Lily Evans
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Trotz Marys Proteste, wurde keine Party zu Lilys Ehren gefeiert. Das Abendessen verbrachte sie mit Severus, wo er ihr von einem unausgeglichenen Zaubertrankrezept erzählte, das er in ihren Schulbuch entdeckt hatte, bevor sie sich für den Rest des Abends mit den anderen Mädchen im Schlafsaal zurückzog. Marlene hatte einen kleinen Turm an Küchlein, Schokolade und Gebäck aus der Küche besorgt, während Dorcas und Emmeline ihre Sets von Zauberschnippschnapp mitgebracht hatten. Alle paar Minuten explodierte eine Karte und versengte den Mädchen beinahe die Augenbrauen. Es wurden Kekse gegessen und Kürbissaft getrunken, Marlene versuchte alle davon zu überzeugen, dass sie ihre eigene Quidditchmannschaft gründen sollten und Emmeline zeigte Lily, wie man sich mit einem Zauberspruch die Haare färbte.
Mit der Erlaubnis von Alice Fortescue, der Vertrauensschülerin, durften Emmeline und Dorcas die Nacht bei ihnen im Schlafsaal verbringen, mit dem Versprechen, dass sie am nächsten Tag keinen Unterricht versäumen würden. Auch wenn Mary dabei die Finger hinter dem Rücken gekreuzt hatte, hatten alle hoch und heilig versprochen, dass sie keinen Unfug anstellen würden.
„Ich war auch mal in der zweiten Klasse“, hatte Alice gesagt, als sie den Schlafsaal verlassen hatte. „Ich weiß, wenn jemand die Finger gekreuzt hat.“ Statt Emmeline und Dorcas rauszuwerfen, hatte Alice nur gezwinkert und sie dann allein gelassen.
„Eure Vertrauensschülerin ist so viel cooler als unsere“, sagte Dorcas, die es sich auf Marlenes Bett gemütlich gemacht hatte. Ihre Schuhe lagen in einer Ecke, ihr Umhang war unachtsam zusammengeknüllt worden und ein paar Krümel steckten in ihren dicken Locken. „Wenn wir auch nur eine Sekunde nach der Nachtruhe noch reden, dann droht sie uns sofort damit, Punkte abzuziehen und Professor Flitwick zu benachrichtigen.“
„Sie ist total die Spielverderberin“, stimmte Emmeline zu. Sie hatte sich ein paar Kissen zusammengesucht und sich auf dem Boden neben Marys Bett eine kuschelige Höhle gebaut, während sie gelangweilt mit dem Zauberstab in einer Hand wedelte und dabei ab und an die Farbe ihrer Socken änderte.
„Ich hoffe, ich werde niemals Vertrauensschüler“, meinte Mary den Mund voller Schokolade. „Dann müsste ich mich an die ganzen Regeln halten und könnte nicht mal mit meinen Freunden Partys feiern. Natürlich“, fügte sie übertrieben laut hinzu, damit Lily sie im Badezimmer auch deutlich hören konnte, „kann ich das jetzt auch nicht.“
Lily verdrehte die Augen im Spiegel, die Finger damit beschäftigt, ihre Haare zu einem Flechtzopf zu binden. „Hoffentlich ernennt Professor McGonagall mich zur Vertrauensschülerin, damit ich dir auch in Zukunft deinen Traum von unendlichen Partys ruinieren kann“, meinte sie.
Ein Kissen flog durch die offene Tür und rutschte über die Fliesen.
„Also so wirst du es nie ins Quidditchteam schaffen“, kommentierte Dorcas, woraufhin ein dumpfes Geräusch ertönte. „Hey!“
„Willst du das noch mal sagen?“, fragte Mary unschuldig klingend.
„Du – Na warte!“
Lily riskierte einen Blick in ihren Schlafsaal, in dem plötzlich Kissen, Schuhe und zusammengeknüllte T-Shirts durch die Luft flogen. „Oh Gott“, sagte sie, wich einem Geschoss aus, das beinahe ihr Gesicht getroffen hätte und zog dann ihren Zauberstab.
„Hey, keine Magie!“, sagte Marlene mit erhobenem Kissen. „Ich warne dich, Evans.“
„Was willst du tun, McKinnon?“, erwiderte Lily grinsend.
Marlene antwortete nicht, sondern pfefferte das Kissen in Lilys Richtung, welches sie direkt in den Bauch traf. Bevor Lily zurückwerfen konnte, rollte sie sich von ihrem Bett und nahm hinter dem Pfosten Deckung. „Keine Magie“, sagte sie erneut.
Lily steckte ihren Zauberstab ein, schnappte sich das Kissen und ließ es in hohem Bogen durch den Raum fliegen, bevor es an der Wand über Emmelines Kopf einschlug und langsam zu Boden glitt.
„Wow“, sagte Emmeline. „Das bedeutet Krieg.“
Für die kommenden vierzig Minuten gab es keine ruhige Minute mehr im Schlafsaal der Mädchen. Den einen Moment flogen Kissen und T-Shirts durch die Luft, als hätte ein fehlgeleiteter Schwebezauber den Raum im Griff, den nächsten Moment lagen die fünf Mädchen lachend und Gebäck essend auf dem Boden, Emmelines Sammlung an Hexenwochenheften vor sich aufgeschlagen, während sie die Quizze lösten, die herausfinden sollten, wer von ihnen Minister für Magie werden würde.
Lily war froh, dass ihre Freundinnen sich dazu entschieden hatten, den Tag und den Abend mit ihr zu verbringen und obwohl eine leise Stimme in ihrem Kopf ihr erzählte, dass das genau das war, was Severus noch Stunden zuvor gemeint hatte, versuchte sie nicht daran zu denken, dass sie auch ohne ihren besten Freund mehr als genug Spaß hatte. Er wäre sowieso nicht im Mädchenschlafsaal erlaubt, sagte sie sich, während Dorcas und Marlene darüber diskutierten, wer dieses Jahr den Quidditchpokal gewinnen würde. Dorcas war fest davon überzeugt, dass es Hufflepuff war, Marlene allerdings war durch und durch ein Gryffindor-Fan.
„Bitte, Hufflepuff hat zwei gute Spieler, Gryffindor hat ein ganzes Team!“, sagte Marlene.
„Das sagst du nur, weil Potter jetzt im Team ist“, erwiderte Dorcas mit einem gewinnenden Grinsen.
Marlene verzog das Gesicht. „Was soll das denn heißen?“
„Es ist doch klar, dass du in ihn verknallt bist.“
„Bin ich nicht!“
„Wohl!“
„Nein!“, sagte Marlene schockiert klingend.
„Und warum willst du dann ständig bei seinen blöden Streichen mitmachen?“ Dorcas setzte einen Gesichtsausdruck auf, der so aussah, als hätte sie gerade eine besonders schwierige Partie Schach gewonnen.
„Ganz sicher nicht, weil ich in ihn verknallt bin“, erwiderte Marlene, die wiederrum so aussah, als hätte man sie gerade übel beleidigt. Lily konnte das gut nachvollziehen. „Die meisten seiner Streiche sind wirklich witzig, aber ich finde immer noch, dass ihm das gewisse Etwas dabei fehlt. Und die beiden hier“, sie deutete mit dem Daumen erst auf Lily, dann auf Mary, die vertieft in ein Hexenwochenquiz war, „würden nie mit mir irgendwelche Streiche spielen wollen.“
Lily stützte sich auf die Ellenbogen. „Ich habe bereits Streiche mit dir gespielt“, erinnerte sie Marlene. „Oder hast du das mit dem Plappertrank schon wieder vergessen?“
„Das war einmal“, maulte Marlene. „In der Zwischenzeit haben James und die anderen schon ein Dutzend Streiche gespielt.“
„Qualität über Quantität, weißt du“, sagte Emmeline. „Wir könnten auch alle zwei Stunde ein paar Dungbomben in die Kerker werfen und es einen Streich nennen, aber dann würde uns niemand mehr ernst nehmen. Wir müssen, wenn wir etwas auf die Beine stellen wollen, Zeit und Arbeit investieren, damit die Jungs auch merken, dass wir ernstzunehmende Gegner sind.“
Lily unterdrückte ein Stöhnen. „Brings sie nicht auf dumme Ideen.“
Emmeline grinste. „Aber nicht doch. Ich will nur, dass wir alle auf derselben Seite sind. Außerdem“, fügte sie an, ein neckisches Grinsen an ihren Lippen, das bis zu ihren Augen zog, „hast du selbst zugegeben, dass es dir Spaß gemacht hat, die Jungs reinzulegen.“
Röte und Hitze kroch in Lilys Wangen. „Hab ich, aber –“
„Dann ist es beschlossen!“, übertönte Emmeline sie. „Wir müssen nur einen weiteren, genialen Plan haben, mit dem wir die Jungs austricksen können.“ Sie machte ein wegwerfende Handbewegung in Marlenes Richtung. „Und danach wird James Potter sicher auf Knien vor dir betteln und dich anflehen, ihm und seiner Bande zu helfen.“
Marlene schnaubte. „Das will ich sehen.“
„Warum willst du James Potter auf Knien sehen?“, fragte Mary, als sie wieder von der Zeitschrift aufblickte, offensichtlich komplett ahnungslos, was gerade über ihren und Lilys Kopf hinweg entschieden wurde. „Ist das wieder so ein komischer Zaubererbrauch, den ich nicht verstehe?“
„Ganz und gar nicht, Mary, ganz und gar nicht“, entgegnete Dorcas. Mit einer raschen Handbewegung entriss sie Mary die Zeitschrift und warf einen Blick auf das Quiz, welches sie gelöst hatte. „Welcher Zauberer ist mein Seelenverwandter?“, las sie mit zusammengezogenen Brauen vor. „Ew, Mary, ernsthaft?“
Es war bewundernswert, dass Mary nicht rot anlief oder beschämt den Blick zur Seite warf, sondern lediglich das Kinn trotzig anhob und Dorcas in die Augen blickte. „Ja, was denn? Ihr redet doch auch die ganze Zeit über Jungs, oder?“
Dorcas´ Wangen allerdings wurden dunkel. „Das ist nicht – ich meine, das kann man doch nicht vergleichen.“ Sie legte die Zeitung beiseite.
Mary lachte auf, ehe sie einen Arm um Dorcas´ Schulter warf. „Natürlich kann man das nicht. Außerdem sind so Quizze eh nur gut, um die Zeit totzuschlagen.“
„Das heißt“, sagte Marlene, die die Ausgabe der Hexenwoche aufgehoben hatte, „du glaubst nicht daran, irgendwann einen Quidditch-Kapitän zu heiraten?“
„Bloß nicht“, schnaubte sie, wobei sie Marlene dabei nicht in die Augen sah. „Quidditchspieler sind alle viel zu sehr mit ihrem eigenen Ego beschäftigt.“
„Hört, hört“, sagte Lily, die unweigerlich an James Potter denken musste. Es schüttelte sie.
Mary ließ den Kopf auf ihr Kissen fallen. „Wenn ich jemals daten sollte, dann sicherlich niemanden, den ich kenne, seit sie zehn sind“, sagte sie. „Und falls ich jemals auch nur ansatzweise Interesse an irgendeinem der Jungs zeigen sollte, dann möchte ich, dass ihr mich alle gleichzeitig mit einem Kitzelfluch belegt, kapiert?“