Streicher hat dem verglimmenden Feuer den Rücken zugekehrt und zieht an einer Pfeife. Der Rauch kräuselt sich als dünne Fahne in den Himmel. Ringsum zirpen Grillen, aber dennoch hört er deine leisen Schritte und dreht den Kopf.
„Kannst du nicht schlafen?“
„Nicht wirklich“, lügst du. Du bist hundemüde, aber das willst du nicht zugeben. „Ist es in Ordnung, wenn ich dir ein wenig Gesellschaft leiste?“ Er nickt und fröstelnd setzt du dich zu ihm.
„Du verstehst dich gut mit den Hobbits“, sagt er und wirft dir einen Seitenblick zu. „Aber du gehörst nicht zu ihnen.“
Er ist verflixt scharfsinnig. Du bekämpfst die Nervosität, die in dir aufsteigt. Die Wahrheit darfst du ihm nicht sagen, denn das könnte diese Welt gefährden. „Ich habe sie erst vor Kurzem getroffen, das stimmt. Aber wir haben ein, zwei Abenteuer hinter uns. Ich schätze, so etwas schweißt zusammen.“
„Das klingt richtig.“ Nachdenklich zieht Aragorn an der Pfeife. „Es gibt keine bessere Schmiede für Freundschaft, als sich gemeinsam einer Gefahr zu stellen.“
„Und es ist tröstlich, sich einer Gefahr mit Freunden zu stellen.“ Denn wenn du die Figuren hier nicht kennen würdest, hätten dir die schwarzen Reiter genug Furcht eingejagt, dass du Mittelerde sofort wieder verlassen hättest. Stattdessen hast du Gefallen an diesem Abenteuer gefunden.
Du bemerkst, dass Aragorn noch immer in die Weite starrt. Oder eher Streicher – du solltest auch aufpassen, dass du ihn nicht aus Versehen bei einem Namen ansprichst, den er euch noch gar nicht mitgeteilt hat! Bei den Valar, wieso dachtest du, dass so ein Gespräch eine gute Idee wäre?
„Verzeihung“, murmelst du. „Du bist vermutlich sehr oft allein unterwegs. Das war unsensibel von mir.“
„Ich bin nicht immer allein.“ Er lächelt.
Natürlich – irgendwie muss er ja auch Zeit finden, eine Freundschaft mit Legolas zu pflegen. Und sicher ist er oft in Bruchtal zu Besuch, bei einer gewissen, dunkelhaarigen Elbe …
„Ich stelle mir das Leben als Waldläufer trotzdem einsam vor.“ Besonders, wenn man bedenkt, wer er eigentlich ist. Sein Schicksal wird ihn in die wohl größte Stadt von Mittelerde bringen, in riesige Heere. Ein gänzlich anderes Leben.
„Man gewöhnt sich daran. Manchmal bin ich auch ganz froh darum, mich nicht mit Begleitern herumärgern zu müssen.“ Grinsend sieht er zu den schlafenden Hobbits.
„Sie sind eine ganz schöne Handvoll, das stimmt.“ Du musst kichern. Jeder andere wäre irgendwann genervt von Sams Schimpfereien über die Mücken oder Pippins Unsinn, und besonders Aragorn, der sonst allein unterwegs war, muss sich wohl ziemlich umgewöhnen. Aber er hat die vier rasch ins Herz geschlossen.
„Nun, Freunde von Gandalf sind meine Freunde.“ Aragorn sieht in den Himmel. „Und darum werde ich sie sicher nach Bruchtal bringen.“ Er zögert, ehe er zugibt: „Ich hoffe, wir treffen den Zauberer dort.“ Offenbar macht er sich doch Sorgen, weil Gandalf nicht in Bree aufgetaucht ist. Sorgen, die er vor den Hobbits nicht zeigt.
„Mit Sicherheit.“
„Er taucht ja immer auf, wo und wann er will. Aber diese Sache ist wirklich wichtig.“ Er wirft einen nachdenklichen Blick auf Frodo – allerdings meint er sicherlich nicht den Hobbit, sondern eine gewisse, goldene Kleinigkeit, die eng mit dem Schicksal des Königs verknüpft ist.
„Er wird dort sein“, sagst du mir fester Stimme. „Gandalf weiß besser als wir alle, wie wichtig diese Aufgabe ist.“
Aragorn wirft dir einen dankbaren Blick zu und sieht dann wieder in den Himmel. Du schweigst und folgst seinem Blick zu den Sternen. Kein Sternbild hier kommt dir bekannt vor, allerdings bist du in der Hinsicht auch kein Experte. Lange Zeit seht ihr dem Lauf der Sterne zu. Aragorn raucht und du schweigst, die Mücken scheinen endlich eingeschlafen zu sein und nach einer Weile summt der Waldläufer leise. Schließlich kannst du dein Gähnen nicht länger unterdrücken. Du verabschiedest dich und gehst, um dich zwischen den Hobbits auszustrecken.
- Erwache am nächsten Morgen. Teil 162: