Peter Pettigrew
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Halloween brach in einem kühlen, klaren Morgen an, mit stahlblauem Himmel und den langsam braun werdenden Wipfeln des Verbotenen Waldes. Es war ein Morgen voller hibbeliger Aufregung, Vorfreude und hoffnungsvollen Erwartungen an den Abend. Peter hatte die ganze Nacht nicht richtig schlafen können. Jedes Mal, wenn er die Augen geschlossen hatte, war er ein paar Sekunden später wieder aufgeschreckt und hatte die nötigen Zauber rezitiert, die sie für ihren grandiosen Streich brauchen würde, ehe er wieder in sein Kissen gefallen war. Die wenigen Stunden, die er tatsächlich geschlafen hatte, waren gefüllt von Träumen, in denen er seinen Einsatz verpasste, in denen er seine Hose vergaß anzuziehen oder in denen sie alle zu spät zum Festessen kamen und vom Hausmeister Mr. Filch in die Kerker gesperrt wurden. Letzteres ließ den Erstklässler schweißgebadet zurück. Es war allgemein bekannt, dass Mr. Filch Dumbledore ständig darum bat, die alten Bestrafungen der Mittelalterzeit wieder einzuführen, bei denen man an den Daumen von der Decke gehangen wurde. Peter fand es erstaunlich, dass eine solche Schule überhaupt noch bestand, wenn man Schüler derart gefoltert hatte.
Die vier Jungs waren den ganzen Tag über verteilt ein Knäuel aus zu viel Energie, Schreckhaftigkeit und der Unfähigkeit, für auch nur zwei Minuten an etwas anderes als an ihren Streich zu denken. Obwohl sie alle wussten, dass sie die Zauber im Schlaf konnten und dass sie nichts vergessen hatten, ging James mindestens alle halbe Stunde mit ihnen den gesamten Plan durch, als hätte er Angst, sie könnten etwas durcheinanderbringen und damit die ganze Mission zum Scheitern bringen.
Peter war besonders nervös. Ihm war klar, dass die ganze Mission darauf beruhte, dass sie alle zur gleichen Zeit zauberten und keinen Moment zu früh oder zu spät anfingen und ihm war auch klar, dass Sirius ihn wahrscheinlich in einen Teewärmer verwandeln würde, sollte er derjenige sein, der Mist baute. Nicht einmal James konnte ihn wirklich davon überzeugen, dass Sirius es nicht ernst meinte.
Von ihnen allen war Remus noch die Ruhe selbst. Er saß die meiste Zeit mit einem seiner Bücher in seinem Sessel, die Knie an die Brust gezogen und das Gesicht in den Seiten versteckt, aber ab und zu konnte Peter sehen, dass seine Augen sich nicht bewegten und er für ein paar Minuten auf die immer gleiche Stelle starrte und dabei nervös auf seiner Lippe kaute. Er würde sich zwar wieder fangen und dann umblättern, aber es passierte trotzdem regelmäßig genug, dass Peter sich nicht ganz allein fühlte.
James und Sirius hingegen waren zwar ebenso aufgeregt wie die anderen beiden, aber sie nutzten ihre überschüssige Energie lieber, um durch den Gemeinschaftsraum zu rasen, den anderen zu jagen und sich auf dem Boden zu raufen. Vertrauensschüler Frank Longbottom musste die beiden mehrfach ermahnen, bis sie schließlich aufgehört hatten, sich wie zwei streitende Gänse zu benehmen, auch wenn Peter sich nicht sicher war, ob ihre neue Methode des Zeitvertriebs nicht noch schlimmer war. James ließ allerlei Objekte im Gemeinschaftsraum mit seinem Zauberstab über Franks Kopf schweben, sodass dieser sie nicht sehen konnte, während Sirius unbeteiligten, unschuldigen Schülern Stichzauber in die Seiten warf. Peter hatte ebenfalls einen davon abbekommen – es war kein schmerzhafter Fluch, aber sehr nervig. Als würde man mit einer kleinen Nadel gestochen werden.
Die Mädchen, allen voran Marlene, wussten natürlich, dass die Jungs etwas planten. Selbst, wenn Peter ihnen keinen kryptischen Andeutungen gegeben hätte, James‘ unnatürlich breites Grinsen und ihr Verhalten in den letzten Tagen hatte genügend Hinweise darauf gegeben, dass irgendwas im Busch war. Keiner von ihnen wusste, was genau sie planten, soviel stand fest. Marlene hatte zwar versucht, Remus dazu zu bringen, alles zu verraten, in dem sie ihm vorgespielt hatte, dass James sie in den Plan eingewiesen hatte und sie jetzt noch einmal alles mit ihm besprechen sollte, aber er hatte sie durchschaut, bevor er wichtige Dinge verraten konnte.
Dadurch, dass Halloween auf einen Sonntag fiel, gab es keinen Unterricht, mit dem sie sich hätten ablenken können und selbst Remus hatte seine Hausaufgaben nicht angefasst. Lily Evans war zwei Mal vorbeigekommen und hatte gefragt, ob er mit ihr lernen wollte, aber sein glasiger Blick hatte Aufschluss darauf gegeben, dass er sie nicht einmal wahrgenommen hatte. Als James beim zweiten Mal angeboten hatte, dass er mit ihr lernen würde, hatte Lily ihm einen Giftblick zugeworfen und war mit wehenden Haaren davongestapft.
Beim Mittagessen, einer recht kargen Erfahrung vor dem eigentlich Festessen am Abend, redete keiner von ihnen viel. James und Sirius schaufelten sich kiloweise Essen in die Münder, Remus stocherte mit seiner Gabel in seiner Suppe herum und Peter war der Appetit vergangen, als er daran denken musste, was alles schief gehen konnte. Benjy Fenwick kam beim Essen zu ihnen herüber und hatte versucht Peter in seinem Zustand nach dem Plan auszufragen, aber James hatte ihn mit wüsten Beschimpfungen verscheucht, die Mrs. Potter sicherlich nicht gerne hörte. Benjy hatte aber nur gegrinst und war wieder zum Ravenclawtisch zu Dorcas und Emmeline gegangen, die sofort die Köpfe zusammengesteckt hatten.
Nach dem Mittagessen kehrten sie alle in den Schlafsaal zurück. Monty war nicht da – er schaute dem Gryffindorquidditchteam jedes Mal beim Training zu – und so hatten sie den leisen Raum, den sie brauchten, um ein weiteres Mal über den Plan zu gehen und die Zauber zu üben. Alles funktionierte so, wie sie es wollten und selbst Peter bekam jeden Zauber perfekt hin. Sie waren alle bestens vorbereitet und doch so nervös, als würden sie unvorbereitet in die Abschlussprüfungen gehen. Dies würde den Anfang bedeuteten, den Anfang einer großen, besonderen Streichkarriere, wie James so schön gesagt hatte. Vorbei waren die Tage von lausigen Kitzelflüchen in den Gängen oder stinkigen Dungbomben im Klassenzimmer. Ab diesem Abend würde die vier Gryffindorschüler von unartigen Jungs zu Meistern des Chaos aufsteigen. Sirius posierte daraufhin sehr authentisch mit einer Krone und einem Schwert. Das Planen des Streiches hatte ihn mehr als erfolgreich von seiner miesepetrigen Phase heruntergeholt. Der Junge, der im Gemeinschaftsraum geschmollt und andere angemeckert hatte, wenn sie zu laut Spaß gehabt hatten, war nicht mehr. Stattdessen war er wieder sein altes, energetisches Selbst, voller Witz und Elan und grandiosen Ideen.
„Wir sollten den Riesenkraken aus dem See heben und in die Gewächshäuser verlegen!“, schlug er vor. „Was ist, wenn wir Filchs Katze in eine Taschenuhr verwandeln? Oh, ich weiß, wir könnten die Große Halle fluten! Oder gleich die Kerker und damit die Slytherins rauslocken!“
James war mehr als glücklich seinen besten Freund wiederzuhaben und ermutigte Sirius in all seinen Vorschlägen, so wahnsinnig und hanebüchen sie auch sein mochten. „Vielleicht merken wir uns davon was“, hatte er Peter leise gesagt. „Wir sind ja noch ein paar Jahre hier.“ Dann hatte er gezwinkert und war wieder zu Sirius gelaufen, der drauf und dran war, einen Sechs-Etappen-Plan aufzustellen, mit dem er jedes einzelne Portrait im Schloss gegen einen Spiegel tauschen wollte, der Beleidigungen auf denjenigen warf, der hineinblickte. Eine Idee, die er wohl von einem Handspiegel seiner Mutter geklaut hatte.
Es war Fluch und Segen zugleich, als es Zeit wurde, zum Festessen zu gehen. Die ganze Schule strotzte nur so vor Energie; es gab aufgeregtes Geschnatter, Gerüchte flogen durch die Korridore, dass Dumbledore die Große Halle in einen echten Friedhof verwandelt hätte, ein paar Sechstklässler erzählten den ahnungslosen Erstklässlern alles über Traditionen der Schule (auch wenn sie teilweise übertrieben) und der Großteil der Schule war einfach nur drauf und dran endlich in die köstlichen Speisen langen zu können.
Als Peter mit seinen Freunden die Große Halle erreichte, blieb ihm für einen Augenblick der Atem im Hals stecken. Seine Schwester hatte ihm oft genug von Hogwarts‘ vielen Festessen erzählt und wie erinnerungswürdig jedes einzelne von ihnen war, aber er hätte sich niemals gedacht, dass er einen Ort wie diesen betreten würde. Die eintausend schwebenden Kerzen in der Halle waren durch fünfhundert fliegende Jack O‘ Lanterns ersetzt worden, jede von ihnen in einem anderen gruseligen, erstaunten oder lachendem Gesicht. Der Himmel hatte ein kühles Nachtblau angenommen, die Silhouette des Mondes stach hinter den weißgrauen Wolken hervor und ganze Schwärme von Raben und Krähen kreisten über den Köpfen der Schüler. Die schwarzen Vögel flogen ihren ganz eigenen himmlischen Tanz und ließen sich nicht von den ankommenden Schülern unterbrochen, die mit den Fingern auf sie zeigten oder aufgeregt kreischten. Peter war sich sicher, dass die Vögel ein Extra von Professor Flitwick waren, der sich auf künstlerische Magie spezialisiert hatte.
Abgesehen von den spektakulären Dekorationen, war der wirkliche Hingucker das Essen. Es gab Berge an Kartoffeln, kleine Seen an Saucen, riesige Platten mit Schwein und Rind, Hühnerbeine, Rühreier, Gemüse in allen Farben und Formen und Körbe voll mit runden, knackigen, glänzenden Äpfeln, die nur darauf warteten, dass man in sie hineinbiss. Peter hatte noch nie etwas so Köstliches gesehen. Für den Moment sah selbst James so aus, als hätte er ihren Plan vergessen, als er mit beinahe gierigem Blick die vielen Speisen betrachtete.
„Reißt euch zusammen“, brummte Sirius, der die Augen selbst nicht ganz von einem besonders appetitlich aussehendem Gemüseauflauf nehmen konnte. Er leckte sich über die Lippen. „Erinnert euch an den Plan, Männer.“
„Klar“, meinte James mit entfernt klingender Stimme. „Der Plan. Bin voll dabei.“
Sirius zerrte James zum Gryffindortisch, der unter der Last der hunderten Speisen ächzte. Zwischen dem vielen Essen gab Dekorationen aus Kürbissen und die Karaffen, in denen normalerweise Wasser, Saft oder süßlicher Wein enthalten war, waren alle blutrot und in Form von menschlichen Schädeln. Ein mutiger Schluck von James verkündete allerdings, dass es noch immer der gute alte Kürbissaft war. Rote, gelbe und orangefarbene Blätter bedeckten die Platten und Schüsseln und der Tisch selbst war mit Spinnenweben eingesponnen, die sich wie eine seltsam seidige Tischdecke anfühlten.
Professor Dumbledore erhob sich von seinem goldenen Sitz am Lehrertisch und das Geflüstert erstarb mit einem Mal. Seine hellblauen Augen leuchteten hinter den Gläsern seiner Halbmondbrille auf. „Willkommen zu einem weiteren Festessen an Hogwarts“, sagte er feierlich. „Es gibt Zeiten, in denen soll viel geredet werden und es gibt Zeiten, in denen soll viel gegessen werden. Entscheidet selbst, welche Zeit es ist. Guten Appetit!“ Unter tosendem Applaus und ein paar enthusiastischen Zwischenrufen von älteren Schülern, setzte Dumbledore sich wieder hin und das Festessen war eröffnet.
Peter wusste nicht, wo er beginnen sollte. Er hatte extra beim Mittagessen viel Platz gelassen, aber ihm wurde beim Anblick der dutzenden verschiedenen Gerichte klar, dass er nie genug Platz haben würde, um wirklich alles zu probieren. Ein paar Sitze weiter hatte Marlene sich bereits einen Teller voll mit Erbsen und Kartoffeln genommen und Lily auf dem Platz ihr gegenüber probierte den Gemüseauflauf, den Sirius gesehen hatte. Mary Macdonald indes schien in den Himmel zu entschweben, zumindest ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen, nachdem sie einen Bissen eines knusprigen Stück Steaks genommen hatte.
Peters Nervosität ihres Streiches wegen wurde auf eine heftige Probe gestellt, als der Nachtisch serviert wurde. Die geleerten Gemüseschüsseln und verschmierten Fleischpaletten verschwanden, nur um eine Sekunde später mit den wunderschönsten Kuchen, Torten, Schüsseln voller Bonbons und Lutscher und Eiscremebergen ersetzt zu werden, die Peter je gesehen hatte. Ganze Wasserfälle an Vanillesauce rannen über die eiskalten Desserts, Schokoladenpudding mit saftigen Kirschen stand in kleinen Schälchen überall verteilt und die Kuchen – oh die Kuchen! Es gab sie in allen Größen und Geschmacksrichtungen, aber eines vereinten sie: Sie hatten alle die Form von Grabsteinen. Es gab kleine Schokograbsteine, die mit dunkler Sahne verziert wurden, große Gräber mit Vanille- und Erdbeergeschmack, die mit grünem Zuckerguss bedeckt waren und Grabsteine, die nach Nougat schmeckten und so aussahen, als würde eine untote Hand komplett aus Keksen aus der essbaren Erde greifen.
Über die Halle hinweg fing Peter Benjys Blick auf, der aussah, als würde er jeden Moment umfallen, weil er so viel gegessen hatte und sich trotzdem von jedem Kuchen ein Stück nahm und von jeder Süßigkeit eine Kleinigkeit auf seinen Teller packte. Peter selbst konnte sich ein weiteres Mal nicht entscheiden, wo er anfangen sollte, und entschied sich einfach dafür, alles zu probieren, was in seiner Reichweite war. Nach seiner dritten Portion des köstlichsten Schokopuddings, den er jemals probiert hatte, stieß James ihn unter dem Tisch an.
„Bereit?“, flüsterte er kaum hörbar über das Klimpern von Besteck und aufgeregte Geschnatter von Schülern.
Peter schluckte schnell herunter und nickte. Er wartete, bis James Sirius und Remus Bescheid gab, dann tauschten sie alle einen vielsagenden Blick. Mit seinem Finger klopfte James fünf Mal langsam auf den Tisch und beim fünften Mal hatten sie alle ihre Zauberstäbe herausgeholt, subtil in den Himmel gerichtet und murmelten gleichzeitig den Spruch, den sie so lange geübt und perfektioniert hatten.
Die fünfhundert fliegenden Jack O‘ Lanterns stockten in ihren sachte schwebenden Bewegungen. Den Bruchteil einer Sekunde passierte gar nichts und dann verwandelten sich die leuchtenden, ausgehölten Kürbisse alle in derselben Zeit in lebendige Fledermäuse. Laut kreischend flatterten sie in der nun sehr viel dunkleren Halle herum und sorgten dabei für einiges an Chaos.
Es gab ein paar milde Schreie, als das Licht der Kürbisse plötzlich erloschen war, aber als die Fledermäuse anfingen wie eine Einheit durch die Halle zu fliegen, brach Panik zwischen den Schülern aus. Die zuvor friedlichen Raben und Krähen stoben aus ihrem Tanz in der Luft und rasten hinter den pechschwarzen Fledermäusen hinterher. Federn flogen durch die Luft und landeten auf den Tischen, als die Vögel in rasanten Sturzflügen und bahnbrechenden Wendungen durch die düstere Halle jagten.
„Kein Grund zur Panik“, hallte die magisch verstärkte Stimme Dumbledores über ihren Köpfen hinweg. „Bleibt ruhig!“
James und Sirius warfen ein paar gezielte Zauber in den Himmel, wodurch ein Großteil der Fledermäuse in goldene und rote Funken zerstoben. Remus murmelte: „Colloportus“, und die Türen der Großen Halle verschlossen sich mit einem lauten Knall. Damit jeder einen Blick auf das wahnwitzige Spektakel in der Luft hatte, schoss Peter kleine Lichtkugeln an die Decke, die wie Miniatursterne über den streitenden Vögeln hingen. Gespenstisches, weißes Licht erhellte die Halle und gab allen Schülern einen sehr untoten Glanz.
„Zeit für das Finale“, sagte James neben ihm.
„Oh yeah!“ Sirius grinste und rollte seine Ärmel hoch. „Lasst uns Geschichte schreiben, Jungs.“
Remus und Peter nickten einstimmig und sie alle hoben die Zauberstäbe an, sodass sie sich an den Spitzen trafen. Keiner achtete auf die vier Erstklässler. Die meisten Schüler waren zu sehr damit beschäftigt, ihre Köpfe vor den Vögeln zu schützen oder die fliehenden Fledermäuse zu beobachten, dass niemand mitbekam, die ein stecknadelgroßer Kürbis in der Mitte der Halle, zehn Fuß über allen schwebend, erschien.
„Weiter, weiter“, murmelte James.
„Je größer, desto besser“, fügte Sirius an.
Ihre vereinten Schwellzauber ließen den gerade erschienen Kürbis rapide wachsen. Als die gesamte Schüler- und Lehrerschaft das schwebende Gemüse entdeckt hatte, hatte es bereits die Größe eines Einfamilienhauses erreicht. Remus ließ seinen Zauber als erstes abklingen, aber er war noch nicht fertig. Da er die ruhigste Hand hatte, zeichnete er augenscheinlich wahllos Grimassen mit seinem Zauberstab in den Himmel, aber nur wenige Sekunden später wurden genau diese Grimasse aus dem riesigen Kürbis in der Luft geschnitten. Peter nahm seinen Zauber als nächstes raus, wodurch das Wachstum des Gemüses weiter verlangsamt wurde. Er dirigierte seine Lichtkugeln ins Innere des Kürbisses.
Eine riesige Jack O‘ Lantern bedeckte nun den gesamten Himmel und starrte mit dutzenden Grimassen und Gesichtern auf die Schüler hinab.
Alles lief einfach nur perfekt nach ihrem Plan. James ließ seinen Zauberstab ebenfalls sinken und grinste seine Freunde an. „Wenn wir dafür keinen Orden bekommen, dann stimmt etwas mit dieser Schule nicht.“
„Solange wie keinen Ärger bekommen, bin ich schon ganz froh“, murmelte Remus, aber das Lächeln auf seinen Lippen verriet ihn. Er sah glücklich aus.
„Komm schon, Lupin, ein bisschen Vertrauen in unsere – Sirius!“, zischte James plötzlich, doch zu spät.
In ihrer eigenen Ekstase gefangen, den Streich an die Schule so perfekt hinbekommen zu haben, hatte niemand von ihnen auf den jungen Black geachtet, der seinen Schwellzauber nicht vom Kürbis genommen hatte. Panisches Gekreische erfüllte nun die Halle und als James Sirius‘ Zauberstab endlich herunterdrückte und ihn wütend anfunkelte, wackelte ihr glänzendes Werk, als würde in seinem Inneren ein Erdbeben stattfinden.
„Das kann nicht gut sein“, murmelte Peter, dem unglaublich heiß geworden war. „Sollten wir nicht –“
Der riesenhafte Kürbis, so groß wie eine kleine Kirche, mit dutzenden grinsenden Gesichtern in seine orangene Haut geritzt, explodierte vor ihren Augen. Es war ein sehr ungünstiger Augenblick gewesen. James, Sirius und Remus hatten gleichzeitig ihre Zauberstäbe in die Luft gehoben und auf den Kürbis gerichtet. Die Explosion des massiven Gemüses bedeckte jeden Schüler, jeden Lehrer, jeden Tisch und jede Fackel mit schleimigen, orangenen Kürbisinnereien. Kerne so groß wie Kleinwagen flogen durch die Luft und es war nur dem schnellen Einschreiten von Dumbledore und den anderen Lehren zu danken, dass niemand von den schweren Geschossen verletzt wurde.
Es war totenstill. Niemand wagte es, auch nur einen Atemzug zu tätigen. Peter war von Kopf bis Fuß mit faserigem Kürbisfleisch bedeckt, genau wie jeder andere Schüler in der Halle. Geistesgegenwärtig nahm Remus den Schlosszauber von den Türen. Erst dann erfüllten laute Stimme, unschlüssiges Gelächter und schließlich chaotische Unterhaltungen die Luft.
„Das war der Wahnsinn!“
„Glaubst du, das sollte passieren?“
„Ich habe Kürbis in meinem Umhang!“
„Ob Filch das alles saubermachen muss?“
„Ups“, meinte Sirius leise neben ihnen.
James verpasste ihm eine auf den Hinterkopf. „Idiot“, zischte er.
„Tut mir leid“, sagte der junge Black. „Ich dachte nicht, dass er gleich in die Luft geht.“
„Genau deswegen haben wir doch einen perfekten Plan ausgearbeitet, damit das nicht passiert!“
„Aber es war trotzdem lustig!“
„Mr. Black“, ertönte die kühle Stimme McGonagalls hinter ihnen. „Mr. Potter, Mr. Lupin und Mr. Pettigrew.“ Sie schaute jedem von ihnen direkt in die Augen, als sie ihre Namen aussprach. „Ich gehe Recht in der Annahme, dass Sie vier dafür verantwortlich waren?“ Professor McGonagall war noch immer furchteinflößend und erschien respektvoll, obwohl sie mit orange-gelben Kürbisinnereien bedeckt war.
„Professor, ich –“, fing Sirius an, aber wurde durch einen stählernen Blick der Hexe ruhig gestellt.
„Sie alle werden“, sie schnippte den Zauberstab in den Himmel und das laute Gekreische der Vögel verstummte, als sie die Tiere allesamt mit den Fledermäusen verschwanden, „Nachsitzen dafür bekommen. Vier Wochen lang. Außerdem werden Sie die Große Halle wieder säubern und – ja, ich denke, ich werde Gryffindor Fünfzig Hauspunkte abziehen. Für kindisches und gefährdendes Verhalten.“
Sie alle blickten schamvoll zu Boden, sich der neugieren und teilweise sauren Blicke ihrer Klassenkameraden wohl bewusst.
„Fünf Punkte allerdings“, fügte McGonagall an, „gebe ich Ihnen für diese herausragende Demonstration von Verwandlungszauberei. Objekte in lebendige Wesen verwandeln ist sehr anspruchsvolle Magie.“ Der Anflug eines Lächeln erschien auf McGonagalls dünnen Lippen, aber ihr Blick blieb hart. „Nutzen Sie Ihr Talent doch lieber für die richtige Art von Unterhaltung, meine Herren. Ich würde Sie ungerne weiter für grandiose, fortgeschrittene Magie bestrafen müssen.“
Trotz der Strafe und den anklagenden Blicken und den verlorenen Hauspunkten und dem wütenden Schnauben von Lily Evans, grinsten die vier Jungs an schelmisch an. Operation Halloween war eben doch ein voller Erfolg gewesen.