Es dauerte etwa zwanzig Minuten und der Kaffee war längst schon da, bis die beiden es geschafft hatten, sich von der philosophischen Unterhaltung über die Namensgebung der ausgefallenen Frühstückskombinationen zu lösen – nicht ohne scherzhaft festzustellen, dass kein normaler Mensch auf die Idee kommen würde, so etwas auch wirklich zu essen – und sich tatsächlich auf die selbst gewählten Zusammenstellungsmöglichkeiten des Frühstücks zu konzentrieren.
Sie hatten unter anderem auch festgestellt, dass eine Mischung aus Fruchtsäften mit fragwürdigen weiteren Zutaten mit dem äußerst illustren Namen „Chi-Chihuahua“ in der Speisekarte stand und dass Darius schon allein des Klangs wegen für kein Geld dieser Welt so etwas in der Öffentlichkeit bestellen würde.
Alfreds Kiefer schmerzte auf eine höchst angenehme Art und Weise, denn mittlerweile war er sich sicher, die letzten Monate zusammengenommen nicht so viel gelacht und geschmunzelt zu haben wie an diesem einzelnen Nachmittag.
Die Kellnerin war nach dem Kaffee bei ihnen am Tisch stehen geblieben, warf Darius immer wieder verstohlene Blicke zu und Alfred entschied sich nach langem Überlegen dann doch wie immer für Rührei mit Schnittlauchbrot.
Darius sah ihn beinahe schockiert an, musste dann aber lachen.
„Ich würde ja behaupten, dass nur Barbaren morgens etwas Herzhaftes essen, aber erstens kenne ich mich ja gar nicht mit Frühstück aus und zweitens ist es auch schon nach Mittag“, meinte er dann und Alfred lachte leicht verlegen.
„Das Rührei hier ist eigentlich sehr empfehlenswert“, gab er sanft schmunzelnd zu Bedenken.
Darius lachte wieder, schüttelte grinsend den Kopf und bestellte dann ein einsames Croissant mit Erdbeermarmelade und ohne zusätzliche Butter, dafür aber nochmals eine Tasse Kaffee.
Schwarz, ohne Zucker. Das hatte sich Alfred längst gemerkt und er schämte sich in diesem Moment nur ein winziges Bisschen dafür, wie viel Bedeutung er dieser eigentlich sehr unwichtigen Information beimaß.
Als die Kellnerin wieder nach innen gegangen war, ließ Darius gerade den Blick über das geschmückte Geländer der Terrasse zum Donaukanal schweifen und Alfred folgte seinem Blick lächelnd. Der Ausblick war idyllisch und im Stillen war er sogar ein bisschen stolz auf sich, dass die Auswahl des Cafés gefiel.
„Als ich letztes Mal hier war-“, begann Alfred und Darius‘ Blick huschte sofort wieder interessiert zu ihm zurück, „Da hat mein Vater entdeckt, dass unten am Ufer ein paar Enten nisten!“
Darius lachte und ließ sich anscheinend nicht nehmen, diese Aussage auf ihren tatsächlichen Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Er stand auf und ohne einen Moment zu zögern folgte Alfred ihm zum Geländer.
Schon von diesem Standort aus konnte man das Geschnatter der Ente vernehmen und wenn man sich nur leicht hinüberbeugte, ließ sich der ein oder andere Blick auf die junge Familie erhaschen.
Eigentlich hätte diese kleine Unterbrechung des Sitzens sehr entspannt sein können, doch jetzt erst fiel Alfred auf, dass Darius Ottesen zu seinem üblichen weißen Hemd heute eine fast schon verboten enge Jeans an seinen verdammt langen Beinen trug – und damit verflucht gut aussah.
Als Alfred bewusst wurde, wohin er gerade schaute, stieg ihm die Röte ins Gesicht und er wandte den Blick schnell ab, um wieder die Enten zu betrachten.
„Wussten Sie eigentlich, dass das Quaken einer Ente unter keinen Umständen ein Echo erzeugt und Wissenschaftler dafür bis heute keine Erklärung haben?“, fragte Darius und wandte den Blick von der Entenfamilie zurück zu Alfred, während er lässig am Geländer lehnte.
Alfred lachte und hatte Mühe, weiterhin die beschaulichen Tierchen zu beobachten. Die leichte Brise am Flussufer löste einige Haare aus Darius‘ Scheitel und sanft umspielten die lockeren Strähnen im Wind wehend sein Gesicht.
„Die eigentliche Frage ist doch sicher, was genau die Wissenschaftler untersuchen wollten, als sie diesen Fakt überhaupt herausgefunden haben!“, meinte er verlegen und Darius warf den Kopf beim Lachen zurück.
Eine Geste, mit der er bei näherem Betrachten Theresa Berentz auf eine seltsame Art und Weise gar nicht komplett unähnlich wirkte. Und doch wirkte es einfach so ausgelassen und fröhlich, dass Alfred sich daran nicht satt sehen konnte.
„Ich ging prinzipiell davon aus, dass es durch einen Zufall herausgefunden wurde und einfach nicht erklärt werden konnte, aber jetzt wo Sie es sagen“, meinte Darius und beide prusteten los.
„Vielleicht liegt es ja an der Frequenz, auf der die Ente quakt“, philosophierte Alfred und Darius lachte.
„Ich bin mir ziemlich sicher, die kleinen Entchen haben eine mindestens doppelt so hohe Frequenz wie ihre Eltern. Vielleicht ist ja sogar der Nachwuchs der Schlüssel zum Erfolg dieser Studie!“, scherzte Darius.
Alfred sah ihn fasziniert an.
„Woher um alles in der Welt kennen Sie sich so gut mit Enten aus?“, fragte er.
Darius schüttelte grinsend den Kopf.
„Das tue ich gar nicht“, meinte er schulterzuckend, „Ich habe das lediglich einmal als unnützes Wissen aufgeschnappt und musste eben daran denken!“
„Und die Sache mit der Frequenz?“, gab Alfred zu bedenken.
Darius grinste breiter.
„Hören Sie das denn nicht?“, fragte er ernst und Alfred hob verblüfft eine Augenbraue, dann prustete Darius jedoch los und Alfred lachte ebenfalls.
„Unsinn“, meinte Darius und winkte ab, „Ich gehe fast davon aus, es ist bei der unsauberen Tonqualität dieses Schnatterns für einen Menschen komplett unmöglich, die exakte Frequenz zu bestimmen!“
Alfred war sich gerade gar nicht mehr so sicher, ob er mehr amüsiert oder mehr fasziniert sein sollte.
Auf Darius‘ Gesicht lag mittlerweile ein sehr deutlicher Rotschimmer und er gestikulierte aufgeregt mit den Händen.
„Es treibt mich in den Wahnsinn“, gab er zu und Alfred wusste zuerst nicht genau, was er meinte, „Ich könnte damit abschließen, wenn ich es zuordnen könnte, aber Enten sind mir – so wie die meisten gefiederten Tiere – ein absoluter Graus! Wenn ich mich damit zu lange befasse, bekomme ich Kopfschmerzen.“
Alfred schmunzelte ein bisschen unsicher.
Ihm war bewusst, dass sich Darius Ottesen gerade über den Klang einer Ente echauffierte und sich damit sicherlich bei den meisten Menschen lächerlich machen würde. Alfred jedoch fand es auf eine kuriose Art und Weise unheimlich charmant, wie er sich in diese Sache hineinsteigern konnte.
„Vielleicht sollten sich die Wissenschaftler auf dieser Welt damit beschäftigen, die Enten mal ordentlich zu stimmen. Dann klappt das sicherlich auch mit dem Echo“, meinte er lächelnd.
Darius lachte und wirkte mit einem Mal doch etwas peinlich berührt.
„Eigentlich wollte ich mir solche Kommentare ja abgewöhnen“, meinte er mit einem schiefen Lächeln.
Alfred lächelte gütig, auch wenn er mittlerweile erahnen konnte, worauf Darius eigentlich hinausgewollt hatte.
„Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen“, sagte er sanft, „Sie können selbstverständlich stets so reden, wie- wie Ihnen der Schnabel gewachsen ist!“
Beide mussten wieder lachen.
„Es ist sicherlich ein Fluch und Segen zugleich, nicht wahr?“, meinte Alfred dann verständnisvoll, „Und im Normalfall interessiert es niemanden, darüber in Kenntnis gesetzt zu werden, aber es begleitet Sie im Alltag und Sie können es nicht einfach abschalten.“
Darius wirkte kurz verwirrt.
„Was?“, fragte er und nun schoss Alfred das Blut in Gesicht.
„Ach so. Ich- Ich dachte“, versuchte er sich zu erklären, „Ich dachte, Sie sprachen von Ihrem absoluten Gehör!“
Darius lachte und kratzte sich verlegen am Kinn.
„Nein-“, meinte er schnell und schmunzelte, „Also nein. Das ist gewiss kein Segen, sondern lediglich ein Fluch, wenn man mit einem solch chaotischen Haufen wie diesem Orchester arbeitet!“
Wieder mussten sie beide lachen und Alfred konnte sich nur schwer aus dieser absurden und doch so wunderbaren Situation lösen, als die Kellnerin mit dem bestellten Frühstück zu ihrem Tisch kam.
Darius nickte zu den verlassenen Stühlen hin und zwinkerte Alfred zu.
„Nun werden Sie Zeuge eines seltenen Naturereignisses“, meinte er.
Alfred lachte herzhaft, dann löste er sich doch vom idyllischen Anblick des Flussufers. Er eilte zurück zum Tisch, um sich bei der Kellnerin zu bedanken und die Tassen etwas zur Seite zu schieben, damit sie das Tablett abstellen konnte.
„Darf es noch was zu Trinken sein?“, fragte sie und Alfred überlegte kurz ob dieser perfekten Vorlage zu einer weiteren, seltsamen Aktion.
Während er Darius einen vielsagenden Blick zuwarf, hatte dieser wohl denselben Gedanken – und musste sich beherrschen, nicht laut loszuprusten.
„Ich hätte gerne einen Chihuahua“, sagte Alfred todernst.
Darius biss sich auf die Unterlippe und hatte Tränen in den Augen, als die Kellnerin es sich notierte, ohne mit der Wimper zu zucken.
„Und einen Kaffee, schwarz und ohne Zucker“, bestellte er in weiser Voraussicht gleich mit.
Alfred fühlte sich gleichzeitig wie ein kompletter Idiot als auch wie der König der Welt, als die Kellnerin wieder im Gebäude verschwand und Darius sich vor Lachen am Geländer festhalten musste.
Erst als er ebenfalls zurück zum Tisch hinkte und sich fast erleichtert wieder auf den Stuhl fallen ließ, konnte er sich wieder beruhigen, räusperte sich kurz und in Alfreds Bewusstsein wurde der Stolz über den gelungenen Scherz von einer gewissen Alarmiertheit überlagert.
„Ich kann nicht glauben, dass Sie das wirklich gemacht haben“, meinte Darius mit unverkennbarem Amüsement in seiner noch immer etwas rauen Stimme und räusperte sich abermals.
„Was hatten wir gesagt – Kein Geld der Welt? Aber dass ich die Rechnung bezahle ist nun wirklich beschlossene Sache!“
Alfred hingegen war sich bewusst, dass sein Lachen einem ernsthafteren Ausdruck gewichen war.
„Ist alles in Ordnung?“, hörte er sich selbst fragen, ehe er darüber nachdenken konnte, ob eine solche Frage angebracht war.
Darius lachte auf, „Nein, wirklich. Ich bin wahnsinnig gespannt auf ihre Rezension dieses absurden Getränkes!“
Alfred hob eine Augenbraue.
„Ich meine Ihr Bein“, erläuterte er dann und Darius‘ Lachen erstarb.
„Was ist damit?“, fragte er eine Spur zu schnell, um seine Nervosität glaubhaft zu überspielen.
Alfred war sich sicher, dass man ihm seine Sorge anmerkte, doch mit etwas Glück würde er diese auf das am Abend bevorstehende Konzert lenken können.
„Ihr Bein“, sagte Alfred noch einmal, etwas peinlich berührt, „Sie sahen aus, als hätten Sie Probleme beim Laufen.“
Erst jetzt erinnerte er sich bewusst daran, dass Darius die gesamte Zeit zuvor entweder gesessen oder am Geländer gelehnt hatte – bis auf den kurzen Moment, in dem er zuvor aufgestanden war, aber da hatte Alfred auch heimlich zugegeben auf eine ganz und gar unangebrachte Stelle seines Körpers gestarrt.
„Unsinn“, sagte Darius schnell und wirkte fast abwehrend, „Mir geht es gut!“
Alfred war nicht ganz überzeugt.
Für einen Moment überlegte er, es einfach dabei zu belassen, aber dann siegte doch die Sorge und ihm fiel sein zuvor gefasster Plan wieder ein.
„Gut genug, um heute Abend-“, begann er vorsichtig und Darius schnaubte mit einem amüsierten Grinsen.
„Nein“, meinte er trocken und versuchte, eine ernste Miene zu behalten, „Es tut uns furchtbar leid, liebe Damen und Herren, aber das Konzert kann nicht stattfinden, weil der neue Dirigent sich aus purer Nachlässigkeit den Fuß verknackst hat.“
Alfred schmunzelte nur kurz.
„Da müssen wir Sie doch das nächste Mal bis zur Tür begleiten, wenn Sie auf einer solch kurzen Strecke doch noch verletzungsgefährdet sind“, versuchte er die Stimmung wieder etwas aufzulockern.
Darius sah aus, als bemühe er sich um ein Lächeln, was diesmal nicht so recht klappen wollte. Nebenbei wurde Alfreds Rührei noch komplett unberührt kalt, aber das interessierte ihn gerade wenig.
„Es war recht dunkel“, sagte Darius knapp und kramte nebenbei in seiner Tasche, ehe er die Hände unverrichteter Dinge wieder aus ihr zog, als er sich scheinbar daran erinnerte, dass sie doch frühstücken wollten.
Er griff etwas unbeholfen nach dem Buttermesser und hob dabei die andere Hand, um wild in die Luft zu gestikulieren.
„Ich habe mich wohl bei den schlechten Lichtverhältnissen in der Höhe der Bordsteinkante verschätzt. Wirklich kein Grund zur Panik“, der Ausdruck auf seinem Gesicht wirkte mittlerweile ernst und komplett entschlossen.
„Eines können Sie mir nämlich nach den letzten Tagen getrost glauben. Da könnte ich im Laufe des Nachmittags nicht nur eines sondern gleich beide Beine verlieren – Solange ich nicht spontan versterben sollte, wird dieses Konzert wie geplant stattfinden!“
Alfred hob schmunzelnd eine Augenbraue und wusste nicht recht, ob ihn diese kleine Ansprache eher beruhigen oder noch mehr alarmieren sollte.
Er entschied sich dazu, Darius einen Guten Appetit zu wünschen und in eine der zwei Brotscheiben zu beißen und bedächtig zu kauen, während er sich schon mit Messer und Gabel eine mundgerechte Portion Rührei zurechtschob.
Darius zupfte mit spitzen Fingern die dekorativen Mandelblättchen von seinem Croissant und sah nicht besonders angetan aus.
Auch während er das süße Stückchen recht lieblos auseinander riss und mit etwas Marmelade dekorierte, wirkte er nicht ganz in der Stimmung, es nach all diesen Bemühungen auch zu verzehren.
Stattdessen wandte er sich wieder dem Kaffee zu und leerte auch diese Tasse.
„Schon sehr oft habe ich mich gefragt, warum sich Menschen grundsätzlich zum Essen verabreden, wenn sie eigentlich doch miteinander sprechen wollen“, sinnierte er vor sich hin und Alfred schmunzelte mit vollem Mund.
Da musste er ihm auf eine gewisse Weise durchaus recht geben.
Am Ende des Frühstücks hatten sie sich trotz dieser Sprachbarriere auf einige Dinge geeinigt. Zum Beispiel, dass die Fruchtsaftmischung Alfred um einiges besser ohne die ominösen Chiasamen geschmeckt hätte und dass Darius schon allein aus dem Grund zum Bezahlen berechtigt war, weil er unhöflicherweise nicht einmal aufgegessen hatte. Ebenso waren sie zu dem Entschluss gekommen, dass sie noch eine kleine Runde am Flussufer drehen und die geheimnisvollen Enten besuchen würden, wäre es nicht bereits hinreichend spät, dass sie sich wohl beide besser nach Hause begeben sollten, um sich auf das Konzert vorzubereiten.
Als Darius schließlich die Rechnung bezahlte, wurde Alfred fast schwindlig von seiner Großzügigkeit beim Trinkgeld, allerdings äußerte er sich aus Höflichkeit nicht weiter dazu.
Es ging ihn ja auch eigentlich nichts an und wäre ihm vielleicht sogar egal, hätte Darius nicht gerade auch seine Rechnung mitbezahlt.
Ein bisschen fühlte er sich nach wie vor seltsam, sich von ihm zu Frühstück einladen zu lassen, aber die Aussicht auf eine Wiederholung dieser gemeinsamen Situation stimmte ihn wieder gnädig diesbezüglich. Und auch wenn ihm beim Gedanken an das bevorstehende Konzert doch wieder ein klein wenig mulmig zumute wurde – wie es eben immer vor großen gesellschaftlichen Ereignissen war – musste er sich eingestehen, dass er gerade einfach nur glücklich war.
Da waren keine zweifelnden Gedanken, da waren keine allumfassenden Fragen nach dem Sinn des Lebens. Er war für mehrere Stunden einfach nur im Hier und Jetzt des Moments gewesen und hatte es in vollen Zügen genossen.
Erst als sie sich zum Gehen bereitmachten und aufstanden, erwischte Alfred sich bei dem Gedanken, dass er viel lieber noch bleiben würde. Dass er so gern noch einen Spaziergang an dieses Frühstück angehängt hätte, nur um nicht in die Situation eines Abschieds zu kommen.
Denn auch wenn sie sich in einigen Stunden wiedersehen würden – es wäre doch etwas anderes.
Beim Konzert waren sie nicht mehr einfach nur zwei beliebige Privatpersonen, die herausgefunden hatten, dass sie gern Zeit miteinander verbrachten. Da waren sie wieder professionelle Menschen, die miteinander arbeiteten, um eine bestimmte Leistung zu erzielen.
Und Alfred hatte nach wie vor die große Angst, dass diese beiden Dinge nicht gut miteinander einhergingen.
„Ruhen Sie Ihr Bein am besten vorher noch etwas aus“, meinte er mit sanfter Stimme, als sie schließlich vor dem Ausgang der Terrasse einander gegenüber standen und er nicht so recht wusste, wohin mit seinen Händen.
Darius sah ihn direkt an und lächelte. Alfreds Herz hüpfte ein bisschen.
„Machen Sie sich darüber keine Gedanken“, sagte er mit einem Augenzwinkern, „Sollte Ihr Gehirn nicht ausgelastet sein, können Sie gern schon einmal überlegen, wie wir unsere Studien über Enten fortsetzen werden.“
„Vor allem wann“, fügte Alfred lachend hinzu.
Darius nickte schmunzelnd und gestikulierte vage in die Luft.
Scheinbar fiel die unangenehme Angelegenheit eines zeitlich eigentlich gar nicht so schwerwiegenden Abschiede auch ihm schwer.
„Ich möchte Sie gar nicht aufhalten“, meinte er mit einem schiefen Grinsen und strich sich fahrig einige Haarsträhnen aus dem Gesicht, „Wir- wir sehen uns ja später wieder!“
Alfred nickte lächelnd, „Auf jeden Fall!“
Als er Darius die Hand geben wollte, griff er jedoch ins Leere, obwohl er eigentlich gedacht hatte, dass seine Aufmerksamkeit ihm galt. Etwas verdutzt und nicht zuletzt mit fast panisch klopfendem Herzen beobachtete Alfred, wie Darius scheinbar zu einer vorsichtigen Umarmung ansetzte, sich aber aufgrund von seiner schockierten Untätigkeit wohl nicht ganz traute.
Es war nur ein kurzer Augenblick, doch in Alfreds Bewusstsein lief es wie in Zeitlupe ab und legte damit eine gewisse Unbeholfenheit über die gesamte Situation, ehe sie beim zweiten Anlauf aber fast synchron und wieder sehr souverän einen professionellen Händedruck koordinierten.
Alfred war, als könne er in Darius‘ leicht gerötetem Gesicht ablesen, dass er besser kein Wort über diesen schüchternen Versuch zur Vertrautheit verlieren sollte. An sich hätte er ja nicht einmal etwas dagegen gehabt, aber er hatte durch irgendeine innere Blockade zu spät reagiert und nun bereute er es fast.
„Ich danke Ihnen vielmals“, sagte Alfred höflich und Darius sah ihn kurz verwirrt an, ehe er sich zu erinnern schien, dass er bezahlt hatte.
Er winkte schmunzelnd ab, „Nicht doch, wir hatten uns doch geeinigt. Das ist wirklich nicht der Rede wert.“
„Eigentlich-“, Alfred fühlte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss, als er sich selbst sprechen hörte, „Ich bedanke mich nicht nur für das Begleichen der Rechnung, sondern viel mehr für dieses durchaus wiederholenswerte Nachmittagsfrühstück – und dass Sie Zeit gefunden haben, mir dabei Gesellschaft zu leisten! Es war eine doch willkommene Abwechslung zum Stress der letzten Tage!“
Darius‘ Blick lag einige Momente fast unerträglich intensiv in seinen Augen, dann zuckten seine Mundwinkel zu einem schüchternen Lächeln.
„Danke für die schöne Zeit, Alfred“, formulierte er dieselbe Sache etwas eleganter, wenngleich auch fast erschreckend persönlich und brachte den Angesprochenen damit dermaßen aus dem Konzept, dass er fast ausweichend den Blick auf seine Armbanduhr lenkte.
„Es hat mich sehr gefreut“, sagte Alfred sanft, „Bis später, Darius.“
Und im selben Moment, in dem er die Uhrzeit mit seinen mentalen Notizen zum Fahrplan der Bahn verglich, kam Alfred die leise Ahnung einer ganz anderen kuriosen Sache in den Sinn.
Tatsächlich behielt er damit recht, denn nach all diesen verabschiedenden Worten hob Darius noch kurz die Hand zum Gruß, anstatt dass sie allerdings getrennte Wege gingen, machten sie sich zeitgleich beide auf den Weg zur Haltestelle am Schwedenplatz. Die ersten paar Meter sagte Alfred noch nichts, immerhin konnte es ja sein, dass er seinen Wagen auf dem nahen Parkplatz abgestellt hatte und- Nein, immerhin wusste er seit dem letzten Abend, dass Darius ebenso wenig ein Auto besaß wie Alfred selbst.
Auch Darius schien mit sich zu hadern, sah er sich doch immer wieder verstohlen um und versuchte wohl, sich nichts anmerken zu lassen, auch wenn seine Mundwinkel längst wieder zuckten.
Erst als sie sich nebeneinander an der Haltestelle unter die bereits Wartenden mischten, trafen sich ihre Blicke und beide verfielen in prustendes Gelächter.
„Sie werden mich einfach nicht los!“, scherzte Darius.
Und Alfred erwischte sich bei dem gänzlich unangebrachten Gedanken, dass er darüber sehr dankbar war.