Der "Skorpion und der Frosch", seltener auch "Der Frosch und der Skorpion", ist der Titel einer Tierfabel, deren Grundmuster erst nach dem 12. Jahrhundert im Vorderen Orient entstanden sein dürfte.
In der Geschichte möchte ein Skorpion einen Fluss überqueren, kann aber nicht schwimmen. Deshalb bittet er einen Frosch, ihn hinüberzutragen. Der Frosch zögert, weil er befürchtet, vom Skorpion gestochen zu werden. Der Skorpion verspricht jedoch, dies nicht zu tun und weist darauf hin, dass er ja selbst ertrinken würde, wenn er den Frosch mitten im Fluss töten würde. Der Frosch hält dieses Argument für vernünftig und stimmt zu, den Skorpion zu transportieren. Auf halbem Weg über den Fluss sticht der Skorpion den Frosch trotzdem und verurteilt sie beide somit zum Tode. Der sterbende Frosch fragt den Skorpion, warum er ihn gestochen hat, obwohl er die Folgen kannte. Der Skorpion antwortet: "Es tut mir leid, aber ich konnte nicht anders. So bin ich nun einmal."
Eine verbreitete Interpretation dieser Fabel ist, dass Menschen mit bösartigen Persönlichkeiten nicht widerstehen können, andere zu verletzen, selbst wenn es nicht in ihrem Interesse ist. Im Gegensatz zu Märchen, wo das Gute siegt und das Böse verliert, und auch im Gegensatz zu den meisten Tierfabeln, die davor warnen, bösartigen Menschen zu vertrauen, verlieren in dieser Fabel beide Charaktere.
Weiter belegt die Fabel, dass es neben der Vernunft eines Abkommens zwischen zwei Parteien, noch eine unvernünftige Kraft gibt, die Natur des Tieres. Denn obwohl der Skorpion erkannt hatte, dass er sterben würde, handelt er, entgegen aller Vernunft. Auch die fragenden Worte des sterbenden Frosches bewirken beim Skorpion weder Einsicht noch Umdenken. So ist er und so bleibt er. Das Wesen des Skorpions war stärker als die Vernunft. Hätte unser Frosch das bereits vor der Reise gewusst, hätte er den Skorpion nicht mitgenommen.
Die Fabel stellt die Frage, ob der Mensch klüger und vernünftiger handeln kann, als der Skorpion. Erkennt der Mensch, dass er von scheinbar unabänderlichen Charakterzügen abweichen kann?
Für den Menschen in der Rolle des Frosches stellt sich die Frage, ob er den verstandesmäßig und weitsichtig formulierten Argumenten eines Mitmenschen trauen darf, oder ob trotz negativer Folgen für beide nicht letztlich negative Wesenszüge die Überhand behalten können.
Quellen
- Arata Takeda: Blumenreiche Handelswege Ost-westliche Streifzüge auf den Spuren der Fabel: Der Skorpion und der Frosch. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte. 85. Jg., Heft 1, 2011, S. 124–152 (uni-tuebingen.de) https://publikationen.uni-tuebingen.de/xmlui/bitstream/handle/10900/47008/pdf/Arata_Takeda_Blumenreiche_Handelswege.pdf Abgerufen am 15.12.2024
- Giancarlo Livraghi (March 2007). "The Scorpion and the Frog". gandalf.it. http://www.gandalf.it/stupid/scorpion.htm Abgerufen am 15.12.2024