Peter Pettigrew
______________________________
"Dürfen wir den Mistern und der Misses etwas anbieten?" Einige Hauselfen hatten ihre Anwesenheit bemerkt und waren um ihre Füße gewuselt. Alle von ihnen hatten fledermausartige Ohren und große Nasen, noch dazu trug jeder ein dünnes Hemd mit dem Hogwarts-Logo, mal mehr mal weniger mit Essen verschmiert.
"Wir hätten gern Torte", sagte Marlene. "So viel ihr habt am besten. Oh! Und Schokofrösche!"
"Vielleicht ein wenig Tee", meinte Peter nachdenklich.
"Und etwas Brot", fügte Benjy hinzu. Auf Peters Blick fügte er hinzu: "Wenn ich Kopfschmerzen hab, bekomm ich im Heim immer Tee und Butterbrot." Er zuckte kaum merklich mit den Achseln.
"Wir werden sofort alles bringen, Sie warten hier!", piepste einer der Hauselfen, bevor sie verschwanden.
Es dauerte keine Minute, dann kamen sie wieder, vollbeladen mit Tabletts voll Torte, Broten und Teekannen, die sie Peter und Benjy in die Hände drückten. "Falls es noch etwas gibt, dann müssen die Misters nur etwas sagen", sagten die Elfen, ehe sie sich unter etlichen Verbeugungen zurückzogen und sich wieder an die Arbeit machten.
"Nun", sagte Marlene, die sich ein Schokoeclair von Benjys Tablett nahm, "das war einfacher als ich gedacht hab. Ich war total beeindruckt, weil James so viel Essen besorgt hatte, aber die haben uns das ja quasi hinterhergeworfen." Ihre Stimme hallte im Echo des Kerkergangs wider.
"Ich finde Hauselfen seltsam", entgegnete Benjy. "Sie... sie werden nicht bezahlt und machen trotzdem alles, was Zauberer ihnen sagen. Das ist... ich weiß nicht. Ich find’s seltsam."
Marlene schluckte ihren Bissen herunter, bevor sie antwortete: "Ich fürchte, da bist du in der Minderheit. Hauselfen sind schon so lange versklavt, sie kennen es nicht besser. Du wirst kaum einen Elfen finden, der nicht gerne arbeitet."
Benjy und Peter zogen gleichzeitig Grimassen. "Es ist eine der barbarischen Seiten der magischen Welt", gab Peter zu. "Wobei die Hauselfen hier in Hogwarts wahrscheinlich noch am glücklichlichsten sind. Sirius hat mir von dem Elfen aus seiner Familie erzählt, der bestraft wird, wenn er etwas verbockt. Und wenn ein Elf im black'schen Haus zu alt zum Arbeiten wird, dann ..." Peter fuhr sich mit einem Finger über den Hals und machte ein würgendes Geräusch.
Benjy zog eine angewiderte Grimasse. Auf halbem Weg zum Gryffindor-Gemeinschaftsraum wollte er Marlene das Tablett in die Hand drücken. "Ich kann doch nicht in euren Gemeinschaftsraum kommen", sagte er schockiert.
"Was? Wieso nicht?'
"Naja, das ..." Aber anscheinend fiel ihm kein triftiger Grund ein, denn seine Stimme verblasste.
"Das ist kein Problem", sagte Peter. "Es ist nicht verboten, den Gemeinschaftsraum von einem anderen Haus zu betreten."
Obwohl Benjy so aussah, als würde er gerne protestieren, blieb er stumm. Im Licht der Fackeln, die an den Wänden hingen, glänzten die Gläser seiner Brille.
Im siebten Stock angekommen, nannte Marlene das Passwort (Benjy hatte das Tablett abgestellt und sich die Ohren zugehalten) und führte dann den Weg vorbei an den knautschigen roten Sesseln und den warmen Wandteppichen. Benjy betrachtete alles mit großen Augen, wurde aber von Marlene die Treppe zum Schlafsaal hinaufgescheucht.
Peter betrat das Zimmer der Zweitklässler als erstes, einerseits um sicherzugehen, dass niemand halbnackt herumrannte (James hatte die Angewohnheit sich nach dem Duschen zu verquatschen und dann vergaß er sich anzuziehen), andererseits um zu prüfen, ob Remus wach war.
Der Junge lag mit offenen Augen auf seinem Bett, den Kopf an die Decke gerichtet und ein dickes Buch lag aufgeschlagen auf seinem Bauch. Nicht einmal wölfische Schmerzen konnten ihn davon abhalten, die Hogwarts-Bibliothek vor seinem siebten Jahr komplett durchzulesen und wenn Peter es nicht besser wusste, dann würde er wenigstens beruhigt sein, dass Remus keine Hausaufgaben machte.
"Hey", sagte Peter leise. "Ich hab Besuch für dich."
Mit einem zugekniffenen Auge setzte Remus sich auf. "Was?" Seine Stimme war kratzig. Er klappte das Buch vorsichtig zu und legte es auf seinem Nachttisch ab, auf welchem sein Zauberstab, ein Tintenfass und ein Haufen an Pergamentfetzen lagen. Ein zerbrochener Federkiel guckte traurig zwischen den zerrissenen Fetzen hervor. "Oh, tut mir leid", murmelte er und wischte den Müll in seine Nachttischschublade. "Wollte einen Brief schreiben."
"Das Pergament wollte aber nicht beschrieben werden und ihr habt euch einen ziemlichen Kampf geliefert", schloss Peter. Er drückte die Tür hinter sich wieder auf und ließ Marlene und Benjy in den Schlafsaal. "Überraschung."
Als wären die beiden strahlend helle Sterne, kniff Remus beide Augen zusammen und gab ein gequält klingendes Geräusch von sich. "Pete", murrte er. "Ich hab doch gesagt -"
"Du hast Kopfschmerzen", endete Marlene mit überraschend leiser, sanfter Stimme. "Deswegen sind wir hier." Sie hob das Tablett etwas an, was Remus dazu veranlasste, ein Auge zu öffnen. Als er die saftigen Tortenstücke entdeckte, wurde sein Blick genügsamer.
"Wir haben auch Tee und Butterbrote", fügte Benjy hinzu.
Remus kämpfte ein Lächeln hervor. "Danke", brachte er raus. "Das wär aber nicht-"
"Wenn du diesen Satz beendest, dann werde ich dieses ganze Tablett voll Torte vor deinen Augen alleine essen", erwiderte Marlene warnend. "Fordere es nicht heraus, Lupin."
Mit zusammengepressten Lippen nickte Remus, bevor er eine Hand ausstreckte.
"Ha. Wusste ich es doch, dass Torte alles besser macht." Marlene stolzierte neben Remus' Bett, stellte das Tablett auf seinem Nachttisch ab (direkt auf das dicke Buch, was Remus das Gesicht verziehen ließ) und setzte sich dann an die Bettkante.
Peter schob den nächstbesten Nachttisch an die andere Seite, stellte Benjys Tablett darauf ab und bedeutete dem Jungen dann, dass er endlich von der Tür wegkommen sollte. Vorsichtig setzte Benjy sich ans äußerste Ende von Remus' Bett.
"Danke, Leute", sagte Remus, der sich eine Tasse dampfenden Tee geschnappt und seine Finger darum gewickelt hatte. Er hatte die Augen halb geschlossen.
"Und Pettigrew wollte erst keine Torte mitnehmen", entgegnete Marlene mit vollem Mund. Die Hälfte einer Schoko-Nuss-Sahne-Kreation war bereits in ihrem Magen verschwunden.
"Ok, tut mir leid", meinte Peter auf Remus' empörten Blick.
"Du wolltest mir wirklich Torte verwehren, Pete? Oh, der Verrat."
"Merlin, du klingst wie James und Sirius." Peter verdrehte die Augen, bevor er sich ebenfalls bediente. "Wo sind die beiden überhaupt?", fügte er sich umsehend hinzu.
"James ist beim Quidditch-Training. Sirius fängt sich wahrscheinlich Nachsitzen ein oder so." Remus zuckte mit den Schultern. "Ich hab ihm gesagt, er soll sich dieses Mal nicht erwischen lassen, aber wir wissen alle, dass er nicht auf mich hört."
"Wenn er auf jemanden hört, dann wahrscheinlich auf James oder seine Mutter", sagte Peter nachdenklich kauend.
"Ich hab fast das Gefühl, dass James seine neue Mutter ist. Habt ihr gesehen, wie er Sirius gestern beim Abendessen unbedingt mehr Gemüse auf den Teller legen wollte?", fragte Marlene grinsend an. Sie stellte ihre Stimme tiefer und sagte in einer recht überzeugenden Imitation von James: "Das ist gut für dich, Sirius, damit wirst du endlich mal etwas wachsen." Sie kicherte verhalten, ehe sie sich den Rest Torte in den Mund schob.
"Hör auf, das ist zu akkurat", sagte Remus mit einem zusammengekniffenen Auge. "Das klingt auch wie James, aber ich will nicht lachen, weil es dann wehtut."
Marlene presste die Lippen zusammen. "Ups."
"Ich könnte dir meinen Aufsatz für Professor Binns vorlesen", schlug Benjy langsam vor. "Da gibt es auf jeden Fall nichts zu lachen.
Peter schnaubte belustigt und Remus lächelte hoffnungslos. "Vielleicht nächstes Mal. Ich wollte nicht den ganzen Tag durchschlafen."
Zumindest für den Rest des Nachmittags, den die vier Zweitklässler zusammen verbrachten, verzog Remus das Gesicht nicht mehr schmerzhaft und für Peter war das ein Gewinn. Was der Mond und seine Finsternis bringen würde, stand in den Sternen, aber wenigstens konnte er seinen Freund vorher davon ablenken.