sam!“, rufst du und erhältst eine schlaftrunken genuschelte Antwort, während du zur Tür taumelst. Du weichst deinem Rucksack aus, der gepackt auf dem Teppich steht, dann umrundest du den kleinen Tisch mit zwei Stühlen vor dem runden Fensterchen neben der Tür. Eine Vase mit Blumen steht darauf. Wer sich um die Pflänzchen kümmern wird, wenn ihr weg seid?
Dein Kopf schlägt gegen einen der Deckenbalken. „Au!“ Dann ziehst du die gelbe Tür auf und blinzelst hinaus. „Gandalf?“
„Wir haben keine Zeit zu verlieren!“ Neben dem Zauberer entdeckst du Frodo in Sams Vorgarten. Der gepflegte Rasen ist noch grau eingefärbt von der Nacht, die sich erst langsam verzieht. Der Himmel ist von der Farbe von Gandalfs Roben.
„Wir kommen sofort“, murmelst du und unterdrückst ein Gähnen. Die Nacht war etwas zu kurz für deinen Geschmack. Immerhin war dein Tag davor ungewöhnlich lang: Zuerst Bilbos Geburtstag, dann die Feier bis spät in die Nacht, schließlich die zweite Feier mit den Zwergen und zuletzt der Zeitsprung zurück ins Jetzt. Stundenmäßig waren das sicherlich zwei Tage, und du hast nur … du wirfst einen prüfenden Blick zum Himmel … fünf bis sechs Stunden Schlaf dafür bekommen!
Aber trotzdem willst du dich nicht beschweren. Das hier ist das größte Abenteuer deines Lebens! Also schlurfst du zurück zum Schlafzimmer und öffnest die Tür vorsichtig. „Sam? Wir müssen los.“
„Wer, wie, was?“ Frodos Gärtner fährt aus dem Schlaf hoch. „Natürlich! Bin gleich fertig!“
Aus dem Tiefschlaf wechselt Sam übergangslos zu hektischer Betriebsamkeit. Er überprüft sein Gepäck ein letztes Mal.
„Kommt doch herein!“, bittet er Gandalf und Frodo, die jedoch im Vorgarten stehenbleiben.
Während du deine Stiefel neu schnürst, packt Sam sämtliches Kochgeschirr aus und wieder ein, um es besser zu verstauen.
Da es draußen noch sehr frisch ist, ziehst du einen deiner Umhänge über. Außerdem nimmst du deine gewählte Waffe auf und trittst in den Vorgarten, den Rucksack über den Schultern.
Sam ist immer noch nicht fertig. Du siehst zurück.
„Sam?“, ruft Frodo mit einem Lächeln.
„Ich bin sofort fertig! Ich muss nur noch was fürs Frühstück finden“, ertönt es aus der Hobbithöhle.
Frodo schüttelt grinsend den Kopf.
„Sam“, beginnst du umsichtig, „ich glaube, wir haben keine Zeit für ein Frühstück.“
Prompt erscheint der Hobbit auf der Schwelle. „In dem Fall bin ich bereit!“
Du musst seine Tapferkeit bewundern. Nach allem, was du über Hobbits weißt, hast du mit einer ganz anderen Antwort gerechnet.
Es stimmt wohl, was Gandalf sagte. An einem einzigen Tag kann man alles Wissenswerte über Hobbits lernen – und doch überraschen sie einen immer wieder.
„Gehen wir!“, drängt Gandalf. Ihr tretet auf die Straße, wo das braune Pferd steht, das Gandalfs Karren ins Auenland gezogen hat. Wo der Karren selbst ist, weißt du nicht, vermutlich auf dem Festplatz. Doch du weißt, dass Gandalf es eilig damit hat, nach Isengart zu gelangen, da würde ihn der Karren nur stören.
Zunächst einmal führt er euch aber zu Fuß aus Hobbingen heraus. Ihr begegnet keiner Hobbitseele und du vermutest, dass Gandalf Schleichwege nutzt. Manche eurer Pfade sind so überwuchert, dass ihr nur langsam vorankommt.
Dann geht es auf einen grünen Hügel. Hinter euch geht endlich die Sonne auf. Der Himmel ist blau, geziert von violetten Wolken, doch die Pflanzen und Zäune heben sich nur als dunkle Silhouetten vor ihm ab. Ein letztes Mal sieht Frodo zurück. In einiger Entfernung wartet ihr.
„Werde ich je wieder diese grünen Hügel erblicken?“, hörst du Frodo wehmütig fragen.
Du senkst den Blick. Natürlich wird er das Auenland wiedersehen – aber nach all seinen Abenteuern wird er sich an dem Anblick nicht länger erfreuen können. Es wird nicht länger sein Zuhause sein.
Er atmet tief durch und kommt zu euch, also geht ihr weiter. Das Auenland bleibt hinter euch zurück. Gandalf führt euch in einen Wald voller knorriger Bäume, deren Stämme kahl und Kronen dicht sind. Ein kniehoher Teppich aus niedrigem Moos und Gestrüpp bedeckt den Boden, doch ein Weg schlängelt sich durch den Schatten. Hier und da hängt blasser Morgennebel unter den Ästen. Das Morgenlicht vermag kaum, unter das Laub vorzudringen.
„Seid vorsichtig, alle drei“, schärft Gandalf euch ein, während er das Pferd am Zügel führt. „Der Feind hat viele Späher in seinen Diensten. Vögel, Tiere.“ Dann hält er an und fixiert Frodo mit stechendem Blick. „Ist er sicher? Benutze ihn niemals. Denn dann werden die Diener des dunklen Herrschers von seiner Macht angezogen.“
Obwohl Gandalf leise spricht, kannst du seine Worte an Frodo hören. Du spürst, wie ein Schauer über deinen Rücken läuft. Nicht nur, weil es unter den Bäumen erschreckend kühl ist. Dir fallen die schwarzen Reiter ein, denen ihr euch bald werdet stellen müssen. Die schrecklichen Schreie, die durch die Nacht hallen. Das Grauen.
Bist du wirklich bereit für diese Reise? Du hast keine Kampferfahrung, nicht einmal besondere Wandererfahrung. Und nun willst du dich allen Gefahren Mittelerdes stellen?!
„Denk immer daran, Frodo, der Ring versucht, zu seinem Herrn zurückzukehren. Er will gefunden werden.“
Gandalf schwingt sich auf den Rücken seines Pferdes. Er will dem Tier die Sporen geben.
Du …
- … schweigst. Teil 61:
[https://belletristica.com/de/chapters/169287/edit]
- … hältst ihn auf. Teil 155: