Du strampelst kräftig mit den Füßen, um dich aus dem Wasser zu drücken, und schreist, so laut du kannst: „Hilfe! Hilfe!“
Schon sinkst du zurück ins Wasser und eine Welle schlägt über dir zusammen. Du schluckst Salzwasser und spuckst aus. Deine Muskeln brennen vor Erschöpfung und das Aufbäumen gerade hat dich erneut viel Kraft gekostet. Prustend siehst du dich um. Immer noch rührt sich nichts am Hafen.
Moment mal! Da rührt sich ja doch etwas! Eines der Schiffe hat sich vom Steg gelöst. Du spähst zum Steuer, doch an Bord ist niemand zu sehen.
Hat sich das Schiff vielleicht einfach losgerissen, weil das Ankerseil gerissen ist? So oder so kommt die schlanke Barke jetzt direkt auf dich zu, offenbar von der Strömung getragen. Du paddelst ein Stück zur Seite und der Bug gleitet geräuschlos neben dir durch die Wellen. Am Rand hängt eine Art Strickleiter herunter, die du ergreifst.
Keuchend und kurz vor dem Zusammenbruch ziehst du dich hinauf und lässt dich dann auf die feinen Planken aus silbriggrauem Holz fallen. Über dir raschelt das Segel leise im Wind, doch es ist nur halb gehisst.
Einen Moment liegst du einfach nur auf dem Rücken und atmest tief durch. Möwen kreisen über dir am Himmel. Du hast überlebt! Deine Kleidung tropft vor Nässe und erst jetzt bemerkst du, dass es nicht deine normale Kleidung ist.
Seltsam … du trägst eine braune Hose, die an den Waden geschnürt wird, dunkelbraune Stiefel aus weichem Leder und mit flachen Sohlen, sowie ein beiges Hemd mit langen Ärmeln, mit einem schmalen Ausschnitt vom Hals zur Brust, der ebenfalls zugeschnürt ist. Die durchnässte Kleidung besteht aus grobem Stoff und ist schwer. Kein Wunder, dass du damit kaum schwimmen konntest!
Du wringst die Ärmel des Hemdes und deine Haare aus und siehst dich dann an Bord um. Noch immer ist keine Menschenseele zu sehen, doch das Schiff treibt wie von Geisterhand gesteuert zurück zum Hafen. Vielleicht ist die Strömung umgeschlagen und die Flut drückt das Schiff wieder in die Bucht? Eine andere logische Erklärung fällt dir nicht ein.
Sanft schaukelnd legt das Schiff am Dock an und du kletterst auf den Steg. Ob das Boot auf deinen Hilferuf hin gekommen ist? Nein, das wäre unmöglich!
Fröstelnd siehst du dich um. Eine flache Treppe mit breiten Stufen schwingt sich die Klippen hinauf. Schmale Torbögen umgeben große, runde Steinflächen ohne Geländer und die brückenlosen Pfade weiter oben. Alles ist aus einem hellen, gräulichen Stein erbaut und überall stehen Steinfiguren von vollendeter Schönheit auf weißen Sockeln.
Du siehst einige der Figuren genauer an – haben sie etwa spitze Ohren?
Unmöglich! Du siehst dich um und erkennst den Ort auf einen Schlag. Die Grauen Anfurten! Das … das ist der Hafen westlich vom Auenland! Du bist in Mittelerde!
Atemlos legst du die Hand auf den Stein, den echte Steinmetze der Elben behauen haben müssen. Die Linien sind fast überirdisch schön und zeigen feine Verästelungen und Blätter. Dir wird fast schwindelig, ehe du dich zusammenreißt. Deine kalte Kleidung hilft dir dabei, in die Realität zurückzukommen. Du bist durchgefroren und dem Stand der Sonne nach zu urteilen bleiben dir nur ein paar Stunden bis zum Einbruch der Nacht. Du solltest dringend einen Unterschlupf suchen.
Suchend siehst du dich um. Die Treppe führt dich nach oben, aber du kannst auch links oder rechts über den Pier gehen. In die Klippen gehauen siehst du mehrere offene Gebäude – eher Säulenhallen an den Felsen, wenn man mal ehrlich ist. Schutz vor der Kälte wirst du dort nicht finden, aber vielleicht etwas anderes nützliches. Oder es ist reine Zeitverschwendung.
Du gehst …
- … die Treppe hinauf nach oben. Teil 8:
[https://belletristica.com/de/chapters/50918/edit]
- … nach links. Teil 2:
[https://belletristica.com/de/chapters/50912/edit]
- … nach rechts. Teil 6: