Du richtest dich im Gebüsch gegenüber vom Tor ein. Zum Glück ist diese Straße von dichtem Unterholz gesäumt. Deine Suche nach einem trockenen Flecken ist allerdings vergebens. Alles ist von der Krone bis zu den Wurzeln durchnässt. Du kauerst dich unter einen größeren Busch und wickelst dich in deinen Mantel, dann wartest du frierend ab.
Etwa eine halbe Stunde später – die dir allerdings bereits wie eine Ewigkeit vorkommt – wird das Tor noch einmal geöffnet.
„Seid Ihr sicher, junger Herr?“, fragt der Torwächter. „Sind ein paar merkwürdige Gestalten unterwegs in der letzten Zeit.“
„Ich muss mir wirklich die Beine vertreten.“ Das ist Merry. „Ich bin gleich zurück.“
Sobald der Hobbit draußen und das Tor im Schloss ist, erhebst du dich. Das Rascheln macht Merry auf dich aufmerksam. Er tritt dir entgegen, allerdings etwas zögerlich.
„Ich bin’s“, beruhigst du ihn rasch. „Wie ist es in Bree gelaufen?“
„Nicht sehr gut“, gesteht Merry. „Gandalf ist seit Wochen nicht mehr hier gewesen.“
Etwas anderes hätte dich auch gewundert, aber das sprichst du natürlich nicht aus. „Und was macht ihr jetzt?“
„Für heute haben wir uns ein Zimmer im Gasthaus genommen. Wir müssen hoffen, dass er bald auftaucht.“ Merry ist ins Gebüsch getreten und reicht dir ein kleines Bündel, in Stoff eingewickelt. Du packst es aus und stößt auf ein Stück Brot, etwas Käse und Wurst und ein paar Weintrauben. Obwohl alles ziemlich durchnässt ist, riecht es köstlich.
„Danke!“
„Drinnen gibt es auch Bier, aber das konnte ich nicht gut mit rausnehmen.“ Merrys entschuldigendes Lächeln ist kaum zu erkennen.
„Ich denke, ich habe hier draußen auch genug Flüssigkeit.“ Du blickst zum Himmel.
„Wir können vielleicht mit Butterblume sprechen“, schlägt Merry vor, doch du winkst ab.
„Ich denke nicht, dass er einen wie mich in seinem Laden will. Mach dir keine Sorgen, ich komme schon zurecht.“ Du versprühst allen Optimismus, den der Dauerregen noch nicht fortgespült hat.
Merry ist immer noch nicht richtig überzeugt, doch er sieht wohl ein, dass ihr keine andere Wahl habt. Du kannst nicht einfach so durch Bree spazieren! Was Merry nicht weiß, ist, dass du dir das auch noch selbst eingebrockt hast …
„Wir sehen uns dann morgen. Vielleicht taucht Gandalf dann endlich auf“, verabschiedet sich Merry. „Ich muss zurück und aufpassen, dass Pippin nicht zu viel trinkt.“
„In Ordnung. Viel Spaß.“ In Wahrheit machst du dir ein wenig Sorgen. Gandalf wird natürlich nicht kommen. Und wenn Pippin zu viel trinkt und Frodo verrät … Aber du musst darauf vertrauen, dass alles wie im Film ablaufen wird. Streicher ist im Gasthaus, um die vier Hobbits zu beschützen. Du musst nur darauf warten, morgen früh zu ihnen zu stoßen.
Nachdem Merry gegangen ist, bereitest du dich auf eine eisige, feuchte Nacht vor. Dann allerdings umweht dich ein winterlicher Hauch, der dir alle Haare zu Berge stehen lässt. Wenig später hörst du Hufschlag auf der Straße.
Die Nazgûl sind gekommen. Du schluckst und verharrst absolut regungslos, während sich vier Pferde dem Stadttor von Bree nähern. Du wartest auf den vertrauten Dialog und das Ende des armen Torwächters, doch stattdessen schwingt die Tür auf.
„Da seid ihr ja“, begrüßt eine dir unbekannte Stimme die schwarzen Reiter. „Hat ja lang genug gedauert. Wir haben den Gefangenen, aber er macht Ärger.“
„Wir haben noch etwasss zu erledigen“, zischelt eine Stimme, die dir eine Kaskade an Eiszapfen über den Rücken prasseln lässt.
Sogar die unangenehme, menschliche Stimme verstummt. Der Mann tritt an die Seite, um die Reiter hereinzulassen.
Einen Moment kannst du dich immer noch nicht rühren, obwohl die vier außer Sicht sind. Deine Gedanken rasen. Von welchem Gefangenen haben sie gesprochen? Könnte das einer der Hobbits sein? Oder gar Aragorn?
Fest steht, dass das so nicht im Skript stand. Du erhebst dich, huscht über die Straße und drückst gegen das Tor. Es ist offen, der Nachtwächter nirgendwo zu sehen. Auf der Straße erblickst du vier Pferde, die tiefer in die Stadt ziehen, und einen einzelnen Mann, der zum Stadtrand eilt.
Ob die Reiter zum Gasthaus wollen? Sollst du dem Unbekannten folgen und überprüfen, was es mit dem Gefangenen auf sich hat, oder besser sicherstellen, dass die Hobbits in Sicherheit sind? Während du zögerst, rinnt Regen unter deinen Mantelkragen und lässt dich erschaudern.
Du musst eine Entscheidung treffen.
Du …
- … folgst den Nazgûl. Teil 136:
[https://belletristica.com/de/chapters/241745/edit]
- … folgst dem Unbekannten. Teil 132: