Dichter Nebel umhüllt dich. Es ist dunkel, die weißen Schwaden scheinen gleichzeitig das einzige Licht zu sein. Vorsichtig machst du ein paar Schritte und der eben noch flache und harte Boden scheint sich im selben Atemzug in Matsch zu verwandeln.
Du stolperst vorwärts, als du anschwellendes Gebrüll hörst. Es erklingt zu beiden Seiten von dir. Als du den Kopf drehst, stürmen dunkle Gestalten vor und zerreißen den Nebel. Sie sind schwer gepanzert und haben Äxte und Schwerter über dem Kopf erhoben. Ihre schweren Schritte donnern auf dem Boden, hallen in deinen Ohren nach. Es werden immer mehr, aus vereinzelten wird eine Armee und aus dem fernen Gebrüll ein ohrenbetäubender Lärm, der dich mitspült.
Es sind Zwerge, doch das macht ihr wildes Erscheinungsbild nicht weniger furchteinflößend. Du rennst mit ihnen und die Landschaft wird heller, der Nebel gräulich. Schließlich erblickst du ein weites Feld und die unordentlichen, dunklen Linien eurer Feinde vor einem rauen Gebirge.
Moria.
Noch immer nimmst du Geräusche nur wie durch Watte wahr. Du fühlst dich losgelöst von deinem Körper, fast, als würdest du schweben. Du empfindest keine Furcht, als du dich im Zwergenheer der Orkschar näherst. Du bist in der dritten Reihe. Vor dir treffen die ersten Kämpfer aufeinander, Stahl schlägt Funken. Doch während der Ansturm stockt, und du dich mitten unter Orks begibst, streift dich keine einzige Waffe und keine der Kreaturen sieht dich auch nur an.
Mit tänzerischer Sicherheit gleitest du durch die Schlacht und erblickst vertraute Gesichter, gezeichnet von Dreck und schwarzem Blut. Um dich her fallen Zwerge und Orks, doch die Gegner aus den Tiefen Morias gewinnen an Boden.
Du hörst einen Schrei und wirbelst herum, um Azog zu erblicken, der den Kopf eines Zwerges in den Himmel reckt. Der Schrei stammt von Thorin. Wie von einem unsichtbaren Band gezogen wanderst du hinüber zur letzten Ruhestätte des Zwergenkönigs Thrór. Du siehst Thorin, der vorwärts stürmen will, als ein anderer Zwerg ihm in den Weg tritt. Thráin beschwört seinen Sohn, zu warten. Dann wühlt er sich zwischen den Kämpfern hindurch ins Getümmel.
Du folgst ihm aus einem Grund, den du nicht nennen könntest. Immer wieder versperren dir Kämpfer den Weg. Sterbende stolpern links und rechts durch deinen Pfad, doch selbst wenn du Thráin aus den Augen verlierst, findest du ihn immer wieder. Dann siehst du, wie er zu Boden geschlagen wird. Azog beugt sich über ihn, ein Grinsen teilt das von Schnitten gezeichnete Gesicht des weißen Orks.
Du hörst ein helles Klingen, als Stahl auf Stein trifft. Klar durchbricht es den Nebel der Schlacht, gefolgt von einem Schrei. Als du wenig später bei Thráin ankommst, hält Azog den Finger des Zwergs in die Luft und holt aus, um Thorins Vater zu enthaupten.
Thráin allerdings ist noch nicht bereit, aufzugeben. Er windet sich unter Azogs Fuß, schlägt zu und bringt den großen Ork ins Stolpern. Es ist nur ein Moment, doch dieser genügt, dass Thráin aufspringen und fliehen kann.
„Holt ihn!“, brüllt Azog seinen Leuten zu. „Lasst ihn nicht entkommen!“
Dein Blick allerdings wird vom Ring des Zwergenkönigs angezogen. Azog hat ihn fallen gelassen, und nun liegt er im Schlamm. Er ist vom abgeschnittenen Finger gerutscht und bis vor deine Füße gerollt.
Du müsstest nur die Hand ausstrecken.
Der Traumcharakter dieser Welt verschafft dir die nötige Sicherheit, dass dein Eingriff nichts verändern würde. Es ist ein Gefühl, dessen Ursprung du dir nicht erklären könntest, doch du bist dir dessen sicher. Es hätte nur Konsequenzen für dich … bist du bereit, sie zu tragen?
Wie hypnotisiert starrst du auf den Ring, während die Schlacht um dich herum tobt. Doch genau hier, genau in diesem Moment, scheint die Zeit für dich stehen zu bleiben.
Du …
- … nimmst den Zwergenring. Teil 76:
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- … nimmst den Zwergenring nicht. Teil 75: