Am 18. Mai 1966 meldeten einige Rheinschiffer bei Duisburg der Wasserschutzpolizei einen Weißwal (Delphinapterus leucas), auch Beluga genannt, im Rhein. Die Beamten reagierten ungläubig und ließen die Seeleute einen Blutalkoholtest machen, der negativ ausfiel. Denn tatsächlich schwamm ein vier Meter langer und 1.600 Kilogramm schwerer Weißwal im Rhein, 300 Kilometer vom Meer und Tausende Kilometer vom natürlichen Lebensraum der Belugas in arktischen Gewässern entfernt. Das Tier dominierte mehre Wochen die Medien und wurde Moby Dick getauft (in den Niederlanden hieß er Willi de Waal).
Es ist anzunehmen, dass der Wal ursprünglich von der Ostküste Kanadas gefangen und auf ein Frachtschiff verfrachtet wurde, von dort sollte er in einen Zoo in England gebracht werden.
Kurz vor der Landung warf ein Sturm im Ärmelkanal den Container mit Moby über Bord und dieser verschwand, bevor er Monate später weit oben auf dem Rhein wieder auftauchte.
Da hier die Überlebenschancen für den Wal gehend null standen, versuchte der Direktor des Duisburger Zoos, Wolfgang Gewalt, den ungewöhnlichen Gast im Rhein mit Netzen und Betäubungspfeilen zu fangen. Aktivisten versuchten die Jagd zu stören, indem sie von einem Luftschiff aus Orangen in den Rhein warfen, um von einer farbähnlichen Markierungsboje abzulenken, die ein Scharfschütze mit einem Schuss unter die Haut des Wals befestigt hatte.
Diese "Jagd" führte zu massiven Protesten der Bevölkerung und offiziellen Protesten der Niederlande, sodass man von weiteren Versuchen dieser Art absehen musste.
Moby Dick wandte sich zunächst wieder dem Meer zu, machte jedoch vor einer eigens für ihn geöffneten Schleuse Kornwerderzand zum Meer halt und schwamm wieder den Rhein hinauf bis nach Bonn. Wo sein Auftauchen eine Bundespressekonferenz unterbrach. Erst kurz vor Rolandseck drehte der Beluga wieder um und wurde bereits drei Tage später, am 16. Juni um 18:42 Uhr, zum letzten Mal beim Erreichen des offenen Meeres nahe Hoek van Holland gesehen.
Die Haut des Wals hatte in dieser Zeit nicht mehr viel von einem "weißen Wal", sie war holprig und überseht mit dunklen Flecken, deren Ursprung das damals stark verschmutzte Wasser des Rheins gewesen war. Zu dieser Zeit leiteten Städte und Chemieanlagen noch größtenteils ungefiltert ihr Abwasser in den Strom, der damals zurecht als Kloake Europas bezeichnet wurde.
Es gibt die Vermutung, dass das Auftauchen von Moby Dick im Rhein und die Wirkung, die das verschmutzte Wasser auf den Wal zu haben schien, der Beginn oder zumindest ein treibender Faktor der Umweltbewegung in Deutschland waren. Tatsächlich wurden um 1966 die ersten wirksamen Umweltschutzgesetze in Deutschland verabschiedet.
Quellen
- Dietmar Bartz: ‚Moby Dick‘ und der giftige Rhein. taz, 28. August 2001, online https://taz.de/Archiv/!p4311/?dig=2001/08/28/a0133 Abgerufen am 16.09.2024
- „Moby Dick“: Waljagd im Rhein. Express, 6. Januar 2014, https://web.archive.org/web/20160306155506/http://www.express.de/news/50-jahre-express--moby-dick---waljagd-im-rhein-2711416 Abgerufen am 16.09.2024
- J. W. Mohnhaupt (2019). The Zookeepers' War: An Incredible True Story from the Cold War. Simon & Schuster. p. 127-136. ISBN 978-1501188497.
- "Tran und Tränen". Der Spiegel. Vol. 23. 1966-05-30. https://www.spiegel.de/politik/tran-und-traenen-a-b40d209b-0002-0001-0000-000038223917?context=issue Abgerufen am 16.09.2024
- "The Whale that Started the Green Movement". mentalfloss.com. 2015-07-10. https://www.mentalfloss.com/article/63866/whale-started-green-movement Abgerufen am 16.09.2024