Lily Evans
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Die Wochen in Hogwarts vergingen nach Lilys Geschmack viel zu schnell. In einem Moment war es der späte Sommer gewesen, der September hatte gerade erst begonnen und das Wetter war wechselhaft von warm und kühl gewesen und im nächsten Augenblick war es bereits Anfang Oktober. Die Luft war feucht, der Boden dauerhaft nass und die Ländereien hatten sich von den schönen, dunkelgrünen Wiesen in matschige Rutschbahnen verwandelt, bei denen Lily bereits den ein oder anderen Schüler dabei beobachtet hatte, wie er ausgerutscht und im Schlamm gelandet war. Kaum ein Tag ging bei, an dem der Regen nicht laut wie Pistolenkugeln gegen die Scheiben donnerte. Der Unterricht in Kräuterkunde wurde immer schwieriger zu verstehen, auch wenn ihre Professorin laut gegen die Naturgewalten entgegenwirken konnte.
In den letzten Tage hatte Lily sich bereits in einen vertrauten Trott fallen sehen. Sie stand am Morgen gemeinsam mit Mary und Marlene auf, verließ mit den beiden den Schlafsaal und ging in die Große Halle, aß ein leichtes Frühstück, nur dann und wann von den Posteulen und den lauten Stimmen von Jungs wie Potter und Black unterbrochen, die sich wie kleine Könige aufführten. Lily besuchte ihre Klassen, arbeitete fleißig mit und bekam tolle Noten. Zaubertränke war mit Abstand ihr bestes Fach, sie war sogar viel besser als Severus, der sich mittlerweile gut damit abgefunden hatte, dass Lily ein solches Naturtalent zu sein schien. Das Mittag- und Abendessen lief ebenfalls wie ein geplanter Ablauf ab und an den meisten Tagen fand Lily sich mit Marlene und Remus Lupin in der Bibliothek wieder, wo die drei gemeinsam ihre Hausaufgaben bearbeiteten oder für die nächsten Klassen lernten. Lily würde lügen, wenn sie sagen würde, es würde ihr keinen Spaß machen. Selbst das stundenlange büffeln und Durchgehen von komplizierten Formeln und Zaubern machte ihr Spaß. Es war besser, als sie es sich vorgestellt hatte.
Bis Severus sie an einem Tag fragte, ob sie endlich mal wieder zusammen essen könnten, konnte Lily nicht sagen, was sie gestört hatte, aber kaum hatte er es ausgesprochen, war es ihr wie Schuppen von den Augen gefallen. Seit sie an Hogwarts waren, konnte Lily ihre gemeinsam verbrachte Zeit mit Severus an einer Hand abzählen und ihr wurde schlagartig bewusst, dass sie ihren besten Freund vermisst hatte.
Weil Professor Sprout sie früher hatte gehen lassen – Gewächshaus Drei war überschwemmt und die rundliche, immer ein wenig nach Erde riechende Professorin musste sich um die empfindlichen Pflanzen kümmern – war die Große Halle noch ziemlich leer, als Lily und Severus sich gemeinsam an den Slytherintisch setzten. Lily fühlte sich sehr fehl am Platz, obwohl es keinen Grund dafür gab. Der Tisch sah genauso aus wie der Gryffindortisch und selbst die Kelche, Platten und Saucenkannen standen an den exakt gleichen Plätzen. Aber die Blicke, die ihr einige der älteren Schüler zuwarfen, waren nicht sehr einladend. Lily sank in sich zusammen, aber Severus schien nichts zu bemerken. Glücklicher, als sie ihn seit langem gesehen hatte, tat er ihnen beiden großzügige Kellen mit Nudelsuppe auf.
„Das ist nett“, sagte Lily. „Wieder gemeinsam Essen, meine ich.“
Severus nickte heftig, seine Haare schwangen wie Vorhänge um seinen Kopf. „Finde ich auch. Es ist echt eine Schande, dass du nach Gryffindor gekommen bist, so sehen wir uns kaum.“
„Also ich mag es in Gryffindor“, sagte Lily.
„Aber in Slytherin wären wir zusammen gewesen“, erwiderte Sev mit dunklen Wangen. „Ich bekomme dich ja kaum noch zu sehen, weil du immer mit diesen Mädchen zusammen bist.“
„Mary und Marlene sind meine Freundinnen“, entgegnete sie brüsk klingend. „Und Dorcas und Emmeline auch, auch wenn wir nicht im gleichen Haus sind. Ich kann auch mit ihnen Zeit verbringen, obwohl wir kaum Klassen zusammen haben.“
Severus murmelte etwas Unverständliches, dann sagte er recht flatterhaft: „Ich seh dich auch manchmal mit diesem Lupin. Findest du ihn nicht auch seltsam?“
„Seltsam?“, fragte Lily. „Nein, gar nicht. Remus ist sehr nett und wir verstehen uns sehr gut. Er ist echt gut in Geschichte und hilft uns immer bei den Aufsätzen, die wir für Binns schreiben müssen.“
Als Lily nicht weiter darauf einging, wie seltsam Remus doch war, ließ Sev das Thema fallen. „Hoffentlich hängst du nicht mit Potter und Black ab“, sagte er düster. „Die beiden sind echt das Letzte. Laufen durch die Schule, als würde sie ihnen gehören und verhexen ständig Leute, nur weil sie ihnen in den Weg kommen. Sie haben mir letzte Woche erst wieder versucht eine Beinklammer auf den Hals zu hetzen, als ich auf dem Weg zu Verwandlung war, wusstest du das? Ich hätte mir fast das Genick gebrochen! Aber darüber redest du wahrscheinlich nicht mit Lupin, was?“
Etwas erschlagen lehnte Lily sich in ihrem Sitz zurück. „Gibst du jetzt mir die Schuld, weil ich mit Remus befreundet bin und er mit Potter und Black abhängt? Was hätte ich denn da tun sollen, wenn die beiden solche Idioten sind?“ Lily verschränkte abweisend die Arme.
„Ich gebe dir keine Schuld“, antwortete ihr bester Freund schnell. „Es ist nur – ach, egal. Vergiss es, Lil.“
Lily hätte sowieso nichts mehr sagen können. Sie wusste nicht, ob es ein Zufall war, dass Sev das Thema so schnell beendet hatte, oder es mit der Ankunft seiner Klassenkameraden zusammenhing, aber einen Augenblick später ließen sich Ennis Mulciber und Nestor Avery auf Severus‘ Seite nieder. Ihre Blicke fielen gemeinsam auf Lily. „Hallo“, sagte sie in der Hoffnung, höflich und nicht eingeschüchtert zu klingen.
Mulciber tat so, als würde Lily nicht existieren. „Du bist so schnell abgehauen, Snape, wolltest du nicht mehr mit uns spielen?“
Avery, die Augen verengt und weiterhin auf Lily gerichtet, kicherte verhalten. „Wie wir sehen, hat er doch ein heißes Date.“
Der andere Slytherin schnaubte verhalten und Severus wurde pink im Gesicht. „Hab ich nicht“, murmelte er. „Ich wollte nur zum Essen gehen und –“
„Wo ist Macdonald?“, fragte Avery laut und unterbrach Severus‘ Gemurmel. „Du hängst doch immer mit dem Schlammblut ab, eh?“ Seine fiesen, dunklen Augen bohrten sich in Lily, aber sie weigerte sich, den Blick abzubrechen.
„Nenn sie gefälligst nicht so!“, sagte sie. Auch nach einem Monat in der Zaubererwelt war es für sie schwierig zu verstehen, wieso so viele Zauberer und Hexen so versessen auf Blut und die Reinheit dessen waren. Lily wusste nicht, wieso Mulciber und Avery so gemein waren, aber sie würde es nicht auf sich ruhen lassen, dass sie Mary beleidigten, nur weil diese nicht in der Nähe war.
„Ah, was denn?“ Avery grinste, eine recht makabre Geste in seinem Gesicht. „Ich interessiere mich doch lediglich für meine Mitschülerin.“
„Du beleidigst sie“, stellte Lily klar. „Und damit beleidigst du auch mich.“ Hilfesuchend warf sie einen raschen Blick zu Severus, aber der machte sich in seinem Platz sehr klein und starrte lediglich auf seinen leeren Teller. „Du bist ziemlich feige“, sagte sie an Avery gewandt.
„Feige nennst du mich, Evans?“ Das Grinsen war aus seinem Gesicht verschwunden, er zog die Augenbrauen hoch. Ein bedrohlicher Ausdruck war in seinen Augen erschienen. „Wie kannst du es überhaupt wagen, mit mir zu reden? Ein dreckiges –“
Weiter kam er nicht. Ein lautes Klatschen hallte durch die gesamte Halle und die wenigen Schüler, die anwesend waren, blickten sich neugierig nach der Quelle des Geräusches um. Lilys Hand tat weh. Sie stierte Avery nieder, zischte: „Sprich nicht so über Mary oder mich, sonst nutze ich das nächste Mal Magie“, dann warf sie einen letzten, enttäuschten Blick auf ihren Freund, der sie verdutzt anstarrte und rauschte schließlich zurück an den Gryffindortisch.
„Heilige Scheiße, Evans“, kam die beeindruckte Stimme von James Potter zu ihrer Linken. Ohne hinzugucken, wo sie sich hingesetzt hatte, war sie direkt neben James und Sirius gelandet, Peter und Remus ihr gegenüber. „Das war richtig abgefahren! Wieso hast du Avery eine verpasst?“
Lily schnaubte. „Er ist ein Arsch“, sagte sie.
„Amen, Schwester“, erwiderte Sirius Black grinsend. „Das war ein guter Schlag. Machst du sowas öfter?“
„Allerdings. Und wenn du nicht aufpasst, dann bist du der nächste, der eine verpasst bekommt, Black“, zischte sie säuerlich. Sie hatte keine Lust mehr auf seine und Potters dummen Sprüche, auf die Streiche, die sie Severus ständig spielten und wie sie sich benahmen, als würde ihnen jeder zu Füßen liegen, nur weil sie aus irgendwelchen reichen Familien kommen. Lily sah noch einmal hinüber zum Slytherintisch, aber sie hätte sich genauso gut weiter mit Potter und Black unterhalten können. Severus saß noch immer auf seinem Platz, in einer, wie es aussah, sehr zivilen Konversation mit Avery und Mulciber. Er lächelte sogar und nickte rigoros, als hätten die beiden sie, Lily, nicht noch wenige Augenblicke vorher beleidigt und er hätte nichts getan, um ihr zu helfen.
Lily spürte das Brennen in ihren Augenwinkeln, bevor sie die ersten Tränen auf ihrer Haut wahrnahm. Wütend wischte sie sich übers Gesicht – das letzte, was sie jetzt gebrauchen könnte, wären Potter und Black, die sie beim Heulen sehen würden. Sie verbannte Severus aus ihren Gedanken und griff blindlings nach etwas Essbarem. Sollte er doch mit seinen Freunden abhängen, die Lily und Mary für den Abschaum der Zaubererwelt hielten. Sollte er doch denken, Lily würde ihn weiter verteidigen, wenn jemand hinter seinem Rücken schlecht über ihn sprach. Sollte er doch denken, er könnte weiter ihr bester Freund sein, wenn er sich nicht einmal die Mühe machte, sie zu unterstützen, wenn sie aufgrund ihres Blutes angegriffen wurde. Schlagartig fiel Lily die Unterhaltung wieder ein, die sie und Sev am Anfang des Sommers hatten, am Ufer des Sees, nachdem ihre Hogwartsbriefe endlich angekommen waren. Hatte er ihr dort nicht versichert, dass es keinen Unterschied machen würde, mit welchem Blut man nach Hogwarts kam? War das eine dreiste Lüge gewesen, damit Lily sich besser fühlen würde oder hatte er es nicht besser gewusst? Lily wollte daran glauben, dass er genauso überrascht und verletzt von den Sprüchen, Beleidigungen und Gerüchten war wie sie selbst.
„Alles okay, Lily?“ Die leise, sanfte Stimme von Remus Lupin war wie Balsam auf der Seele. Der Junge ihr gegenüber hatte einen besorgten Blick aufgesetzt und sich etwas über den Tisch gebeugt, als wäre es sein Versuch, subtil zu sein.
Nickend erwiderte Lily: „Ja, danke. Nur aufgebracht.“
Remus lächelte schwach. „Ich weiß.“ Er deutete mit einem Finger auf ihren Teller, auf dem Lily ein kleines Massaker angestellt hatte – Kartoffeln waren zur Unkenntnis zerquetscht und sie hatte das Gemüse so fest mit ihrer Gabel zerdrückt, dass alles wie ein einheitlicher, bunter Brei aussah. Warum auch immer hatte sie sich dann in ihren Gedanken auch noch dazu entschieden, Ketchup über alles zu kippen.
Lily musste auflachen, als sie das sah und schlug sich eine Hand vor den Mund. „Ups. Tut mir leid.“
„Bei mir brauchst du nicht zu entschuldigen“, grinste er sie an. „Ich glaube aber deinen Kartoffeln schuldigst du eine Erklärung.“
Das Mädchen legte ihr Besteck beiseite und beugte sich dann mit versucht neutralem Gesichtsausdruck zu ihrem Teller herunter. „Es tut mir sehr leid, Kartoffel. So wollte ich dich nicht behandeln.“
James und Sirius, die die ganze Unterhaltung natürlich mitbekommen hatten – saßen sie immerhin direkt neben Lily – blickten sich für einen Moment irritiert an, dann drehten sie ihre Gesichter ebenfalls zu ihren Tellern. „Bitte vergib mir, oh Fleischpastete, dass ich dich mit meinem Messer angeschnitten habe“, sagte Sirius mit einer Hand auf dem Herz.
„Du arme Gemüsepfanne, kannst du mir je vergeben? Wie konnte ich es nur wagen, dich von deinen Freunden zu trennen?“ James grinste.
„Man sollte das gleiche mit mir anstellen!“
„Auge um Auge.“
„Zahn um Zahn.“
„Ein Messer in die Rippen und deine Sünden seien dir verziehen“, erklärte James feierlich einem gespielt hysterischen Sirius. „Bist du bereit, für deine Fleischpastete zu leiden, Mr. Black?“
„Ich bin bereit!“ Sirius breitete die Arme aus, als wartete er nur darauf, dass man ihn an das Kreuz für seine Sünden nageln würde.
James tat so, als würde er Sirius ein Brotmesser ins Fleisch jagen, auch wenn er es sicher und ohne jeglichen Hautkontakt unter seiner Achsel hindurchzog und Lily, ob sie es wollte oder nicht, fand sich vor Seitenstechen ihre Seiten haltend. James und Sirius grinsten wie die zwei Schuljungen, die sie waren und verbeugten sich. „Immer wieder gerne, Evans. Du kannst unsere Darstellung gerne jederzeit wieder bewundern, sag nur das Zauberwort und deine treuen Reiseschauspieler werden auf der Stelle in deinem Dienste stehen.“
„Ihr seid richtig bescheuert“, lachte Lily und wischte sich eine Lachträne aus dem Auge. Sie fing Remus‘ Blick auf, der sich mit einem wissenden Lächeln über den Rest seiner Eier hermachte. „Danke, Jungs, das war echt witzig.“
James grinste. „Alles für unsere Gryffindormitschüler, die sich traurig fühlen, Evans.“
Zu einer Antwort konnte Lily nicht mehr ansetzen. Als hätte jemand die gesamten Blicke der Halle im gleichen Augenblick auf sich gezogen, ging ein leises Flüstern durch die versammelte Schülerschaft, als alle gemeinsam beobachteten, wie ein wunderschöner, dunkelgefiederter Vogel durch eine Luke in der Decke segelte. Wassertropfen fielen von den lautlosen Flügeln der schwarzen Eule, als sie mit graziler Eleganz einen Kreis in der Halle drehte, ihren Empfänger entdeckte und dann mit einem gezielten Tiefflug einen knallroten Brief auf dem Gryffindortisch fallen ließ – direkt auf den leeren Teller von Sirius Black, der gerade noch seinen letzten Bissen heruntergeschluckt hatte.
„Ohoh“, murmelte James.
„Was denn?“, fragte Lily irritiert, aber selbst Peter und Remus beäugten den roten Brief mit Sorgfalt in den Augen. „Ist was?“
„Ein Heuler“, brachte Sirius gepresst hervor.
„Ein Heuler?“
„Ein explodierender Brief, der seinen Inhalt laut vorliest“, erklärte Remus. „Sirius, vielleicht solltest du ihn öffnen.“
„Pah, bist du von allen guten Geistern verlassen?“, fragte Sirius. „Wenn der von meiner liebsten Maman ist, dann laufe ich Gefahr, dass ein versteckter Fluch meine hübsche Nase trifft.“
Lily hatte noch immer nicht ganz verstanden, was an einem Heuler so schlimm war, aber lange Zeit zum Grübeln hatte sie eh nicht mehr. Der Brief auf Sirius‘ Teller begann zu kokeln und bevor einer der Erstklässler irgendetwas hatte tun können, explodierte er in kleine Fetzen, eine laute, hallende Stimme mit sich bringend.
„Sirius Orion Black!“, schrie die Stimme einer Frau so laut, dass Lily sich die Ohren zuhalten musste und trotzdem alles verstand. „Wie kannst du es überhaupt wagen, deinen Vater und mich so zu enttäuschen? Du hast Schande über das Haus Black gebracht, du hast Schande über eine ganze Reihe deiner Ahnen gebracht! Dein Verhalten war schon immer zweifelhaft, aber jetzt hast du es zu weit getrieben! Kein Sohn meiner Familie wird in einem anderen Haus außer Slytherin aufgenommen werden und ich werde es nicht annehmen, dass der Erbe der Familie Black ein dreckiger, schlammblutliebender, blutsverratender Gryffindor-Abschaum geworden ist! Wir sind das Gespött der heiligen Achtundzwanzig geworden und das ist allein deine Schuld, Sirius! Und wenn ich noch einmal hören muss, dass du mit Schmutz und Abschaum wie dem Potter-Jungen Umgang pflegst oder dich mit Schlammblütern und Halbbrut-Gören anfreundest, dann werde ich dich sofort von dieser Schule nehmen.“
Sirius und James waren weiß geworden. Die ganze Halle hielt kollektiv den Atem an, als sie auf weitere Worte von Walburga Black warteten. Am Slytherintisch gackerten Avery und Mulciber wie zwei dumme Hühner miteinander und Severus warf einen raschen, düsteren Blick zum Gryffindortisch, wahrscheinlich hin und hergerissen zwischen Schadenfreude, weil sein Feind endlich sein Fett weg bekam, und Schuld, weil er Lily dahin vertrieben hatte.
„Dein Vater und ich haben dieses Anliegen bereits umgehend beim Schulleiter angesprochen“, Lily warf zum Lehrertisch, konnte den weißhaarigen Dumbledore nicht entdecken, dafür aber Lehrkräfte wie Slughorn und McGonagall, die das ganze Schauspiel mit ebenso blassen Mienen beobachteten, „und wir fordern deine sofortige Umteilung ins ehrwürdige Haus Salazar Slytherins an. Wenn du weißt, wo deine Prioritäten, Loyalitäten und deine wahre Familie liegt, dann wirst du die richtige Entscheidung treffen, Sirius. Enttäusche uns nicht ein weiteres Mal!“
Das letzte Echo von Walburga Blacks Heuler verklang in der Halle und eine unheimliche Stille legte sich über sie. Selbst die kichernden Slytherins waren ruhig und warfen kühle, abwartende Blicke auf den Empfänger des Briefes.
Es war Sirius, der die Stille brach. Er lachte lauthals und wischte dann etwas Asche vom Tisch. „Alte Schnepfe“, sagte er grunzend. „Hab’s dir ja gesagt, die ist voll durch“, fügte er an James gewandt hinzu.
James betrachtete seinen besten Freund mit in Falten gelegte Stirn und zusammengezogenen Augenbrauen. „Kumpel, ich –“
Aber Sirius achtete nicht auf ihn. „Wer hat Lust auf ‘ne Partie Zauberschach?“
Lily fing Remus‘ Blick auf, der sich auf die Lippen biss und kaum merklich die Schultern anzog. Immerhin war sie dann nicht die Einzige, die vom Verhalten ihres Mitschülers irritiert war – wenn ihre Mutter ihr solch einen schrecklichen Brief schicken würde, dann würde sie in Tränen ausbrechen!
Sirius Black allerdings ließ sich nicht anmerken, ob der Brief ihn emotional getroffen hatte. Er grinste schalkhaft und hatte sich selbst von seinem kurzzeitigen Weißwerden erholt, als Walburga James erwähnt hatte. „Komm schon, keiner?“
„Ich spiel gegen dich“, sagte Peter mit mutiger Stimme, auch wenn der Junge so aussah, als wäre er genauso nah an den Tränen, wie Lily sich fühlte. Wie konnte eine Mutter nur so einen Brief an ihren eigenen Sohn schicken?
„Du bist ein echter Freund, Pete“, rief Sirius enthusiastisch aus und seine Stimme ließ nicht die geringste Ahnung hindurch, dass er die Worte Walburgas gehört hatte. Entweder er kümmerte sich wirklich nicht darum, was seine Mutter sagte, oder – oder Lily musste zugeben, dass Sirius Black ein besserer Schauspieler war, als sie angenommen hatte.