Deine Reise durch Mittelerde
Kapitel 4: Einfach abseits der Wege
Der Fluss drängt euer kleines Floß mit sich. Merry, Pippin und Frodo atmen auf, als das Ufer und die schwarzen Reiter hinter euch zurückbleiben. Sam dagegen wirft dem Wasser misstrauische Blicke zu.
Es dauert nicht lange, bis das andere Ufer in Sicht kommt. Erneut erheben sich Hügel vor dir, mit warmgoldenen Fenstern gesprenkelt wie mit Sternen. Im Mondlicht kannst du einige Felder erkennen, eine größere Siedlung und mehrere kleine Hobbithöhlen weiter draußen.
„Boote sind ein echtes Unding“, murmelt Sam finster. Er klammert sich an einen der Holzpfähle, die das Floß als Geländer umgeben.
„Die Fähre kippt schon nicht um!“, widerspricht Merry ihm, der das Gefährt mit ruhigen Stockstößen auf einen Pier zusteuert. Hier liegen mehrere kleine Fischerboote vor Anker.
Sam seufzt auf, als er endlich wieder festes Land unter den Füßen hat. „Gute, alte Auenlanderde! Wobei, ist sie das? Das hier ist Bockland, nicht Hobbingen.“
„Die Erde ist hier ebenso gut wie auf der anderen Seite des Flusses!“, verteidigt Merry seine Heimat.
Sam blickt stattdessen wehmütig nach Westen.
Nachdem alle an Land sind, rafft ihr euer Gepäck für das letzte Stück zusammen. Es geht einen grünen Pfad hinauf zum Brandyschloß, Merrys Zuhause, das in vielerlei Hinsicht an Beutelsend erinnert.
„Ich gehe schon mal vor“, sagt Merry. „Dick Bolger ist sicherlich noch wach, und dann gibt es ein gutes Abendessen!“
„Wir hatten doch schon ein Abendessen“, widerspricht Frodo, aber sein Einwand verhallt ungehört.
Ihr seid eben unter Hobbits.
Als ihr euch dem Hobbitbau nähert, kommt euch der Geruch nach frischem Brot, Pilzsoße und ähnlichen Köstlichkeiten entgegen. Merrys Vetter Dick Bolger begrüßt euch und verwickelt Frodo sofort in ein Gespräch über ein Häuschen in Krickloch, noch bevor ihr alle Mäntel abgelegt habt.
Wenn du dich richtig erinnerst, hat Frodo im Buch vorgegeben, nach Bockland ziehen zu wollen, um das Auenland möglichst unauffällig zu verlassen. Dass er Zeit für solche Vorbereitungen hatte, bezweifelst du nun, doch offenbar finden Spuren dieser Täuschung dennoch ihren Weg in diese Realität.
Natürlich gibt es doch ein ausgiebiges Abendessen, bei dem Frodos Schweigsamkeit sogar Dick Bolger auffällt. Danach baden die Hobbits. Als Pippin und Frodo im Bad sind, beginnt Pippin auch noch zu singen.
Du wartest satt und müde darauf, dass du an der Reihe bist, als Sam frisch gebadet zu dir tritt, in einem Schlafanzug und ein Tuch um die tropfenden Haare.
„Na, Sam?“ Du lächelst.
„Das war echt ein ziemliches Abenteuer.“ Sam setzt sich zu dir. „Ein Glück, dass wir diesem fremdländischen Kerl entkommen sind! Der gefiel mir gar nicht.“
„Ja, ich bin echt froh, dass wir da raus gekommen sind.“ Unwillkürlich überkommt dich ein Schauer bei der Erinnerung an das Kreischen der Reiter. Pippins fröhlicher Gesang aus dem Bad klingt mit einem Mal hohl.
„Aber das liegt ja jetzt zum Glück hinter uns.“
Du siehst Sam an. „Ich … ich denke nicht, dass wir diese Reiter schon zum letzten Mal gesehen haben.“
Sam macht große Augen. „Was?“
„Sie suchen nach Frodo“, erklärst du ihm traurig.
Sam nickt ernst. „Dann müssen wir so schnell wie möglich nach Bree! Herr Gandalf wird wissen, was zu tun ist!“
Tja, wenn es nur so einfach wäre!
„Ja, in Bree sind wir sicher“, lügst du trotzdem. „Wir müssen nur hinkommen.“
„Ich denke, wir werden nicht die Hauptstraße nehmen“, erkennt Sam traurig.
Pippins Stimme wird lauter: „Doch niemals rauscht ein Springquell so süß, wie heißes Wasser mit – platsch! – auf die Füß‘!“*
Ihr hört ein lautes Platschen, Pippins Lachen und ein „Brrr!“ von Frodo. Wenig später öffnet sich die Tür und Frodo tritt heraus, während er sich die Haare abtrocknet. „Ich mache mich wohl besser in der Küche fertig. Da drin ist so viel Wasser, da bleibt nichts trocken.“
Merry kommt aus der Küche und steckt die Nase ins Bad. „Du lieber Himmel!“
„Ist überhaupt noch Wasser für mich da?“, fragst du.
„Ein bisschen“, gibt Pippin zu.
Nach dem Bad sitzt ihr alle im Wohnzimmer, mit Ausnahme von Fredegar Bolger, der zu Bett gegangen ist.
„Also, Frodo. Ich denke, du schuldest uns eine Erklärung“, sagt Merry ernst. „Wer waren diese komischen Kerle?“
„Ich kenne sie ja auch nicht“, murmelt Frodo.
„Aber du weißt etwas. Hat es was mit Bilbos Ring zu tun?“
Frodo starrt Merry sprachlos an. Seine Hand schließt sich instinktiv um eine Stelle seines Hemdes, und vermutlich um den Ring darunter. „Du weißt davon!“
„Ach, Frodo! Wir kannten den guten, alten Bilbo jetzt so lange … Ich konnte einmal einen Blick in das Buch werfen, an dem er schreibt, und las darin von einem Ring, der unsichtbar macht. Und bei einer Gelegenheit war ich hinter Bilbo auf der Straße unterwegs – ohne, dass er mich sah – und uns kamen die Sackheim-Beutlins entgegen. Da war Bilbo mit einem Mal weg und tauchte erst wieder auf, als sie vorbei waren. Kurzum“, Merry grinst stolz, „ihr beide rechnet nicht mit der Neugier guter Freunde.“
„Du hast sein Buch gelesen!“, ruft Frodo aus. „Ist denn nichts sicher?“
„Nicht allzu sicher“, gibt Merry grinsend zu. Dann wird er ernst. „Also, sind diese Leute hinter Herrn Bilbos Schatz her? Sam wollte uns nicht allzu viel verraten, nachdem Gandalf ihn erwischt hat.“
„Sam?“ Frodo starrt seinen Gärtner mit einem Ausdruck verletzten Vertrauens an.
„Ich habe kein Wort mehr gesagt, nachdem Gandalf meinte, ich soll nicht!“, verteidigt der sich.
Schmunzelnd siehst du zu, wie Merry und Pippin Frodo noch ein wenig drängen. Sie haben seine Schweigsamkeit, die Geheimnistuerei und das Reisen abseits der Wege richtig gedeutet. Als Frodo schließlich nachgibt und ihnen erklärt, dass er nach Bree muss, um Gandalf zu treffen, erklären sie sich sofort bereit, ihn zu begleiten.
„Aber die Nacht verbringen wir noch hier, richtig?“, fragt Pippin.
„Um ehrlich zu sein“, murmelt Frodo, „wäre es mir lieber, so bald wie möglich aufzubrechen. Am liebsten sofort!“
Pippin starrt ihn entsetzt an.
„Aber wir müssen noch packen und ich würde gerne eine Nachricht für Gandalf hinterlassen“, lenkt Frodo ein. „Morgen sollten wir aber so früh wie möglich losziehen. Ich denke, dass es gefährlich ist, lange an einem Ort zu bleiben.“
„Und wir sollten abseits der Wege gehen“, wirft Sam das ein, was ihr eben besprochen habt.
„Das auch!“, entfährt es Frodo überrascht.
„Dann … wollt ihr durch den Alten Wald?“ Pippin runzelt die Stirn.
„Das ist die einzige Chance“, erklärt Frodo leise.
„Aber im Alten Wald werden wir uns verirren. Es bringt Unglück, ihn zu betreten.“
Frodo schweigt. Und auch den anderen Hobbits ist klar, dass sie dieses Risiko eingehen müssen.
„Wir Brandybocks gehen gelegentlich hinein“, ermutigt Merry alle. „Also können wir es auch wagen!“
Damit ist es beschlossen. Wenig später geht ihr ins Bett, denn es ist spät und ihr wollt eure letzten Stunden unter einem Dach bestmöglich ausnutzen.
Du liegst erneut in einem viel zu kurzen Hobbitbett und fragst dich mit stillem Grauen, ob von nun an alle Gefahren so real sein werden wie dieses erste Zusammentreffen mit den schwarzen Reitern.
Hast du im Laufe deiner Abenteuer eine Karte des Alten Walds erhalten?
Ja. Teil 93: [https://belletristica.com/de/chapters/229775/edit]
Nein. Teil 88: [https://belletristica.com/de/chapters/229753/edit]