James Potter
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„Hätte ja keiner ahnen können, dass sie uns erwischen. Warum musste McGonagall auch genau in dem Moment um die Ecke kommen, als wir den Zauber vervollständigt haben?“ James grummelte, während er mit einem schmutzigen Schwamm einen noch schmutzigeren Kessel schrubbte. „Das war einfach nur Pech.“
„Immerhin haben wir Schniefelus voll erwischt, bevor Minnie ihn gerettet hat“, erwiderte Sirius auf der anderen Seite des Raumes, wo er einen ebenso verklebten Kessel von den Restes eines verunglückten Tranks versuchte zu befreien.
„Sein Gesicht, als die ganze Ladung Wasser ihn erwischt hat, war es schon wert“, grinste James.
„Und als dann diese Seife angefangen hat, um seinen Kopf zu schweben? Ich muss schon sagen, diese Idee war echt gut, das muss ich Pettigrew ja lassen.“
„Aber am besten war sowieso der Moment, als die Bürste in seinen Mund geflogen ist und versucht hat seine Zunge zu schrubben.“
Sirius lachte in seinen Kessel. „Das nächste Mal wird es noch besser und dann werden wir auch nicht erwischt“, versprach er. „Dann bekommen wir sicher auch Pettigrew und Lupin dazu, uns richtig zu helfen. Irgendwie –“
„ – hat es Spaß gemacht, ja?“, beendete James seinen Satz. Dafür stand es für James schon fest. Es war gleichstimmig entschieden, dass Remus Lupin und Peter Pettigrew ab sofort seine Freunde waren, auch wenn die beiden Glücklichen noch nichts davon wussten. Ein Nein wäre nicht zu akzeptieren. Wer solche Einfälle für geniale Streiche hatte, musste einfach zu seinen Freunden gehören, fand James. Zwar hatte er Remus Lupin am Anfang für ein wenig seltsam gehalten, mit seiner blassen Haut, den gelblichen Augen und den vielen Narben auf seiner Haut, aber allein diese Planung mit ihm und Peter hatte jegliche Zweifel weggeblasen. Gemeinsam mit Peters Ideen würde Remus einen großartigen Teil von James Potters Freundesgruppe abgeben, die bisher nur zwei Mitglieder hatte. Ihn eingeschlossen.
Zwanzig Minuten später waren Sirius und er vom Kesselschrubben erlöst, als der grummelige, grantige Hausmeister Mr. Filch sie in ihren Schlafsaal schickte. Die Kerkergänge waren erfüllt vom leisen Knistern der Fackeln an den Wänden und ihren Schritten über den dunklen Stein. Obwohl es schon sehr später Abend war, fühlte James sich hellwach. Am liebsten würde er die Zeit nutzen, in der alle Schüler in ihren Gemeinschaftsräumen waren und die Gänge des Schlosses genauer erkunden. Sein Vater hatte ihm sehr kryptisch erzählt, dass es in Hogwarts eine ganze Menge Geheimnisse zu entdecken gab, aber bisher hatte James noch keine Möglichkeit gehabt, irgendwas zu finden.
Sie waren kurz vor der Tür in die Eingangshalle, als ihnen jemand in den Weg trat. Es war eine große, blasse Slytherinschülerin mit rückenlangen blonden Haare, die im schummrigen Licht der Fackeln fast weiß wirkten. Eine kleines, silbernes Abzeichen glänzte auf ihrer Schuluniform. „Sirius“, sagte sie mit fester Stimme, als die beiden Gryffindors stehen geblieben waren. „Kann ich kurz mit dir reden?“
„Was willst du, Narzissa?“, fragte er kurz angebunden. „Ich bin beschäftigt.“
„Du kommst vom Nachsitzen, du kannst nicht beschäftigt sein“, erwiderte Narzissa höhnisch. Ihr Blick flackerte zu James und ihre kühlen, dunklen Augen verengten sich kaum merklich. Sie hatte ein sehr hübsches Gesicht, allerdings sah sie auch die ganze Zeit so aus, als hätte sie gerade an einer Dungbombe gerochen; ihre Stirn lag in Falten und die Haut unter ihrer Nase war leicht angehoben.
„Was willst du, Narzissa?“, wiederholte Sirius genervt. „Wenn es nichts Wichtiges ist, dann würde ich gerne in meinen Schlafsaal zurückkehren.“
„Eigentlich geht es genau darum.“ Narzissas Blick glitt wieder zu Sirius. „Es ist mir nicht entfallen, dass du nicht in Slytherin gelandet bist.“
„Was für eine Auffassungsgabe du doch besitzt“, applaudierte Sirius ihr höhnisch. „Musste Lucius es dir erklären, als ich mich beim Festessen nicht neben dich gesetzt habe?“
Narzissa schnaubte abfällig, bevor sie den Kopf schüttelte. „Du bist wirklich unglaublich, Sirius. Du weißt ganz genau, was das für Konsequenzen haben wird. Glaubst du, deine Mutter ist mit der Entscheidung des Hutes einverstanden?“
„Mir und dem Hut ist es tatsächlich sehr egal, ob Mutter einverstanden ist. Ich bin in Gryffindor und das wars.“ Sirius wollte sich an der älteren Schülerin vorbeidrängen, aber sie hielt den Arm ausgestreckt und blockierte somit den Weg.
„Du kannst unmöglich so langsam im Kopf sein, dass du nicht verstehst, was passieren wird, sollte Tante Walburga erst einmal erfahren, dass du nicht nach Slytherin wie der Rest deiner Familie bist. Und glaub mir, sie wird davon erfahren.“ Narzissa schnalzte ungeduldig mit der Zunge. „Du tätest gut daran, wenn du dich an deine Loyalitäten erinnern würdest, Sirius.“
Dieses Mal schnaubte Sirius laut. „Soll das eine Drohung sein, Zissy?“
„Es ist eine Warnung“, meinte sie mit harter Stimme, offensichtlich gar nicht angetan von diesem Spitznamen. „Deine Eltern werden alles in Bewegung setzen, damit du in dein rechtmäßiges Haus eingeteilt wirst und –“
„Das bin ich bereits“, unterbrach Sirius sie. „Gryffindor ist mein rechtmäßiges Haus, vielen Dank.“
Trotz der nur kurzen Bekanntschaft fühlte James eine ganze Welle an Stolz über sich kommen, als er Sirius so reden hörte.
Narzissa verengte die Augenbrauen und starrte den jüngeren Schüler für ein paar Augenblicke an, dann nahm sie den Arm langsam herunter. „Wie du meinst. Aber sag hinterher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt, Sirius. Du wirst die Konsequenzen zu spüren bekommen, da kannst du dich noch so dumm stellen. Tante Walburga ist keine sehr vergebende Frau. Du solltest das am besten wissen.“ Sie drehte sich um und ging den gleichen Weg zurück, aus dem sie gekommen war und ließ die beiden Gryffindor-Jungs allein zurück.
„Alte Ziege“, murmelte Sirius und lief weiter, als wäre nichts gewesen. „Wer glaubt sie eigentlich, wer sie ist?“
James sagte nichts, bis sie den dritten Stock erreichten. Erst dann fragte er leise: „Wird deine Mutter dich denn bestrafen?“
„Wahrscheinlich“, erwiderte Sirius nonchalant. „Aber ich will sehen, was sie hier anstellen will. Sie kann mich schlecht vor der gesamten Schule verfluchen.“
„Aber das würde sie tun, oder?“, fragte James, der sich von den sehr wenigen Informationen, die er von Walburga Black besaß, ein eindeutiges Bild der Hexe bemalt hatte. „Das hat sie schon mehrmals getan, oder?“
Sirius zuckte mit den Schultern. „Öfter, als ich mich erinnern kann. Es verliert mit der Zeit an Wirkung und ich kann mittlerweile sehr gut damit leben, wenn man mir für ein paar Stunden die Zunge an den Gaumen klebt. Soll die alte Hexe doch Terror machen, Dumbledore wird sie nicht klein bekommen.“
James wusste nicht, ob er beeindruckt oder besorgt sein sollte. Sein Freund schien sehr unbekümmert damit umzugehen, dass seine Mutter ihn bestrafen würde, wenn sie davon erfahren würde, dass er in Gryffindor gelandet war. Sirius hatte gesagt, seine ganze Familie wäre seit hunderten von Jahren in Slytherin gewesen – wenn das stimmte, dann hatte er eine uralte Tradition gebrochen. Eine Familie wie die Blacks, geführt von einer Frau wie Walburga, würde das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ob Narzissa vielleicht Recht hatte? Wäre Sirius in Slytherin besser aufgehoben – oder zumindest sicherer?
Ein Blick auf den schwarzhaarigen Jungen mit dem federnden Gang reichte schon aus, damit James wusste, dass das nicht stimmte. Es gab gute Gründe dafür, dass Sirius nach Gryffindor gekommen war. Er gehörte dorthin. Gryffindor war jetzt sein Zuhause, egal was Narzissa oder Walburga sagen würden.
James hechtete die Schritte zu Sirius auf, schlang einen Arm um seine Schulter und verkündete ihm, dem leeren Korridor und den schlummernden Portraits an den Wänden lautstark: „Wenn sie versuchen, dich nach Slytherin zu ziehen, dann müssen sie erstmal an mir vorbei.“
Sirius starrte ihn für einen Augenblick an. „Na das wird sie abschrecken“, sagte er schließlich trocken. „Ein Elfjähriger mit Sehschwäche und einem Wischmopp auf dem Kopf.“
„Hey, ich setze mich hier für dich ein, Black, zeig mal ein bisschen mehr Dankbarkeit.“
„Ah, der gute, großmütige Potter, ich verdiene es gar nicht in deinem heiligen Schatten zu leben, darf ich bitte, bitte deine Füße küssen?“
„Du darfst“, erwiderte James, das Kinn gereckt.
Sirius trat ihm auf den Zeh. „Sehr großzügig“, meinte er, als James vor Schmerz zischte. Dann lachte der Junge laut auf, legte seinen eigenen Arm über James‘ Schulter und drückte seinen Klassenkameraden an sich. „An uns kommt die alte Hexe nicht vorbei“, sagte er. „Die wird sich die Zähne ausbeißen.“
„Gryffindors sind eben nicht so einfach kleinzukriegen“, erwiderte James mit einem zusammengekniffenen Auge. Er rammte Sirius einen Ellbogen in die Rippe. „Nur ein Gryffindor kann einen anderen Gryffindor besiegen.“
„Ach ja?“, fragte Sirius, die dunklen Augenbrauen beinahe im Ansatz seiner Haare verborgen. „Willst du dich duellieren, Potter? Ich mach dich fertig, darauf kannst du Gift nehmen.“
„Mit Gift kennst du dich ja aus, wenn ich mir so anschaue, was in deiner Familie rumläuft“, sagte James mit Gedanken an Narzissas angewiderten Blick. Er grinste breit. „Außerdem würde ich dich in einem Duell schneller fertig machen, als Schniefelus Shampoo sagen könnte.“
„Als ob Schniefelus weiß, was Shampoo ist“, konterte Sirius. „Du würdest in wenigen Sekunden untergehen, Potter, ich bin der amtierende Duellierkönig!“
„Ah, ja, gegen wen musstest du gewinnen, um den Titel zu bekommen? Deinen Hauselfen?“
Die beiden Jungs rauften sich weiter auf dem Weg in den Gryffindorgemeinschaftsraum und als sie schließlich vor dem Gemälde der Fetten Dame angekommen waren, waren Sirius‘ Roben verrutscht und James‘ Brille schief auf seiner Nase, aber ein dickes Grinsen klebte auf beiden Gesichtern. „Meine Güte“, sagte die Fette Dame. „Ihr zwei seht aus, als ob ihr euch gerade geprügelt hättet.“
„Ich hab gewonnen“, sagte Sirius stolz und erntete dafür einen Tritt gegens Bein.
„Klappe, Black“, erwiderte James. Zur Fetten Dame sagte er: „Leo Superbus.“
„Auch dir einen schönen Abend“, sagte das Portrait mit schnalzender Zunge, ehe es nach innen schwang und den Eingang zum Gemeinschaftsraum präsentierte.
Immernoch mit den Armen über den Schultern zwängten sich James und Sirius durch das Portraitloch in den Gemeinschaftsraum, grinsten über beide Ohren, als sie schließlich auf den roten Teppich stolperten und ernteten dafür mehr als ein paar irritierte Black.
„Wo kommt ihr denn her?“, fragte Montana Fortescue, der auf einem der Sessel lag, die Beine über die Lehne geworfen und ein Quidditchmagazin aufgeschlagen auf seinen Knien liegen hatte.
„Nachsitzen“, erwiderte Sirius mit schiefem Grinsen.
„Es ist der zweite Schultag“, erinnerte Marlene McKinnon sie, die im Schneidersitz auf dem Boden saß und sich die Fingernägel lackierte. „Wie habt ihr das bitte hinbekommen?“
James zuckte mit den Schultern. „Wir wurden erwischt, als wir den ollen Schn –“, er stoppte kurz und blickte sich im Raum um, aber als er keinen Hinweis auf einen temperamentvollen roten Haarschopf finden konnte, führte er fort: „als wir den ollen Schniefelus verhext haben. Nächstes Mal sind wir vorsichtiger.“
„Nächstes Mal?“, fragte Mary Macdonald, die gegenüber von Marlene saß und über ihre Schulter blicken musste.
„Natürlich gibt es ein nächstes Mal, Macdonald“, sagte Sirius.
Mary verengte die Augen. „Wieso?“
„Wieso nicht?“, stellte er die Gegenfrage, entfernte seinen Arm von James‘ Schulter und streckte sich ausgiebig. „So ein kombiniertes Genie wie unseres“, er deutete mit einem Finger auf sich und James, „kann doch nicht von einem lausigen Streich befriedigt werden. Nein, nein, Miss.“
„Verliert bitte nicht all die Punkte, die wir angesammelt haben“, sagte Marlene, ohne die Augen von ihren Fingern zu nehmen.
„Witzig, das hat Remus auch gesagt und trotzdem war er sehr begeistert von unserer Idee gewesen“, meinte James grinsend. „Wo ist er überhaupt?“
„Im Schlafsaal“, antwortete Monty. „Zusammen mit Peter. Remus wollte ihm beim Aufsatz für Verwandlung helfen.“ Achselzuckend, als könnte man den anderen Jungen bloß nicht mit Schularbeiten an einem Freitagabend belästigen, widmete er sich wieder seiner Quidditchzeitschrift. Auf dem Titelbild war eine schnatzfangende Spielerin zu sehen, die auf dem neusten Rennbesen durch die Luft sauste.
Sirius und James verabschiedeten sich von den anderen Erstklässlern, erklommen die Treppen zu den Schlafsälen und betraten dann ihren Raum. Wie Monty gesagt hatte, saßen Remus und Peter auf Remus‘ Bett, ein ganzer Stapel an Büchern zwischen ihnen ausgebreitet, während Ersterer seinen Zauberstab erhoben hatte und dem anderen Schüler geduldig etwas erklärte.
„Du musst – ah. Da seid ihr ja“, unterbrach Remus seine Ausführung. „Lass mich raten; man hat euch erwischt?“ Der Anflug eines Grinsens schlich sich auf seine Züge. „Wer hätte das nur kommen sehen?“
„Oh, sei ruhig, Lupin“, meinte Sirius und warf sich auf sein eigenes Bett. „Nur zu deiner Information, der Zauber hat einwandfrei funktioniert. Wäre Minnie nicht in genau dem Moment um die Ecke gekommen, dann wären wir auch damit davongekommen.“
„Selbstverständlich wärt ihr das.“
„Wie viele Punkte habt ihr verloren?“, fragte Peter aufgeregt.
„Zwanzig jeder“, meinte James mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Keine große Sache, ehrlich. Die bekommen wir am Montag noch vor dem Mittag wieder rein.“
„Besonders wenn Evans wieder ihren absolut perfekten Zaubertrank zusammenbraut“, kicherte Sirius. „Slughorn frisst ihr doch jetzt schon aus der Hand.“
James setzte sich auf sein Bett und gähnte lautstark. Er rieb sich über die Augen, bevor er verkündete: „Ich habe beschlossen, dass wir jetzt alle eine Gruppe an Freunden sind.“
„Bitte was hast du?“, fragte Sirius. „Hast du zu viele Dämpfe vom Kesselschrubben eingeatmet?“
„Klappe.“ James nahm die Brille vom Gesicht und wischte sie an seinem Hemd sauber, bevor er sie langsam wieder aufsetzte. „Wir haben doch richtig gut bei der Planung von der ganzen Sache zusammengearbeitet. Peter hatte die tolle Idee“, Peter strahlte bei diesem Lob, als ob ihm jemand einen ganzen Sack Galleonen geschenkt hätte, „Remus hat den Zauber verbessert und wir beide haben ihn bis zur Perfektion ausgeführt. Ein Blinder könnte diese atemberaubende Dynamik erkennen.“
Remus klappte mit einem lauten Knall sein Verwandlungsbuch zu. „Wie kommst du darauf“, fragte er leise und beherrscht, „das einfach zu bestimmen? Wer hat dich zum Anführer gemacht?“
James öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber schloss ihn direkt wieder. Das war nicht unbedingt die Reaktion, die er erwartet hatte. Wo blieben denn die Freudensprünge?
„Ich für meinen Teil kann mich nicht erinnern, gefragt zu haben, dass ihr mit mir befreundet seid“, führte Remus weiter.
„Dafür fragt man auch nicht, du Spinner“, sagte Sirius träge, eine Hand auf dem Mund, um ein Gähnen zu unterdrücken. „Niemand fragt danach, ob man befreundet sein will. Man wird es einfach.“
„Aber –“
„Nichts aber, Lupin.“ Mit den Ellbogen in die Matratze vergraben, richtete Sirius sich auf. „Was, hast du etwa vor, die nächsten sieben Jahre an der Schule keinen einzigen Freund zu haben und wie ein Parasit neben uns zu existieren? Willst du dich in deinen Büchern vergraben und kein bisschen Spaß im Leben haben? Es wird dich nicht umbringen, mit uns befreundet zu sein“, fügte er grinsend hinzu. „Auch wenn James es sicher nicht einfach machen wird.“
„Oy!“
„Der Punkt ist, dass du nichts dagegen sagen kannst, dass wir uns alle bisher super verstehen und sogar gut zusammenarbeiten. Unsere Gehirne denken gleich, wir sind wie in einem gut geölten Uhrwerk.“ Sirius gestikulierte wild mit seiner Hand herum. „Und jetzt stell dich nicht so an, Lupin, und sei unser Freund.“
Plötzlich waren alle Blicke auf Remus gerichtet, der rot angelaufen und sein Gesicht hinter dem Verwandlungsbuch versteckt hatte. James hatte das ungute Gefühl, dass er jeden Moment anfangen würde zu heulen, wurde aber eines Besseren belehrt, als ein lautes Lachen von dem Jungen kam. „Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du ein großer Trottel bist, Black?“
„Oh, das bekomme ich mindestens zwei Mal am Tag zu hören“, grinste Sirius.
Remus nahm das Buch vom Gesicht, sein Lächeln ebenso breit und erhellend wie das des Black-Sohns. Es ließ seine blasse Haut weniger kränklich wirken, die vielen Narben weniger bedrückend. „Und trotzdem hast du immer noch so ein aufgeblasenes Ego“, sagte er kopfschüttelnd. „Schön. Na schön!“
„Na schön?“, fragte James. „Heißt das, du stimmst zu und wir sind jetzt alle die besten Freunde?“
„Ich werde das sicherlich bereuen, wenn ihr mich ungefragt in irgendwelche Pläne und Streiche einbezieht, die uns Nachsitzen einbringen werden, aber – ja. Ja, ich stimme zu.“ Remus konnte kaum zu Ende reden, da hatten sich James und Sirius unabgesprochen schon mit einem lauten Freudenschrei auf ihn geworfen. „Oof!“
„Du wirst es nicht bereuen“, sagte Sirius lachend, der Peter ebenfalls mit in ihren Angriff gezogen hatte.
„Ich fange jetzt schon damit an“, brachte Remus etwas atemlos aber ebenfalls lachend hervor. Sein Gesicht war rot und die Augenwinkel glänzten. „Geht runter von mir, ihr brecht mir ja noch alle Knochen!“
„Niemals“, erwiderte James, dessen Brille schief von seinem Ohr hing.
„Selbst Schuld“, meinte Peter achselzuckend, der irgendwo unter James‘ Bein lag. „Du hattest ja die Chance, abzuhauen.“
Remus versuchte etwas zu erwidern, aber Sirius drückte ihm eine Hand auf den Mund. „Shhh, Lupin, shhh. Gleich wird alles bes- IH! Leck mich nicht an, Lupin.“
„Dann geh von mir runter, Black.“
„Zwing mich doch dazu.“
„Würde ich, aber du liegst auf meiner Hand.“
„Dein Pech, würde ich mal sagen.“
„An deiner Stelle würde ich lernen mit offenen Augen zu schlafen.“
„Du bist nicht wirklich bedrohlich, Lupin. Ist so, als ob ein kleiner Welpe mich anbellt.“
Peter kicherte unter James‘ Körper atemlos und murmelte: „Da haben sich ja zwei gefunden.“
„Die beiden streiten wie ein altes Ehepaar“, erwiderte James lachend.
„Tun wir nicht!“, sagten Sirius und Remus gleichzeitig.
Ein kurzer Augenblick der Stille nahm den Schlafsaal ein, dann fingen alle vier Jungs lautstark an zu lachen, bis ihnen die Bäuche weh taten und sie mit roten Gesichtern und tränenden Augen nach Luft schnappen mussten. Ab diesem Moment waren James, Sirius, Peter und Remus Freunde – beste Freunde, würde James sogar sagen. Vollkommen egal, ob sie sich zwei Tage oder zwei Jahre kannten. So schnell würde nichts zwischen Gryffindors neuster Gruppe an Meisterstreichespielern kommen.