James Potter
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Frustration und Ungeduld mischten sich in ihm, als er das erste Verwandlungs-Regal durchforstet, aber noch immer kein Buch über Animagi gefunden hatte. Er hatte schon genug Zeit vergeudet und es war sicherlich nur noch eine Frage von wenigen Minuten, bis Madam Pince wiederkehren würde – sicherlich nicht allein. James fokussierte sich darauf, noch schneller zu lesen. Er schob seinen Finger über jeden Buchrücken, holte jedes unbeschriftete Werk hervor und blätterte in den fremdsprachigen Seiten, nur um es dann frustriert wieder zurückzuschieben. Langsam überkam ihm ein mulmiges Gefühl – was, wenn es überhaupt keine Bücher über Animagi gab? Vielleicht hatte das Ministerium sie alle konfisziert, damit niemand auf die Idee kommen würde, die Verwandlung ohne offizielle Erlaubnis durchzuführen…
James schüttelte seine Zweifel ab. Wenn das so wäre, dann würde es auch keine Bücher über schwarze Magie geben, redete er sich ein. Irgendwie würde er schon fündig werden. Es konnte doch nicht so schwierig sein, ein einziges, blödes Buch zu finden.
Das Echo von leisen Schritten zuckte in seinen Ohren auf und James erstarrte. Er blickte auf seine Armbanduhr und fluchte lautlos. Er hatte viel zu viel Zeit verschwendet und dem Anschein nach, war Madam Pince bereits zurückgehört – und der Stimme nach zu urteilen, die gemeinsam mit ihrer an James‘ Ohren drang, hatte sie sich Verstärkung in Form von Gryffindors Hauslehrerin geholt.
„ – habe es dir ja gesagt, Minerva“, sagte Madam Pince gedämpft klingend, als würde sie ebenfalls durch ein Stück Stoff sprechen.
„Ein dummer, alberner Streich“, seufzte Professor McGonagall. „Keine Sorge, Irma, das beheben wir sofort.“
„Ich verlange, dass diese schreckliche Dungbomben endlich verbannt werden“, keifte Madam Pince. „Filch soll die Taschen von all diesen Kindern kontrollieren, bis wir jede einzelne davon vernichtet haben.“
„Ich spreche mit Albus darüber“, sagte McGonagall. „Einen Moment.“
James drückte sich in den hintersten Schatten des Verwandlungsregals und lauschte. Seine Augen huschten die Gänge entlang, aber es gab nirgendswo ein Versteck, wo er unentdeckt bleiben würde, sollten McGonagall und Pince die Verbotene Abteilung untersuchen. Er fluchte erneut lautlos und war drauf und dran, das Regal aus Frust zu treten.
Ein lautes Sauggeräusch erfüllte die Luft – James musste es nicht sehen, um zu wissen, dass Professor McGonagall mit ihrem Zauberstab all die schlechte Luft und den Gestank der Dungbomben einsog. Er hatte seine eigene Mutter diesen Zauber oft genug einsetzen sehen, dass er ihn in und auswendig konnte.
James hielt die Luft an und wartete.
„So“, sagte McGonagall und das Geräusch stoppte. „Das sollte alles sein. Und du sagtest, die Bibliothek sei bereits leer gewesen?“
„Ich habe alles kontrolliert, als plötzlich diese schrecklichen Dinger losgingen“, zeterte Madam Pince. „Ich vermute, irgendein Witzbold hat sie liegen lassen und sie sind hochgegangen, als ich meinen Staubputzzauber auf die Regale angewandt habe.“
James konnte sich vorstellen, dass McGonagall nachdenklich nickte. „Das klingt plausibel. Dann komm, schließ ab und wir können gemeinsam mit Albus reden. Vielleicht kann er endlich ein Urteil fällen.“
„Schön wärs“, sagte Madam Pince. „Ich versuche seit Jahren, dass er endlich jegliches Scherzspielzeug verbannt, aber er ist zu weich mit den Kindern. Lässt ihnen zu viel durchgehen.“
Zu James unerwartetem Glück entfernten sich Madam Pince und Professor McGonagalls Stimmen wieder. Er wartete ab, aus Sorge, sich zu früh zu freuen, aber auch Minuten später blieb es totenstill. Erleichtert atmete er aus und wischte sich mit der Hand über die Stirn. Seinen Umhang nahm er auch von Mund und Nase und konnte endlich wieder frische Luft atmen. So praktisch diese Dungbomben auch waren, wenn man schnell seine Ruhe haben wollte, sie rochen einfach nur scheußlich und raubten einem jeden Sinn, wenn man ihnen zu lange ausgesetzt war. James nahm sich vor, beim nächsten Mal den Kopfblasenzauber zu beherrschen, von dem Remus ihm erzählt hatte.
Sich vorsichtig vortastend, um keine unnötigen Geräusche zu verursachen, suchte James den Rest des zweiten Verwandlungsregals ab. Es dauerte nicht lange, dann hatte er den Boden erreicht. Seine Schultern sackten zusammen. Kein einziges der Bücher hatte das enthalten, was sie gesucht hatten und er bezweifelte, dass Madam Pince eine unordentliche Bibliothek führte. Enttäuscht ließ James seinen Zauberstab sinken und gab sich zumindest die geringe Befriedigung, einmal laut zu fluchen.
James wandte sich grummelnd wieder um, öffnete das Schloss der Verbotenen Abteilung und schlüpfte zurück in die freizugängliche Bibliothek. Mondhell war der Parkettboden, als er sich zwischen den Regalen zurück schlich. Wie ausgestorben lag die Bibliothek vor ihm und wäre er nicht so frustriert, dass sein Plan nicht aufgegangen war, dann hätte er sich sogar noch ein wenig länger in der Verbotenen Abteilung umgeguckt. Abgesehen von den unheimlichen, flüsternden Büchern voll mit dunkler Magie, gab es dort sicherlich auch eine ganze Menge an interessanten Lexiken oder Zauberfibeln, voll mit komplizierter Magie, bei der es James nur so in den Fingern juckte, sie auszuprobieren. Er machte sich eine gedankliche Notiz, in einer anderen Nacht wiederzukehren.
Der Gang vor der Bibliothek war genauso ausgestorben, wie James es sich erhofft hatte. Kein Vertrauensschüler, kein Filch und auch kein Peeves in Sicht. Er atmete erleichtert aus. Entspannt lief er den Gang mit großen Schritten entlang, darauf bedacht, trotzdem nicht zu viel Lärm zu machen – und lief direkt in Professor McGonagalls Arme.
Die Verwandlungslehrerin war so schnell aus dem Nichts aufgetaucht, dass James sich nicht sicher war, ob sie unsichtbar oder einfach nur verdammt schnell war. „Wusste ich doch, dass das kein Zufall war“, sagte sie, die Lippen zu einer dünnen Linie verzogen. „Wollen Sie sich erklären, Mr. Potter?“
„Ich habe nach meiner Feder gesucht, Professor“, antwortete James schnell – etwas zu schnell.
McGonagall legte die Stirn in Falten und zog die Augenbrauen zusammen. „Und Sie dachten sich, Sie müssten die Bibliothek dafür zuvor mit einer halben Tonne an Dungbomben präparieren?“
„Das mit den Dungbomben war ich nicht!“, rief er aus, was zumindest halb der Wahrheit entsprach. Es war zwar sein Plan gewesen, aber wenn man es so betrachtete, dann hatte er die Dungbomben nicht platziert, sondern Peter. „Tut mir leid, Professor, ich werde zurück in meinen Gemeinschaftsraum gehen.“
„Wo ist Ihre Feder?“, fragte McGonagall mit scharfer Stimme, als James sich an ihr vorbeidrücken wollte.
Er hielt ertappt inne. „M-Meine Feder?“
„Die Sie gesucht hatten. Sicherlich müssen Sie sie doch gefunden haben, nicht wahr? Oder haben Sie vielleicht in der falschen Abteilung gesucht?“
James schluckte. „Professor?“
McGonagall schüttelte den Kopf. „Glauben Sie nicht, dass Sie mich für dumm verkaufen können, Potter. Ich mache diesen Job schon lange genug, ich weiß, wann Schüler sich unerlaubt in der Verbotenen Abteilung herumtreiben. Oder wollen Sie mir erzählen, Sie sind rein zufällig an genau dem Abend in die Bibliothek gegangen, an dem eine ganze Ladung an Dungbomben hochgegangen sind?“ In ihren Augen blitzte es auf, als sie James betrachtete. „Was für Bücher haben Sie mitgenommen?“
„Keine, Professor“, sagte er wahrheitsgemäß und breitete die Arme etwas aus. „Sehen Sie, keine Bücher. Ich habe nichts gefunden – nicht, dass ich etwas gesucht hätte!“, fügte er schnell hinzu, biss sich aber auf die Zunge, als er McGonagall triumphalen Blick bemerkte.
„Ich hatte besseres von Ihnen erwartet, Mr. Potter. 20 Punkte Abzug für Gryffindor, für das Unerlaubte Herumtreiben in der Verbotenen Abteilung. Jetzt los, ab in Ihren Schlafsaal, sonst gebe ich Ihnen Nachsitzen.“
„Ja, Professor“, murmelte James mit gesenktem Kopf und eilte an der Verwandlungslehrerin vorbei. Er hörte, wie sie etwas murmelte, aber als er sich umdrehte, war sie bereits verschwunden. An ihrer Stelle verblieb lediglich das beinahe lautlose Tapsen von Katzenpfoten, die über den kalten Stein huschten.
Einige Minuten später allerdings, war seine schlechte Laune über das Scheitern seines Plans und die verlorenen Punkte vergessen. Grinsend betrat er den Schlafsaal und wurde direkt mit zwei erwartungsvollen und einem irritierten Blick begrüßt. Sirius hatte sich nicht bewegt, seit er den Schlafsaal verlassen hatte, lediglich Peter hatte sich zu Remus begeben und gemeinsam arbeiteten sie wohl an Peters Zauberkunstaufsatz über Kitzelflüche.
„Gefunden?“, fragte Sirius.
„Nö“, erwiderte James nonchalant und warf sich auf sein Bett. „McGonagall hat mich erwischt.“
„Und darüber freust du dich?“, meinte Remus skeptisch, der die Vorhänge rund um alle Fenster zugezogen hatte, sodass lediglich ein schmaler Streifen Mondlicht in den Saal fiel. Der junge Werwolf war blass und hatte dunkle Ringe um die Augen.
„Normalerweise nicht, nein, aber“, sagte James und hob einen Finger, „aber McGonagall hat mich auf eine grandiose Idee gebracht.“
„Hoffentlich beinhaltet sie, wie man sich nicht erwischen lässt“, murmelte Sirius grummelig.
James ignorierte ihn. „Ich habe endlich einen Namen für uns.“
„Einen Namen?“ Peter blickte ihn irritiert an. „James, wie haben bereits Namen.“
„Nein, ich meine – einen Namen für unsere Gruppe. Unsere Bande. Unseren Beste-Freunde-Club.“
„Ich hab dir doch gesagt, du sollst uns nie wieder einen Beste-Freunde-Club nennen“, sagte Remus. „Damit machst du uns zur Lachnummer der Schule.“
„Deswegen habe ich auch einen besseren Namen. Seid ihr bereit?“ James grinste seine Freunde herausfordernd und erwartungsvoll an.
Sirius seufzte und verdrehte die Augen, Peter lehnte sich etwas hervor und Remus sah aus, als könnte er sich nicht zwischen Belustigung und Genervtheit entscheiden.
„Ab heute heißen wir die Rumtreiber!“