Mary Macdonald
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Mary blickte sich im Gemeinschaftsraum um, ehe sie die Entscheidung traf, dass sie ihre Ruhe brauchte. Kurzerhand ging sie aufs Portraitloch zu, kletterte hindurch und landete im seicht beleuchteten Gang im siebten Stock. Die Fette Dame brummte lediglich, als das Bild hinter ihr wieder zuschlug. Obwohl es bereits September war, war es warm genug im Schloss, dass Mary ohne ihren Umhang nicht fror. Sie war sich sehr wohl bewusst, dass sie die Ausgangssperre gerade brach, aber war der Meinung, dass das am ersten Tag nicht sonderlich schlimm war. Wenn sie in jemanden hineinlaufen würde, dann könnte sie sicher eine Ausrede zusammenspinnen. Kopfschmerzen klappten immer.
Als Mary die Gänge langsam entlang wanderte und immer mal wieder den Mondschein vor den großen Fenstern zu Gesicht bekam, beruhigte sich ihr Atem. Sie hatte so sehr daran gedacht, dass alles, was sie tat, ihr das Leben schwer machen würde, dass sie gar nicht realisiert hatte, wie schön es abends war, wenn der Mond den Rasen vor dem Schloss in weißes Licht tauchte, wenn der Schwarze See wie ein Spiegel lag und wenn der Verbotene Wald sich wie eine Einheit im sanften Wind der Nacht wiegte. Im Schloss war es nie ganz dunkel, nie ganz abgedichtet, sodass sie im sanften Schein einer niederbrennenden Fackel den schwachen Wind genoss, der durch eine Ritze im Gemäuer auf ihr Gesicht fiel. Es war angenehm und erholsam und wirkte Wunder gegen ihre wirren Gedanken. Wenn Mary könnte, dann würde sie einen sanften, erholsamen Wind einfach in eine Flasche füllen und mit sich tragen. Merlin wusste, dass sie es gebrauchen konnte.
Je länger sie allein durchs fast dunkle Schloss wanderte, einen Fuß langsam vor den anderen setzte und sich nicht kümmerte, ob sie Geräusche verursachte, desto eher verstand sie, was sie Jungs aus ihrem Jahrgang so sehr daran fanden, nachts aus dem Gemeinschaftsraum zu schleichen. Sie hatte sie für die typischen Idioten gehalten, die einfach nur gerne Regeln brachen, doch sie verstand. Das Schloss am Tag war gänzlich anders. Es war laut, es war voll, es war immer etwas los. Nachts schliefen alle. Nachts konnte Mary die Gänge so langsam entlangwandern, wie sie wollte, ohne dass jemand sie anrempelte, ohne dass jemand aus dem Mundwinkel: „Schlammblut“, flüsterte. Ohne, dass jemand sie nicht wirklich wahrnahm.
Als sie in einen Gang im vierten Stock einbog, realisierte sie allerdings, dass sie nicht allein war. Das unmissverständliche Echo von Stimmen wehte ihr entgegen, zusammen mit dem abendlichen Wind, der durch die Gänge fegte. Sie konnte nicht ausmachen, wer dort redete, aber sie konnte zumindest, dass sie in der Nähe waren. Gerade noch überlegte sie, ob sie umdrehen oder sich in eine Klassenzimmer flüchten sollte, als ein schmaler Lichtstrahl um die Ecke fiel. Dem Licht folgten zwei paar Füße und weitere Stimmen.
„ – haben die Schlammblüter doch niemals kommen sehen. Die würden nicht mal mitbekommen, wenn ihnen Thestral-Scheiße ins Gesicht fliegt.“
„Liegt aber auch daran, dass die genauso dumm wie Muggelabschaum sind.“
Mary erkannte die beiden sofort als Mulciber und Avery aus Slytherin und verfluchte sich, dass sie nicht einfach irgendwo Zuflucht gesucht hatte.
Mulciber erkannte Mary ebenfalls und blieb abrupt stehen. Licht fiel aus der Spitze seines Zauberstabes, den er vor sich gestreckt hielt, sodass der Großteil seines kantigen Gesichtes im Halbschatten lag. „Wenn man davon redet.“
„Ein Schlammblut“, sagte Avery langsam. „Was machst du hier?“
„Das könnte ich euch auch fragen“, erwiderte Mary mit lauter Stimme. Vielleicht würde sie Glück haben und einen Lehrer alarmieren können, bevor diese Slytherin-Idioten noch auf dumme Ideen kamen. Von Lily hatte sie oft genug gehört, was das für Typen waren und gesehen hatte sie es auch. Das waren Typen, die es witzig fanden, wenn im Propheten wieder etwas von Angriffen auf Muggel stand. Das waren außerdem Typen, die die dunkle Magie fast schon wie Magnete anzuziehen schienen. Mary wollte nicht wissen, was für widerwärtige Magie die beiden bereits beherrschten und noch weniger wollte sie es am eigenen Leib erfahren. Noch während sie redete, zog sie den Stab hervor.
Ein unschönes Lächeln zeigte sich auf Mulcibers grobschlächtigen Zügen. „Ich glaube, wir haben zuerst gefragt. Außerdem haben wir wesentlich eher ein Anrecht darauf, in dieser Schule zu sein, Macdonald. Immerhin haben wir keinen Dreck in den Adern.“
„Dafür im Hirn“, sagte Mary, bevor sie sich daran hindern konnte. Sie presste die Lippen zusammen.
Mulciber lachte leise. „Du bist ganz schön frech für ein Schlammblut.“
„Vielleicht sollten wir ihr eine Lektion erteilen“, meinte Avery. „Dann lernt sie vielleicht, die Obrigkeit zu respektieren.“
Mary konnte ihr Schnauben nicht verhindern. „Obrigkeit“, sagte sie leise. „Damit meinst du hoffentlich nicht dich selbst. Dein ganzer Stammbaum ist rund wie ein Kreis. Sind deine Eltern nicht Geschwister?“ Sie hatte keine Ahnung, warum sie das sagte, aber sie wusste, sie würde sicherlich nicht kleinbeigeben. Diese Reinbluttrottel, von denen sie viel zu viel gehört hatte, wussten einfach nicht, was sie sagten. Sie hatte von Sirius genug mitbekommen, um zu wissen, dass die meisten Familien aus diesem Heiligen Zirkel oder wie auch immer die sich nannten, nicht vor Inzucht zurückschreckten. Sirius´ eigene Eltern waren Cousins, deswegen hatte sie auch nie an seinen Worten gezweifelt.
Selbst im schwachen Licht konnte sie erkennen, wie Averys blasse Haut puterrot anlief. Er zückte seinen Zauberstab und deutete ihn mit zitternder Hand auf sie. „Das nimmst du sofort zurück, du widerliche Missgeburt!“
Mary kannte die Theorie eines Schutz-Zaubers und hoffte, dass sie ihn auch umsetzen konnte. „Zwing mich doch dazu“, sagte sie.
„Stupor!“, schrie Avery.
„Protego!“, rief Mary im gleichen Moment aus.
Ein rot blitzender Zauber schoss aus Averys Stab, sirrte wie ein verirrtes Gewitter durch den Korridor, bis er schließlich gegen Marys kaum sichtbaren Schutzschild krachte und in einem Unheil an Funken und Licht zerbarst. Marys Schild schwankte, stand aber noch.
Erstaunt von ihrer eigenen Leistung blickte sie erst auf ihren Schild, dann nach vorn zu den beiden Slytherins. Ein gewinnendes Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus. Das warme Gefühl der Party war Verschwunden, Vergessen waren ihre dummen Gefühle für James, die alles nur verhunzten. Stattdessen floss Hochmut durch ihre Venen, wie die kraftvolle Magie, mit der sie gerade den Fluch abgewehrt hatte. Mary fühlte sich unendlich. „Ist das alles, was du draufhast? Wo ist denn diese Macht, die nur den Reinblütern zuteil sein soll?“
„Nicht schlecht“, sagte Mulciber. „Ein passabler Schildzauber. Für eine Drittklässlerin kein einfaches Unterfangen. Man könnte fast meinen, du wärst talentiert, Schlammblut.“ Er hob eine Hand, als wollte er ihr zuwinken. „Siehst du den Ring?“
Mary wusste nicht, was er von ihr wollte, aber warf dennoch einen raschen Blick auf seine erhobene Hand. Im Licht seines Stabs konnte sie das Aufblitzen von Metall erahnen. Ein schmales Silberring glänzte an Mulcibers Finger, mit einem Stein der Mitte, dessen Farbe sie nicht ausmachen konnte. „Was soll das sein? Dein Ehering?“
Ein kühles Lachen entkam ihm. „Natürlich nicht. Das ist ein Symbol meines Blutes. Es zeichnet mich als Mitglied einer sehr hochangesehenen Familie aus. Nicht, dass du davon etwas verstehen würdest, Macdonald. Du kannst nur davon träumen, dass irgendjemand mal deinen Namen kennen wird, wohingegen meiner in den Körper aller verankert ist, die etwas auf sich halten.“
„Lieber bin ich unbekannt, als nur deswegen bekannt zu sein, weil ich ein ignorantes Arschloch bin, das zu viel auf seine Herkunft gibt“, entgegnete sie.
„Du solltest wirklich lernen, wie du mit Reinblütern redest“, zischte Avery, der seinen Stab erneut erhob. „Andernfalls –“
Mulciber drückte mit seiner Ring-Hand Averys Arm herunter. „Ganz ruhig, Nestor. Das arme Schlammblut kann ja nichts dafür, dass es nicht weiß, was gut ist. Der ganze Dreck in ihren Adern muss ihr schwer zu schaffen machen.“
Mary biss sich heftig auf die Zunge und schmeckte Blut. Wutentbrannt ballte sie die Hände zu Fäusten, wodurch sich ihr Stab fest in ihre Haut drückte. Ihre Knöchel traten heller gegen ihre dunkelbraune Haut hervor. „Es wäre besser, wenn ihr verschwinden würdet“, sagte sie leise. „Professor McGonagall war auf dem Weg in den Gemeinschaftsraum und sie würde es sicher nicht gutheißen, dass ihr außerhalb eurer Betten seid.“
Ein kalkulierter Blick fiel auf Mulcibers Gesicht. „Eine schöne Geschichte, wenn sie doch nur stimmen würde.“ Mary gefror das Blut in den Adern. „Zufällig habe ich McGonagall im ersten Stock gesehen, wie sie in die Eingangshalle hinuntergelaufen ist. Es gab dort wohl einen kleinen Tumult.“
Das Lächeln, das auf seinen Lippen lag, ließ Mary frösteln. Sie konnte es zwar nicht beweisen, aber sie war sich sicher, dass er etwas damit zu tun hatte. „Was wollt ihr hier?“, fragte sie in dem Versuch, ihrer Stimme Mut zu verleihen. Der Gryffindor-Löwe, der normalerweise in ihr brüllen sollte, hatte bisher kaum mehr als gewimmert. Sie wusste, dass sie es in einem Duell nicht lang aushalten würde, schon gar nicht, wenn Mulciber ernst machte. Aus Verteidigung gegen die dunklen Künste wusste sie, dass er ein guter Duellant war, der einige fiese Tricks beherrschte. Und sie konnte sich definitiv sicher sein, dass er nicht fair spielen würde.
„Ich wüsste nicht, was dich das angeht, Macdonald. Es sei denn, du möchtest dich unserem abendlichen Spaziergang anschließen? Ich bin sicher, wir finden eine nette, ruhige Stelle, nur für uns und dann kannst du dich ein wenig nützlich machen. Muggel, so habe ich gehört, gehen äußerst gern auf die Knie, wenn man ihnen ein wenig nachhilft.“
Ein fieses Gackern entkam Avery.
Mary ballte die Hände fester zusammen. „Du bist ein widerliches Schwein“, sagte sie. „Ich will jetzt sofort wissen, was ihr vorhabt, ansonsten –“
„Crucio!“, rief Mulciber und ein gleißend heller Lichtblitz brach aus seinem Stab und raste mit unfassbarer Geschwindelt auf sie zu.
„Depulso!“
Statt von Mulcibers Fluch getroffen zu werden, wurde Mary aus dem Weg gestoßen und fiel unsanft einige Meter zur Seite, wo sie das Gleichgewicht verlor und zu Boden ging. Kaum war sie aufgekommen, rappelte sie sich wieder auf.
„Nur ein Feigling greift jemanden mitten im Satz an“, ertönte eine Stimme hinter Mary, die sie nicht zuordnen konnte.
Mulcibers Gesicht wurde rot mit Wut. „Du scheinst dich erholt zu haben“, sagte er zwischen zusammengebissenen Zähnen.
„Amateurarbeit“, erwiderte die Stimme und einen Augenblick später kam jemand neben Mary zu stehen.
Sie drehte den Kopf und erblickte ein Mädchen mit schulterlangen blonden Haaren, die in leichten Locken endeten, einem recht scharfkantigen Kinn und einer Nase die aussah, als wäre sie erst vor Kurzen gebrochen worden. Außerdem einem Paar von hellen grünen Augen, mit denen sie Mulciber anfunkelte, als wollte sie ihn mit einem Blick erdolchen.
„Du hast wohl noch nicht genug, du Freak“, zischte Avery mit leiser Stimme. „Willst wohl, dass ich noch mal auf deine hässliche Fratze trete.“
„Lieber nicht. Wer weiß, was für Krankheiten du mit dir bringst“, sagte Marys Retterin. Mit einem Blick zu ihr fügte sie an: „Das war ziemlich knapp.“
„Ja. Danke.“
„Liebend gern.“ Mit erhobenem Zauberstab ging sie einen Schritt vor. „Also. Wer von euch will dieses Mal in einem fairen Duell verlieren?“
Mulciber spuckte auf den Boden. „Dass du es noch wagst, uns anzusprechen.“
„Ich würde die Stimme unten halten. Professor McGonagall war nicht sehr begeistert, als ich ihr gesagt habe, ein paar Slytherins haben mich auf dem Weg in den Gemeinschaftsraum angegriffen haben. Ich bin mir sicher, dass sie gerade merkt, dass ihr noch nicht in euren Schlafsälen seid.“
Blässe ließ Averys Gesicht in der sanften Dunkelheit strahlen. Er zischte, als hätte er sich verbrannt. „Lass uns abhauen, Ennis.“
„Halt den Rand“, erwiderte Mulciber scharfzüngig. „Ich lasse mir sicher keine Angst von einem Freak und einem Schlammblut einjagen.“
Freak … Mary wurde unweigerlich an Lilys schreckliche Schwester erinnert, die dieses Wort liebend gerne verwendete. Was Mulciber wohl sagen würde, wenn er wüsste, dass er etwas mit einem Muggel gemeinsam hatte? „Das würde ich mir zwei Mal überlegen.“ Mary drehte ihren Arm, sodass ihr Stab wieder auf sein Gesicht deutete. „Ein zweites Mal lasse ich mich von dir nicht überrumpeln.“
Dazu sollte es gar nicht ersten kommen. Klackende, eilige Schritten wurden laut und eines erkannten die vier Schüler direkt – sie kamen in diese Richtung.
Mulciber und Avery tauschten einen raschen Blick, dann löschte Mulciber das Licht an seinem Stab. „Sieh dich vor, Schlammblut“, zischte er ein letztes Mal in Marys Richtung, bevor er seinen Kumpel grob an der Schulter packte und die beiden mit lauten Schritten verschwanden.
„Hier rein“, sagte Mary schnell, als Mulciber verschwunden war, ließ eine verschlossene Klassenzimmertür zu ihrer Linken auffliegen und eilte mit der unbekannten Schülerin hinein. Sie schloss die Tür wieder hinter ihnen und lauschte, konnte allerdings keine Schritte mehr hören. Sie nutzte den Moment und holte tief Luft, bevor sie sich wieder zu ihrer Retterin wandte. „Ich fürchte, ich kenne deinen Namen nicht.“
Ihr gegenüber lächelte die Schülerin. „Das würde mich auch wundern, immerhin hab ich ihn mir diesen Sommer erst ausgesucht. Ich heiße Alana.“
Mary zog die Augenbrauen zusammen. „Was soll das denn heißen? Ist das so ein Zaubererbrauch, den ich wieder nicht kenne?“
Alana lachte. „Nein. Oder zumindest glaube ich nicht, dass es das ist.“ Sie betrachtete Mary für ein paar Sekunden, als würde sie erwägen, ob sie sprechen konnte, dann fügte sie an: „Ich bin trans.“
„Trans?“ Mary fühlte sich veräppelt. Wovon bitte redete diese Alana und was sollte das alles überhaupt heißen?
Alanas Miene verdunkelte sich ein wenig. „Es überrascht mich nicht, dass du nicht weißt, was das ist. Man tut sehr viel dafür, dass so wenig Leute wie möglich überhaupt gut darüber Bescheid wissen.“
„Okay?“, sagte Mary. „Was ist dieses Trans denn nun?“
„Es heißt, dass ich mich nicht in dem Geschlecht wohl fühle, das mir bei der Geburt zugesagt wurde. Ich war die letzten Jahre als Junge sehr unglücklich, aber jetzt habe ich die ersten Schritte genommen und bin ein Mädchen.“
„Einfach so?“, fragte Mary erstaunt, die noch nie etwas davon gehört hatte. Das einzige, was sie in die Richtung kannte, waren die Drag Queens, die Männer, die sich wie Frauen schminkten und dann im Theater auftraten. Ob das irgendwie dasselbe war?
„Naja, so einfach ist es nicht“, sagte Alana. „Ich musste erstmal meine Eltern davon überreden, aber ich hab ziemliches Glück, dass sie mich dabei unterstützen. Jedenfalls hab ich jetzt einen neuen Namen und Professor Dumbledore hat dafür gesorgt, dass ich in den Schlafsaal ziehen kann, der mir am besten zusagt, aber ich schätze, diese beiden Neandertaler aus Slytherin haben davon Wind bekommen und wollten mir unbedingt ihre Meinung dazu mitteilen.“ Sie schnaubte, ehe sie das Gesicht zur Grimasse verzog und sich mit vorsichtigen Fingern an die Nase fasste.
Mary erinnerte sich daran, was Mulciber gesagt hatte. „Dann warst du der Tumult? In der Großen Halle?“
„Nicht freiwillig. Ich war auf dem Weg in den Gemeinschaftsraum, als die beiden mich angegriffen haben. Da hab ich auch das her“, fügte sie und deutete auf ihre gekrümmte, gerötete Nase.
„Autsch.“
„So schlimm ist es nicht“, wehrte Alana ab. „Ich geh morgen zu Pomfrey und dann richtet sie das. Hab sowieso einen Termin mit ihr.“
Mary zog die Augenbrauen. „Ich wusste nicht, dass man Termine mit der Schulheilerin machen kann.“
Alana lachte leise. „Mein Fall ist etwas besonders, schätze ich. Oder zumindest ist es besonders, wenn man bedenkt, dass ich die erste bin, die es öffentlich macht.“
So ganz hatte Mary nicht verstanden, was Alana da überhaupt sagte, aber sie vermutete, sie würde ihr keine Lügen erzählen, wenn es etwas so persönliches wäre. Außerdem hatte sie sie vor dem Fluch gerettet und das war alles, was für Mary wirklich zählte. Sie lauschte für einen Moment in die Nacht, konnte aber keine Schritte mehr hören. „Ich sollte zurück. Meine Freunde fragen sich bestimmt, wo ich bleibe.“
„Oh, richtig.“
Mary blickte Alana für einen Moment an, auch wenn sie sich nicht sicher war, was sie suchte. Jetzt, wo sie wusste, dass Alana ein Mädchen war, fand sie es seltsam, dass sie es nicht vom ersten Augenblick an gesehen hatte, schüttelte den Gedanken aber ab. Sicherlich wäre es nicht das beste Gesprächsthema, was sie andeuten könnte. Ihr Blick fiel auf ihre offensichtlich verletzte Nase und Mary zog die Augenbrauen dichter zusammen. „Soll ich dich in deinen Gemeinschaftsraum begleiten? Wer weiß, ob Mulciber nicht wieder irgendwo lauert.“
Ein Lächeln schlich sich auf Alanas Gesicht, eine beinahe schon sanfte Geste, die Mary von der groben Verletzung ablenkte, die das Gesamtbild störte. Obwohl das Klassenzimmer in Dunkelheit getaucht war, konnte sie das Glitzern in den Augen ihres Gegenübers sehen. „Glaubst du, ich könnte mich allein nicht zurechtfinden?“ Die freundliche Herausforderung in Alanas Stimme entging Mary nicht.
„Ganz und gar nicht. Ich will nur sichergehen, dass ich mich revanchieren kann, dass du mir geholfen hast.“
„Das Schuljahr hat grad begonnen“, erwiderte sie. „Ich bin sicher, du findest eine Möglichkeit.“