Sirius Black
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Wochen nach dem Halloweenfiasko war es noch immer eins der beliebtesten Gesprächsthemen der ganzen Schule. Es verging kein Tag, an dem nicht irgendjemand es wieder ansprach und dann lächerliche Details in seine Erzählungen einband, die so niemals passiert waren. Es gab Gerede von Fledermäusen so groß wie Findlinge, die Schüler in die Lüfte gezerrt hatten, dass der riesige Kürbis versucht hatte, Dumbledore zu fressen – der die ganze Sache überaus amüsant gefunden hatte – oder dass die Vögel zusammen durch die Decke gebrochen waren und nun als wilde Jagd durch den Verbotenen Wald flogen. Dadurch, dass jeder wusste, wer für diesen Streich verantwortlich war, war es für die vier Gryffindor-Erstklässler schwierig, irgendwo hinzugehen ohne erkannt und lauthals bejubelt zu werden.
Für James und Sirius war es ein wahrgewordener Traum. Siebtklässler schüttelten ihnen die Hände und gratulierten ihnen für ihre beeindruckende Zauberei, Ravenclaws aus allen Jahrgängen wollten wissen, welche Zauber sie für die Verwandlung genutzt hatten und selbst Professor Flitwick war sehr interessiert daran gewesen, wie sie es geschafft hatten, seine sonst so friedlichen Raben und Krähen so aufzurauen. Jedes Mal, wenn ihnen jemand über den Gang hinweg ein Lob zurief, strahlten die beiden Jungs, als hätten sie den jährlichen Goldpreis des Tagespropheten gewonnen.
James‘ Eltern hatten einen sehr wütenden Brief geschrieben, als sie davon erfahren hatten. Anscheinend hatte Professor McGonagall ihre Eltern über die Schwierigkeiten informiert, die ihre Kinder in der Schule verursacht hatten. Euphemia und Fleamont waren enttäuscht von ihrem Sohn und dass er so einen Unsinn anstellen würde, hätten sie nie für möglich gehalten, Walburga Black hatte einen weiteren Heuler geschickt und Sirius mit ein paar sehr gewählten, wüsten Worten beleidigt, die den Jungen noch Tage danach aufgewühlt hatte. Der erste Heuler hatte ihn zu einem mürrischen Schatten seiner Selbst werden lassen, aber der zweite hatte ihn mitten ins Herz getroffen. Er wusste, dass seine Mutter eine grauenhafte Kreatur war, die ihren eigenen Sohn häuten würde, wenn man es ihr befehlen würde, aber dass sie ihn so derart beleidigen und vor der ganzen Schule bloßstellen würde… Lediglich den Jubelrufen und dem Beifall der anderen Schüler war es zu verdanken, dass Sirius nicht erneut in ein Loch gefallen war.
Von Peters Mutter kam ein ellenlanger, detaillierter Brief, wie enttäuscht sie von ihrem Sohn sei und dass er sich auf jeden Fall mit den falschen Leuten einließ und dass er doch nie wieder Kontakt mit solchen Rabauken und Tunichtguten suchen sollte. James fand es ziemlich witzig, dass man ihnen einen Tunichtgut nannte.
Der schlimmste Brief war allerdings von Hope Lupin gewesen. Eine kurze Notiz, eine kleine Nachricht, dass sie sehr traurig darüber war, dass Remus sich so daneben benahm und hoffte, dass er in Zukunft bessere Wahlen treffen würde – mehr nicht. Für Remus, der unfassbar blass bei dem Brief seiner Mutter geworden war, war es schlimmer, als angeschrien zu werden. Sirius wusste nicht genau, warum es seinen Freund so sehr traf, dass Hope nur ein paar wenige Worte für ihren Sohn übrig hatte, aber dann wiederrum wusste Sirius auch nicht, wie eine richtige Mutter-Kind-Beziehung überhaupt aussehen sollte. Die wenigen Informationen, die er Remus entlocken konnte, ließen auf eine sehr enge Beziehung mit seiner Mutter sprechen.
Nur wenige Tage nach dem Halloween-Fiasko ereilte Sirius ein sehr persönliches Fiasko – sein zwölfter Geburtstag. Für jedes andere Kind ein Grund zum Feiern, für Sirius ein Tag voller Unannehmlichkeiten und unerträglichen Gesprächen mit Leuten, die ihn nicht interessierten. Zwar musste Sirius für diesen Geburtstag nicht im Grimmauldplatz eine schreckliche Party ertragen, in der seine Eltern ihn mit vorgetäuschtem Stolz an wichtige Erwachsene reichten, damit diese ihm viel Glück wünschen und einen kleinen Check in die Hand drücken konnten, den Orion Black einkassieren würde, aber die Alternative war nicht gerade besser. Am Morgen in der Großen Halle wurde Sirius von Narzissa erwartet, seiner schrecklich nervigen Cousine – sie drückte ihm eine widerlich riechende Einladung in die Hand, dass er doch seinen Geburtstagstee mit ihr und ihren Schwestern in der Black-Manor verbringen sollte.
Genauso gut hätte sie ihn vom Astronomieturm stoßen können. Black-Manor war das Haus, das seine Mutter immer haben wollte. Es gehörte Narzissas Eltern, Cygnus und Druella Black, die dort mit ihrer ältesten Tochter Bellatrix und ihrem Verlobten Rodolphus Lestrange lebten. Ein Tee mit den Black-Schwestern war das grausamste Geschenk, dass man ihm je gemacht hatte und leider hatte Professor McGonagall ihm die Erlaubnis erteilt, dafür den Nachmittagsunterricht ausfallen zu lassen, auch wenn sie dabei nicht sonderlich glücklich ausgesehen hatte.
Narzissa, Bellatrix und Druella Black hatten Sirius die ganze mit einem Gesicht voll Ekel betrachtet, als wäre er eine widerliche Kakerlake, die sich an den Tisch verirrt hatte und nicht der Erbe des gesamten Black-Vermögens. Es waren ätzende drei Stunden voller schaler Konversation, gehässigen Bemerkungen und dem unerträglichen Wunsch, seiner Tante Druella eine Kuchengabel zwischen die Augen zu rammen, wann immer sie ihr hässliches Mundwerk öffnete. Sirius war nach dem Tee so zermürbt gewesen, dass er Remus‘ Abwesenheit vom Schlafsaal erst am nächsten Morgen bemerkt hatte.
Der blasse Junge hatte den Unterricht am nächsten Tag und dem darauf verpasst und kam erst am Samstagmorgen wieder zurück in den Gemeinschaftsraum, müder, blasser und zerschundener als sonst.
„Wo bist du gewesen?“, fragte Sirius mit besorgt zusammengezogenen Augenbrauen.
Remus mied seinen Blick. „Zuhause. M-meine Mutter ist krank.“ Für ihn war das Gespräch damit beendet gewesen, aber nicht für Sirius.
„Du besuchst deine kranke Mutter Zuhause, aber kommst mit einer neuen Narbe am Arm wieder?“ Sirius verschränkte die Arme und reckte das Kinn, während Remus die Ärmel seines Umhangs tiefer zog. „Ich glaub dir kein Wort.“
„Es stimmt aber“, murmelte Remus. „Es geht ihr nicht gut.“
„Was hat sie denn?“, fragte er. „Und woher kommt die neue Narbe, Remus?“
Aber Remus wollte nicht mit der Wahrheit rausrücken. Er bestand darauf, dass seine Mutter krank war und er sie besuchen musste und dass er keine neue Narbe hatte. Als Sirius seinen Ärmel hochzerren wollte, damit er sie besser sehen konnte, zog James ihn zurück. „Beruhige dich, Black“, hatte er in sein Ohr gemurmelt. „Lass ihn. Er wird schon seinen Grund haben.“
Sirius wusste, dass James Recht hatte, aber es brachte ihn zur Weißglut. Wieso hatte einer seiner besten Freunde Geheimnisse vor ihm, wurde einmal im Monat krank oder musste seine Mutter besuchen fahren und kam dann noch schlimmer aussehend wieder, als er ohnehin schon tat? Woher kamen diese verdammten Verletzungen, mit denen Remus Lupin immer wieder auftauchte? Wurde er Zuhause etwa misshandelt? Schlug sein Vater ihn? Sirius war bereit zu glauben, dass seine Mutter krank war, aber Remus sagte nie etwas über seinen Vater. Alles, was Sirius über Lyall Lupin wusste, hatte James ihm erzählt, der es von seinem Vater wusste. Remus hatte nicht ein Wort über sein Zuhause verloren.
„Es gibt sicher logische Erklärungen dafür“, versicherte James ihm ruhig, als Sirius eines Nachts darüber mit ihm redete. „Remus ist unser Freund, oder? Wenn er uns nicht die Wahrheit erzählt, dann hat seinen Grund. Glaubst du echt, er würde immer wieder nach Hause fahren, wenn man ihn dort misshandeln würde?“
Sirius musste zähneknirschend zugeben, dass es nicht so wirkte, als ob das wahr sein könnte. Obwohl er sich weiterhin seinen Kopf darüber zerbrach, was Remus vor ihnen verbergen könnte, kam er auf keine Antwort, die alles erklärte. Er war schon drauf und dran zu glauben, dass sein blasser Freund ein Vampir sei, aber ein paar einfache Tests (Remus‘ Spiegelbild einfangen und ihn mit einem ganzen Knoblauchzopf bewerfen) stellten auch diese These als falsch dar.
Die Weihnachtsferien standen bevor – für James und Peter ein Grund zu Feiern und selbst Remus wirkte glücklich, dass er für ein paar Tage nach Hause fahren würde. Marlene McKinnon erzählte allen, die es wissen wollten, dass sie sich wahnsinnig darauf freute, ihren älteren Bruder zu sehen, der für die Feiertage extra aus dem Ausland anreisen würde. Aus ihrem Jahrgang – wahrscheinlich sogar aus der gesamten Schule – war Sirius der einzige, dem Weihnachten wie ein böses Omen vorkam. Es würde das erste Mal seit seiner Einteilung und seit dem Halloween-Fiasko sein, dass er seine Eltern persönlich wiedersehen würde. Und Sirius hatte eine wahnsinnige Angst davor. Er glaubte nicht mehr daran, dass Remus bei sich zuhause misshandelt und eventuell geschlagen wurde, wusste dafür aber umso genauer, dass es im Grimmauldplatz Nummer 12 auf jeden Fall dazu kommen könnte. Genau wie Remus sein Geheimnis über seine mysteriösen Verletzungen für sich behielt, behielt auch Sirius seine düstere Vorstellung des kommendes Weihnachtens für sich.
Wenn es eines gab, dass Walburga Black mehr liebte als das angehäufte Gold der Familie, dann waren es Disziplin und Loyalität. Sie würde es nicht auf sich ruhen lassen, dass Sirius weiterhin in Gryffindor war, noch würde sie ihn seicht davonkommen lassen, dass er für solch einen Tumult gesorgt hatte. Walburga hatte es ihm schon mehrmals bewiesen, dass sie nicht davon zurückschreckte, Magie zur Bestrafung zu nutzen. Wie oft wurde Sirius in sein Zimmer gesperrt, wenn er sich einen Spaß erlaubt hatte, wie oft wurde ihm die Stimme aus der Kehle geraubt, wie oft hatte er das schlechte Ende des Zauberstabes erfahren müssen? Sirius konnte nicht mehr zählen, wie oft seine Mutter versucht hatte, ihn nach ihrem Bild zu formen, ihn zu einem perfekten kleinen Erben zu mustern, der nicht fragte, sondern nur tat, was man von ihm verlangte.
Sirius war lange keine Marionette mehr in Walburgas krankem Spiel. Er würde sich nicht einer Tyrannin unterjochen, die ihre Kinder nicht lieben konnte.
Damit James sich keine Sorgen um ihn machen würde, wenn er zu Weihnachten nach Hause fuhr, hatte Sirius sich nichts von seinen Ängsten anmerken lassen. Er lachte am lautesten und er grinste am breitesten, wann immer es nötig war und lediglich nachts, wenn keiner seiner Freunde sein Gesicht sehen konnte, ließ er zu, dass die angstvollen Tränen seine Wangen benetzten. Sirius spuckte gerne große Töne, er setzte sich gerne auf den höchsten Thron, den er finden konnte, aber in Wahrheit hatte er eine noch größere Angst vor seiner Mutter, als er sich eingestehen wollte. Er wusste nicht, wann bei ihr eine Grenze erreicht war, wann sie den Zauberstab zücken und zu einem schlimmeren Fluch greifen würde, wann sie ihn wirklich dafür bestrafen würde, dass er nicht der Sohn war, den sie sich gewünscht hatte. Wie sollte er seinen Freunden denn ins Gesicht sehen, wenn er wie ein Kleinkind in seinem Bett heulte und Angst vor seiner eigenen Mutter hatte? Nein. Sirius Black war vieles, aber er würde kein Feigling sein. Er würde nach Hause fahren, er würde den Grimmauldplatz Nummer 12 ohne den Hauch von Furcht betreten und er würde die Weihnachtsferien mit seinen Eltern, seinem Bruder und den Rest der Black-Familie verbringen, ohne dass man ihm ansehen würde, wie sehr er jede Sekunde davon hasste.
Sirius Black war kein Feigling.
Es war der Abend vor ihrer Abreise, als seine Nerven dennoch blank lagen. James und Peter waren in ein intensives Spiel Gobstein vertieft und Remus hatte es sich bei Lily, Mary und Marlene gemütlich gemacht, die sich gemeinsam über ihre Pläne für Weihnachten unterhielten. („Ich kann es kaum erwarten, meiner Schwester all meine guten Noten zu zeigen“, sagte Lily aufgeregt. „Dann wird sie bestimmt erkennen, wie toll es ist, dass ich eine Hexe bin. Das hat Sev auch gesagt, wisst ihr?“ – „Ich hoffe, mein Bruder bringt mir was Cooles mit“, meinte Marlene nachdenklich. „Er hat versprochen, dass ich dieses Jahr das beste Weihnachtsgeschenk aller Zeiten bekommen würde!“)
Sirius wollte kein Miesepeter sein, aber es fiel ihm schwer, sich auf die kommende Zugfahrt und Anreise am Grimmauldplatz zu freuen, wenn all seine Freunde darüber redeten, was für schöne Ferien sie haben würden.
Als hätte James geahnt, was in seinem Kopf vor sich geht, sagte er: „Du kannst uns auch besuchen kommen, Sirius. Meine Mum hat gesagt, sie würde sich freuen, dich bei uns zu haben.“
„Geht nicht“, erwiderte Sirius knapp, aber mit einem dankbaren Lächeln. „Meine Mutter würde es nicht erlauben. Schon vergessen, sie denkt ihr wärt alle dreckige Blutsverräter.“
James grinste. „Das macht es doch umso besser, oder?“
„Glaub mir, wenn ich könnte, dann würde ich“, sagte Sirius. „Aber für die Familie Black ist Weihnachten traditionell sehr wichtig.“ Er verdrehte die Augen. „Was auch nur heißt, dass die Erwachsenen sich betrinken werden, Geld hin und her schieben und die Erfolge ihrer Kinder vergleichen. Kanns kaum erwarten, von meinen Eltern als die Enttäuschung dargestellt zu werden, die sie sich immer gewünscht haben.“
Stirnrunzelnd fragte James: „Aber du wirst das schon aushalten, ja?“
„Komm schon, Potter, wer wird denn da sentimental? Glaub mir, ich hab genug Erfahrung darin, ein paar reiche Snobs zu unterhalten und mich in einem guten Licht darzustellen. Ich fasle einfach was davon, wie traurig ich bin, nicht in Slytherin zu sein und dass der Sprechende Hut und Dumbledore irgendwelche unnützen Tölpel sind und schon fressen sie mir alle aus der Hand und meine Eltern haben am Ende des Tages ein paar Galleonen mehr in der Tasche. So läuft das eben bei uns.“
„Das klingt nicht nach einem schönen Weihnachten“, erwiderte Peter, der sich ein wenig der sauren Flüssigkeit aus den Gobsteinen aus dem Gesicht wischte.
„Es gibt nichts Schönes, wenn man ein Black ist“, zuckte Sirius mit den Schultern. „Deswegen erwarte ich auch absolut unglaubliche Geschichten von euch, wenn wir wieder da sind, klar? Ihr müsst mir alles erzählen, dann fühlen sich meine Ferien vielleicht auch nett an.“
Sirius war noch nie jemand gewesen, der neidisch geworden war, aber seit er von James gehört hatte, wie seine Familie die Weihnachtsfesttage jedes Jahr verbrachten, hatte er das erste Mal einen unerklärlichen Neid auf seinen besten Freund verspürt. Wieso hatte James den Gewinn des Jahrtausends gezogen und war der Erbe einer liebevollen Familie, während Sirius von seiner Mutter kaum mehr beachtet wurde als die Ratten im alten Gemäuer ihres Hauses? Wieso gab es im Grimmauldplatz Nummer 12 kein berauschendes Weihnachtsfest mit goldenem Lametta und einem riesigen Baum mit Bergen an Geschenken? Es erschien Sirius sehr unfair, dass James Potter all das hatte, was Sirius sich immer gewünscht hatte.
„Dann musst du wenigstens im Sommer zu uns kommen“, sagte James aufgeregt. „Sag deinen Eltern einfach, du besuchst deinen Onkel Alphard oder so, das werden sie erlauben.“
„Und was mach ich, wenn sie unangekündigt bei Onkel Alphard auftauchen, aber der kleine Sirius Black ist nicht da, um abgeholt zu werden?“, erwiderte Sirius knirschend. „Kumpel, ich würde nichts lieber tun, als acht Wochen lang in deinem Anwesen zu faulenzen und dich im Quidditch fertig zu machen –“
„Pah“, murmelte James, „das werden wir ja sehen.“
„ – aber meine liebste Mutter würde mir das nur dann erlauben, wenn deine Familie plötzlich anfangen würde, Muggel zu hassen. Sieh es ein, Mann, das wird nichts.“ Sirius hatte nicht vorgehabt, so bitter zu klingen. Zwei besorgte Paar Augen landeten auf ihm.
„Du könntest auch meine Familie besuchen“, schlug Peter vorsichtig vor und Sirius musste sich stark zusammenreißen, den anderen Jungen nicht auszulachen.
„Danke, Pete“, sagte er stattdessen, seine Stimme kontrolliert und ruhig. „Nächstes Mal vielleicht.“
James warf seinen nächsten Stein und stöhnte. „Das ätzt doch“, meinte er. „Sie sollten dir nicht verbieten können, mit wem du deine Zeit verbringst.“
Sirius war wirklich dankbar für James, aber manchmal könnte er den anderen Jungen erdrosseln, wenn er wieder so dämliche Sachen sagte. Es lag nicht in der Natur der Familie Black, ihre Kinder liebevoll und großzügig aufzuziehen – Regeln, Grenzen, Verbote, das gab es zuhauf. Sirius hatte die vielen unterschiedlichen Bestecksorten bei einem schicken Dinner auseinanderhalten können, bevor man ihn aus den Windeln geholt hatte. Jeden Tag aufs Neue wurde er daran erinnert, dass er nichts mit Muggeln, Muggelliebhabern oder gar Muggelgeborenen zu tun haben sollte. Seine Eltern hatten sehr gewählte Worte für Leute wie James‘ Eltern über und Sirius war sich sicher, wenn Walburga und Orion ihn auch nur ansatzweise liebevoll aufgezogen hätten, dann wäre er ihnen ein perfektes Ebenbild geworden. Also eigentlich musste er seinen Eltern dankbar dafür sein, dass sie so in ihrer Erziehung versagt hatten – nur so konnte Sirius zu jemandem heranwachsen, der Schwarz von Weiß unterscheiden konnte.
Den Rest des Abends verbrachten die Jungs damit, Sirius‘ Familie nicht mehr zu erwähnen und in dem Glauben zu bleiben, dass die Ferien für sie alle eine angenehme Zeit werden würden. Peter erzählte ihnen aufgeregt von den Aktivitäten, die seine Mutter mit ihm und seiner Schwester Phyllis vorhatte und James war Feuer und Flamme, bereits jetzt den Inhalt seiner Geschenke zu erraten. Er war sich sicher, den neuen Rennbesen zu bekommen, den er sich mit seinem Vater in der Winkelgasse angeschaut hatte und sicher würde seine Mutter ihm wieder ein ganzes Blech mit seinen Lieblingskeksen backen. Sirius tat sein Bestes, sich für seinen besten Freund zu freuen.
Selbst Remus, der wieder zu ihnen gestoßen war, nachdem die Mädchen sich in ihren Schlafsaal verabschiedet hatten, erzählte mit einem Glänzen in den Augen, dass er hoffte, mit seiner Mutter wieder rodeln gehen zu können. Auf den Hogwartsländereien wäre das kein Problem gewesen – Schnee bedeckte die Erde wie eine dichte, weiße Decke und fiel in dicken Flocken vom Himmel. Die Gewächshäuser mussten jeden Morgen von Professor Sprout mit einer ganzen Brigade an Wärmezaubern wieder aufgetaut werden, damit ihre geliebten Pflanzen nicht eingehen würden. „Die letzten Jahre gab es bei uns kaum Schnee“, erklärte Remus dem erstaunten James. „Wir hatten gerade mal genug für ein paar Schneebälle.“
„Echt? Krass, unser Garten ist jeden Winter vor Schnee gar nicht mehr zu retten! Pass auf, nächstes Jahr kommt ihr zu Weihnachten alle zu mir“, er mied dabei Sirius‘ Blick, „und dann veranstalten wir die größte Schneeballschlacht des Jahres!“
Remus versprach mit einem müden Lächeln, dass er mit seinen Eltern darüber reden würde.