Remus Lupin
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Überraschenderweise funktionierte Remus‘ Plan reibungslos. Im Zaubertrankunterricht erwischte er Snape in einer sehr gütigen Stimmung, denn als er Lily zum gemeinsamen Lernen am nächsten Tag einlud und Snape fragte, ob er ebenfalls kommen wollte, sagte dieser direkt zu. Lily strahlte Remus an und bedankte sich bei ihm, wahrscheinlich denkend, er hätte Interesse daran, mit Snape befreundet zu sein. Ein wenig schuldig fühlte er sich deswegen schon, aber er erinnerte sich daran, dass er es für Sirius tat. Snape brauchte diese Strafe, damit er sich von Regulus fernhalten und den Namen Black nie wieder in den Mund nehmen würde. Sicherlich würde Lily ihm irgendwann verzeihen, sollte sie die Hinweise zusammenzählen.
Snape in den richtigen Korridor zu locken war nach wie vor der einfachste Teil ihres Plans. Bevor Remus zu seinem angeblichen Lerntreffen mit Lily und Snape aufbrach, überprüften sie noch ein letztes Mal, ob alles bereit war und jeder mit den Einzelheiten vertraut war. Reibungslosigkeit war bisher nicht etwas, dass Remus mit seinen Freunden in Verbindung gebracht hatte, aber dieses Mal funktionierte alles perfekt. Jeder wusste seinen Teil, jeder stand bereit. Es würde sicherlich perfekt werden.
Wie abgemacht, traf sich Remus mit Lily und Snape im Korridor, der in die Bibliothek führte. Remus bemerkte, wie glücklich Lily wirkte und biss sich schuldbewusst auf die Lippen. Trotzdem, ein paar Schritte weiter, tat er so, als müsse er sich die Schnürsenkel binden und bat die beiden zu warten. Zufälligerweise standen sie vor einem Badezimmer und während Lily und Snape sich über ein Unterrichtsthema unterhielten, zückte Remus halb auf dem Boden kniend seinen Zauberstab hervor. Phase Eins ihres Plans erfüllte sich, als aus dem Inneren von Snape Schultasche eine schmale Rauchfahne stieg, bevor das Tintenfass darin explodierte. In einer einzigen Bewegung sprang Remus erschrocken auf und presste seinen Zauberstab zurück in seinen Hosenbund, wo er unter dem Saum seines Pullovers verborgen blieb.
„Oh mein Gott“, rief Lily aus. „Sev, geht’s dir gut? Was war denn das nur?“
Severus war rot im Gesicht und blaue Tintenspritzer bedeckten seine Haut, Klamotten und Tasche. Das explodierte Tintenfass hatte ein kleines Loch in seine Tasche gebrannt. „Keine Ahnung“, spuckte der Slytherin wütend. „Muss die Tinte gewesen sein.“ Er wischte sich mit den blassen Fingern über die Augen und ließ dunkelblaue Tropfen zu Boden fallen.
„Da ist gleich ein Badezimmer“, sagte Remus und versuchte hilfreich zu klingen. „Dann kannst du dich sauber machen.“
„Gute Idee“, sagte Lily. „Hier, ich nehme deine Tasche.“
Snape ließ zu, dass Lily seine tintenbefleckte Tasche an sich nahm, bevor er sich wutentbrannt schnaubend zum Badezimmer umdrehte. Er verschwand hinter der Tür und Remus betete, dass Phase Zwei ebenso reibungslos funktionieren würde.
„Das ist ja seltsam“, meinte Lily, die das Brandloch in der Tasche bemerkt hatte. „Wie kann denn sowas passieren?“
„Äh – vielleicht hat sein Stab dagegen gedrückt?“, fragte Remus unschuldig klingend, während er die Sekunden zählte.
„Nein, den hatte er – AH!“ Ein Knall aus dem Badezimmer ließ Lily schreckhaft aufspringen. „Oh Gott!“
Remus musste all seine Willenskraft aufbringen, damit er nicht grinste, aber dem Aufschrei von Snape und dem dunstigen Nebel, der unter der Tür sickerte, war gerade die erste Hälfte von Peters Dungbomben hochgegangen. Sich bereit haltend, wich Remus einen Schritt von der Tür zurück – damit fiel er nicht weiter auf, denn Lily war ebenfalls zurückgewichen und die anderen Schüler, die sich im Korridor befanden, hatten es ihnen gleichgetan – und wartete. Als die Tür aufschwang und Snape von einer riesigen Dampfschwade begleitet herausstolperte, keuchend, nach Luft schnappend, hustend, murmelte Remus seinen Zauber und sah mit Genugtuung dabei zu, wie sich eine Luftblase um Snape Körper bildete.
Die Luftblase schloss den miefigen Gestank der einhundert Dungbomben an Snapes Körper ein, wobei sie allerdings sein Gesicht freiließ. James hatte vorgeschlagen, dass sie den Jungen komplett einschließen würden, aber Remus hatte angegeben, dass Snape wohl irgendwann keine Luft mehr bekommen würde und sie ihn nicht umbringen wollten, auch wenn Sirius daraufhin ein recht undefiniertes Geräusch von sich gegeben hatte.
„Oh Gott“, wiederholte Lily mit den Händen vor dem Mund. „Sev, alles gut bei dir?“
„S-Sieh-Sieht es s-so au-aus?“, fragte Snape kochend rot im Gesicht. Tränen liefen seine Wangen hinab, aber der Rest seines Kopfes war wutentbrannt. Tintenflecken bedeckten noch immer seine Haut und Kleidung, er hatte eine Hand vor der Nase, damit er besser atmen konnte und hatte die Luftblase um seinen Körper noch nicht mitbekommen.
„Was für ein fieser Streich das ist!“, sagte Lily mit säuerlich zitternder Stimme. Unachtsam ließ sie Snapes Tasche fallen und wollte zu Snape eilen, als ein weiterer Knall sie wieder zurückschrecken ließ.
Snape hatte kaum Zeit, nach oben zu gucken, da platzten zwei Dutzend Ballons gefüllt mit Farbe und weiteren Dungbomben über seinem Kopf. Geistesgegenwärtig hatte der Junge sein Gesicht geschützt, sodass dieser Teil seines Körpers verschont von dem Farbangriff war.
Remus hatte Lily an der Schulter nach hinten gezogen, als die Ballons gefallen waren. „Was bei Merlins –“, fing er an, wurde jedoch von einem dritten und letzten Knall unterbrochen. Nicht, dass er überrascht war. Die Jahre an Schauspielerei machten sich endlich bezahlt und er konnte sehr überzeugend den geschockten, erstaunten Zuschauer spielen.
Lily klatschte sich die Hände vor die Nase, als der Gestank der zusätzlichen Dungbomben – und von Snape – sie erreichte, aber selbst das konnte nicht von dem Geysir an Wasser ablenken, der Snape gerade mitten ins Gesicht getroffen hatte, wodurch der Junge strauchelnd zu Boden ging. Platschend, Farbe und Tinte spritzend, schrie Snape frustriert und wütend auf. „Oh, der arme Sev“, murmelte Lily. Sie eilte zu ihrem besten Freund.
„Klasse Arbeit, Remus“, drang die leise flüsternde Stimme von James zu ihm, bevor der Junge wieder in der Menge untertauchte. Gekicher schwamm durch den Korridor.
„Das waren Potter und Black“, schrie Snape, einen Mund voll Wasser ausspuckend. Er schlug Lilys Hand weg und drückte sich selbst auf, rutschte jedoch auf dem nassen, farbverschmierten Boden aus und fiel erneut vornüber. Lachen begleitete ihn. „Wo sind sie? Lupin!“
„Was?“, tat Remus sehr überrascht. „James und Sirius sind auf dem Quidditchfeld“, sagte er. „Sie wollten für die Auswahlspiele morgen trainieren.“
„Ich weiß, dass die dafür verantwortlich sind“, kreischte Snape mit rotem Gesicht.
Lily blickte erschlagen zwischen Snape und Remus hin und her, ihre Augenbrauen zogen sich nachdenklich zusammen und sie wollte gerade den Mund öffnen, als eine scharfe Stimme den Korridor durch schnitt.
„Was geht hier vor sich? Was soll der Aufstand?“ Professor McGonagall drängte sich zwischen den Schülern hindurch. Sie stockte, als sie Snape auf dem Boden erkannte. „Mr. Snape, was ist hier passiert?“
„Keine Ahnung“, spuckte der Slytherin aus, nach wie vor in eine Wolke aus Dunggas gehüllt, die dafür sorgte, dass er nicht nur eine Dusche brauchen würde, damit der Geruch verschwand. „Meine Tinte ist ausgelaufen und im Bad sind tausend Dungbomben losgegangen, als ich den Wasserhahn aufgedreht habe und dann sind hier – hier Farbballons gefallen.“
Professor McGonagall straffte ihre Schultern und wenn Remus sich nicht verguckt hatte, dann hatten ihre Mundwinkel für den winzigsten Moment gezuckt, als würde sie die ganze Situation insgeheim lustig finden. Sie schwang ihren Zauberstab und die Farbe, sowie das Wasser und die Tintenflecken verschwanden von Snape und dem Boden. Die Luftblase allerdings blieb bestehen. „Was ist das?“, verlangte sie zu wissen.
„Das müssen Potter und Black gewesen sein“, kreischte er, wodurch eine erneute Welle an Getuschel und Gekicher durch die Schülermenge glitt, die sich mittlerweile angesammelt hatte. „Ich weiß, dass sie das waren!“
„Das ist eine ernste Anschuldigung, Mr. Snape. Haben Sie einen Beweis dafür, dass Mr. Potter und Mr. Black in diesen Vorfall verwickelt sind?“
„Einen Beweis?“, erwiderte er eiskalt. „Ich brauche keinen Beweis. Ich weiß, dass sie das waren. Das ist ihre Art der Rache.“
McGonagall zog eine Augenbraue in die Höhe. „Rache? Sie glauben also, Mr. Potter und Mr. Black hätten sich an Ihnen für etwas gerächt? Was haben Sie denn verbrochen, damit Sie das verdient haben, Mr. Snape?“
Snape verstumme. Plötzlich sah er auf dem Boden sehr klein und unbedeutend aus. „Ich weiß es nicht, Professor“, brachte er schließlich hervor. „Vielleicht – vielleicht war es auch jemand anderes.“
Professor McGonagall schürzte die Lippen. „Wir werden sehen. Kommen Sie in mein Büro, Mr. Snape. Ich werde sehen, dass ich diesen Zauber von Ihnen löse.“
Grummelnd richtete Snape sich auf, schnappte sich seine Tasche und folgte Professor McGonagall den Gang entlang, aber nicht, ohne Remus noch einen giftigen Blick zuzuwerfen.
Die Menge löste sich langsam auf, nachdem das Objekt der allgegenwärtigen Belustigung nicht mehr da war. Lily stand immer noch dort, wo Snape eben gelegen hatte. Als Remus sich ihr näherte, blickte sie mit harten Augen auf. „Hat Sev Recht?“, fragte sie knapp. „Ist das Potters und Blacks Schuld?“
„Warum glaubst du, weiß ich das? Ich hab doch gesagt, sie sind auf dem Quidditchfeld“, erwiderte Remus möglichst unschuldig klingend.
Lily zog ihre Augenbrauen fest zusammen. „Ich hoffe sehr, du lügst mich nicht an, Remus.“ Sie straffte die Schultern. „Wir sehen uns später. Ich will sicherstellen, dass es Sev gut geht.“ Sie ließ Remus stehen und ging mit schnellen, festen Schritten Snape und McGonagall hinterher.
Remus fühlte sich schrecklich, dass er Lily angelogen hatte, aber die Belustigung und Erleichterung darüber, dass der Streich perfekt funktioniert hatte, übertrumpfte dieses Gefühl mit Leichtigkeit. Grinsend wandte er sich zurück und trat den Weg zum Quidditchfeld an. Des Alibi wegen würde er sich dort mit den anderen treffen und selbst wenn McGonagall sie befragen würde, war alles abgeklärt – für einen Zwei-Wochen-Vorrat an Bertie Botts Bohnen hatte Monty zugestimmt, ihnen zu helfen und für sie zu lügen, falls jemand fragen würde. Laut Monty wären James und Sirius den ganzen Morgen und Vormittag mit ihm zusammen gewesen, während Peter auf den Tribünen zugeguckt hätte. Es war ein narrensicherer Plan.
Das Quidditchfeld war gefüllt mit Gelächter und den lauten Stimmen seiner Freunde und Remus wurde wie ein Held begrüßt. „Lupin! Der Mann der Stunde!“, rief James glücklich aus, der ein verschmutztes Quidditch-Trikot trug. „Ich kann nicht glauben, wie gut das geklappt hat!“
„Lily zweifelt zwar an meiner Geschichte, aber ich glaube, es sollte feststehen, dass wir damit durchkommen“, grinste Remus.
James klopfte ihm auf die Schulter. „Das ist der beste Tag meines Lebens. Habt ihr Snapes Gesicht gesehen?“
„Oh, glaub mir, Potter“, erwiderte Sirius, der mit dem Rücken auf einer Bank lag und in den Himmel lachte. „Dieses Gesicht werde ich nie wieder vergessen.“