Bevor sie das Haus verließen, tranken sie noch mit Kurt einen Kaffee und Darius bedankte sich für die Gastfreundschaft. Als sie nebeneinander in der Bahn saßen, war Alfred fast im Begriff, vollkommen übermüdet einfach einzuschlafen.
Aber er war glücklich. In einem unbeobachteten Moment streiften seine Finger noch Darius‘ Hand und als dieser ihn anblickte, flüsterte Alfred leise:
„Ich meinte es übrigens ernst. Wenn du das möchtest, wenn du dich dafür entscheidest, sobald du dir darüber klar geworden bist – lass uns nach Paris fahren.“
Darius wirkte kurz verwirrt, als wäre er zuvor tief in Gedanken versunken gewesen und könnte sich keinen Reim daraus machen, was Alfred überhaupt meinte. Dann lächelte er sanft und Alfred meinte, in seinen Augen die Antwort auf alle wichtigen Fragen dieser Welt ablesen zu können.
Als sich ihre Wege schließlich kurz vor der Oper trennen sollten, sträubte sich in Alfred alles dagegen, Darius nicht mehr um sich zu haben.
„Danke, dass du mich noch begleitest hast“, meinte Alfred mit einem schiefen Lächeln, „Und du magst wirklich nicht noch kurz mit reinkommen, dich einige Momente lang blicken lassen und den anderen ein paar Grüße dalassen?“
Darius druckste herum. Er trat von einem Bein aufs andere und sah sich um, als würde er etwas suchen. Auf seinen Zügen lag jedoch ein beinahe verschmitztes Lächeln, als er sich durchs Haar fuhr, um seinen Scheitel zu richten und dann traute Alfred seinen Ohren kaum.
„Nina hat sich am Telefon verplappert und angedeutet, was für ein großes Geheimnis ihr alle miteinander habt“, ließ er ihn wissen und Alfred starrte ihn schockiert an, „Ich möchte gar nicht wissen, was für einen Stress ihr euch die letzten Tage gemacht habt- aber es soll nicht umsonst gewesen sein.“
Alfred knetete nervös die Hände ineinander.
„Eigentlich sollte das ja nicht so ablaufen“, meinte er zerknirscht, „Ich wollte dir eine sehr offizielle Einladung zukommen lassen und-“
Darius lächelte zärtlich, „Ich danke dir, Alfred. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich dir danke- und den anderen natürlich auch. Aber wenn es etwas gibt, dass ich mit erstaunlicher Sicherheit über mich selbst weiß-“
Er holte tief Luft, dann musste er lachen.
„Dann dass ich ein unverbesserlicher Perfektionist bin und dieses Stück unmöglich einfach so aus der Hand geben kann“, schalt er ihn schmunzelnd, dann lenkte er ein, „Ich würde gern noch ein paar Dinge mit Frau Sigmund besprechen, was die Interpretation meiner Notizen angeht.“
Alfred musste lächeln und schüttelte sanft den Kopf.
„Du bist unmöglich“, flüsterte er zärtlich.
Darius zuckte grinsend mit den Schultern, „Nicht so unmöglich wie der Gedanke, aus den Teilen eine Schatzsuche zu veranstalten, um genau das Gegenteil von dem zu tun, wofür ihr diese Briefe im Prinzip erhalten habt! Aber ich kann dir nicht genug danken und ziehe meinen Hut, dass du diesen Hühnerhaufen zu so einer Aktion hast überreden können.“
Alfred lachte, dann sah er Darius fest in die Augen und nickte in Richtung Eingangstür zur Oper. Sie hatten noch Zeit bis zur regulären Probe, aber vielleicht würde es eine sehr schöne und heilsame Begebenheit sein, kurz vor dem Abschied noch ein bisschen Zeit mit dem Orchester zu verbringen. Eigentlich eilte es nicht, aber die Situation hatte für Alfred beinahe etwas Vertrautes.
Sein Herz hüpfte aufgeregt und er wisperte, „Wollen wir?“
Darius schmunzelte und warf einen Blick auf seine Armbanduhr.
„Geh gern schon einmal vor“, bot er ihm an, „Anscheinend verspätet sie sich.“
Sie mussten aber nicht lange warten, da hörte Alfred Schritte, die sich näherten - und das Gewirr aus zwei weiblichen Stimmen, die miteinander lachten und scherzten, während sie sich auf dem Weg hierher befanden.
„Wenn ich das gewusst hätte, meine Liebe-“, Alfred war sich sicher, dass Renate keine Schuhe mit hohem Absatz trug, deren Klang so unverkennbar vom Boden wiederhallte, „Aber wir sollten unser Gespräch vielleicht vertagen, ich möchte dich wirklich nicht noch weiter von der Arbeit abhalten!“
Die zweite Stimme war unverkennbar Renate und kurz fühlte Alfred sich schlecht, dieses Gespräch so hautnah heimlich mitverfolgen zu können.
„Ja, es ist durchaus verwerflich, dass du mich nun so lange aufgehalten hast“, scherzte sie lachend, „Lass uns später in die Cafeteria gehen- wir haben einiges zu bewältigen heute, aber auf meine Pause möchte ich ungern verzichten. Dir wünsche ich von Herzen viel Erfolg. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass jemand anderes der Rolle besser gewachsen wäre, mach dich also nicht verrückt!“
Es fühlte sich beinahe absurd an, als die beiden Frauen schließlich soweit gelaufen waren, dass sie die beiden Männer erblickten und einige Momente starrten sie alle vier einander nur an. Dann lachte Renate und umarmte Theresa knapp.
„Du siehst, ich habe zu tun-“, meinte sie geschäftig, „Wir sehen uns!“
„Bei einem solchen Empfangskomitee würde mir die gute Laune auch gleich vergehen“, scherzte Theresa noch mit Renate und zwinkerte dann wohl Darius zu, denn dieser deutete anscheinend doch etwas verlegen mit einer Handbewegung an seinem Ohr an, dass er sie anrufen würde.
Schließlich blieb Alfred wirklich nichts anderes übrig, als schon einmal vorzugehen, während Renate sich mit Darius in einen Nebenraum entschuldigte, damit sie noch einige Dinge bezüglich des Konzerts besprechen konnten.
Als er neben Jasper Sundström saß und die Erschöpfung der unruhigen Nacht über sich hereinbrechen fühlte, konnte sich Alfred das Grinsen aber nicht aus dem Gesicht wischen. Er versuchte, Jasper die Sorgen zu nehmen, die er sich nach dem Vorfall am vergangenen Abend wohl noch gemacht hatte.
Erwin rief mitten in die kurze Unterhaltung über einige Reihen hinweg, dass sie sich alle nach der regulären Probe zur gesonderten Arbeit an der Sinfonie in der Musikschule Frey treffen würden. Ansonsten würde alles weiterhin wie geplant ablaufen und er hoffte doch sehr, dass sich seine Abstinenz gelohnt hatte.
Jasper und Alfred mussten beide lachen. Die Musiker wirkten allesamt etwas unausgeschlafen, das Geplauder und Geplapper zwischen den Stühlen hielt sich doch sehr in Grenzen. Aber noch immer war auf den zustimmend nickenden Gesichtern feste Entschlossenheit abzulesen.
Sie würden das hier durchziehen. Als schließlich Renate den Raum betrat, lag ihr Blick kurz mit einem vielsagenden Lächeln auf Alfred, bevor sich alle wie gewohnt an die Arbeit machten.
Die anschließende Sonderprobe verlief hingegen schleppender, als Alfred sich gewünscht hätte. Schon während alle Musiker langsam eintrudelten, fühlte er selbst sich nicht nur unausgeglichen, sondern gleichermaßen nervös wie auch komplett zerschlagen. Es rächte sich, die Nacht über nicht geschlafen zu haben.
Obwohl man merkte, dass ein jeder sich zumindest schon ein bisschen mit den Noten vertraut gemacht hatte, klappte es nicht, wie es eigentlich zu dieser mittlerweile fortgeschrittenen Stufe des Plans sollte.
Viele Stellen klangen extrem holprig, an anderen wiederum mussten sie komplett abbrechen und Renate stand der Schweiß auf der Stirn, als sie zum wiederholten Mal zur Konzentration aufrief und daran appellierte, dass es so ansonsten nichts werden würde. Besonders der letzte Satz schien jedoch auch ihr Kopfzerbrechen zu bereiten, immer wieder murmelte sie lautlos, während sie blätterte.
Alfreds Zweifel wuchsen ihm über den Kopf. Sie hatte doch extra mit Darius gesprochen, hatte erfahren, wie er sich das alles vorstellte. Und Alfred konnte sich nicht vorstellen, dass er Unmögliches verlangte. Auch wenn er ein unverbesserlicher Perfektionist war, dafür kannte er sich viel zu gut mit der Materie aus. Er konnte sich selbst beim besten Willen nicht davon überzeugen, dass Darius‘ Ambitionen einer Durchführbarkeit der Sinfonie in die Quere kamen. Aber gleichermaßen dämmerte ihm auch der wahre Grund für die allgemein immer frustrierte Stimmung.
Sie hatten zu wenig Zeit. Sie alle waren doppelt eingespannt und eine Sinfonie, egal wie sie geartet war, studierte sich eben nicht von allein ein. Sie gaben nicht auf, aber auch wenn Alfred an den verbissenen Gesichtern sehen konnte, dass jeder sein Bestes gab, klang es nach einer Weile wirklich nur noch danach, als würde jedes Instrument für sich eine Abfolge von den niedergeschriebenen Tönen wiedergeben, anstatt tatsächlich gemeinsam als Orchester Musik zu machen.
Sie waren allesamt erschöpft. Vielleicht, so drang es in Alfreds Bewusstsein, als selbst Jasper neben ihm niedergeschlagen seufzte und in einer kurzen Pause den Kopf hängen ließ, vielleicht hatten sie sich zu viel vorgenommen. Vielleicht war er einem Hirngespinst hinterher gerannt, vielleicht war es in dieser Zeit einfach nicht durchführbar, dieses Konzert auf die Beine zu stellen.
Er war kurz davor, zu verzagen, als beim nächsten Versuch einer schwierigen Passage schon nach einigen Takten Renate das allgemeine Chaos sofort abbrach.
Sie blätterte noch ein paar Seiten zurück, wieder ein paar Seiten nach vorn, dann schüttelte sie energisch den Kopf, legte den Taktstock auf dem Pult ab und bat im frustriert ausbrechenden Gemurmel um Ruhe.
„Meine Herren!“, sie klang nicht mehr vorwurfsvoll, sondern beschwichtigend und Alfred fühlte die dumpfe Gewissheit über sich hereinbrechen, dass es eigentlich gar keinen Sinn hatte, noch weiterzumachen.
„Wenn wir Mozart proben, können wir ihn leider nicht mehr fragen, wie er es gern hätte“, begann sie, „Wir verlassen uns darauf, was er niedergeschrieben hat und wie andere vor uns seine Musik interpretiert haben. Er wird uns niemals dabei zuhören, daher sind wir diesbezüglich fein raus.“
Auf vielen Gesichtern zeichnete sich missmutige Ungeduld ab, Jaspers Züge entgleisten und er wandte sich mit panischem Blick an Alfred, der gerade aber auch selbst nicht in der Lage war, ihn aufzumuntern.
„Lange Rede, kurzer Sinn-“ fuhr sie schließlich fort und Alfred gefror das Blut in den Adern, als sie weiter sprach, „All Ihre Bemühungen und noblen Absichten in Ehren, aber das hat so absolut keinen Sinn! Es tut mir leid, wenn ich die Wahrheit ausspreche, denn ich vermute, dass es vielen ähnlich geht- Aber hier ist für mich ein Punkt erreicht, an dem ich es als Zeitverschwendung ansehe, weiterzumachen.“
Alfred stand schockiert der Mund offen, als er sie feindselig anstarrte.
Während er sich umblickte, sah er ebenso große Empörung durch die Reihen hindurch und Jasper schluchzte gar leise neben ihm. Vielleicht hatte sie recht, aber sie hatten nun schon so viel an Zeit und Nerven geopfert, so viel gemeinsam auf die Beine gestellt, und nun sollte das Vorhaben einfach abgeblasen werden?
Das hatte Alfred ihr nicht zugetraut. Sie war nicht der Mensch, der aufgab. Schon gar nicht, wo sie nun wusste, dass Darius darum Bescheid wusste, dass sie hier probten. Wollte sie ihm wirklich unter die Augen treten und sagen, dass sie an seiner Partitur scheiterte? Wollte sie ihm wirklich noch diesen Schlag verpassen, wenn es nun das Letzte war, woran er sich erinnerte, wenn er an Wien dachte?
„Das können Sie vergessen!“, rief Erwin Gebauer wütend, „Wir geben nicht auf! Und Sie- Sie können uns nicht im Stich lassen, ansonsten-“
Renate funkelte ihn wohl so direkt an, dass er mitten in seiner angedeuteten Drohung verstummte, etwas leiser aber doch noch hinzufügen, „Ansonsten ziehen wir die Sache eben ohne Sie durch!“
Das war eine gewagte Äußerung, Renate verdrehte die Augen und verschränkte die Arme vor der Brust, während sie jedoch erstaunlich ruhig blieb.
„Ach“, meinte sie fast herausfordernd, „Das Horn vorne links hält sich wohl für besonders schlau. Ich verstehe das Problem, aber ich für meinen Teil werde diese Sinfonie nicht dirigieren, es tut mir wirklich sehr leid. Sie können gern ausprobieren, ob Sie das alles allein hinbekommen werden, was ich – ohne es böse zu meinen – doch sehr stark bezweifle. Allerdings-“
Und sie machte eine kunstvolle Pause, bevor sie schließlich lächeln musste.
„Allerdings kam mir jemand in den Sinn, der für diese Aufgabe geeignet ist. Eine Person, die dafür bessere Qualitäten besitzt, als ich sie je haben könnte.“
Siegessicher verschränkte Renate die Arme vor der Brust, als sich die Tür öffnete und an Erwin gewandt meinte sie grinsend, „Jetzt zufrieden, Gebauer?“
Alfred fiel nicht nur ein Stein vom Herzen, sodass es zu hüpfen begann. Auch wenn seine Hände kurz feucht vor Aufregung wurden, mit einem Mal schien die Verzweiflung über die Situation ebenso von ihm abzufallen wie die Erschöpfung.
Herein trat der einzige Mann, der diese Situation retten konnte.
Mit penibelst gescheiteltem Haar, einem schweren Aktenkoffer und einem verhaltenen Schmunzeln auf dem etwas verlegen gerötetem Gesicht. Neben dem Pult wirkte er im Vergleich zwar nur noch wie die Hälfte der Person, die vor einigen Wochen noch hier gestanden hatte, aber in dieser Hinsicht war es vielleicht auch nicht exakt dieselbe Person.
Vor einigen Wochen war hier nämlich ein unbekanntes, verkniffenes Gesicht gestanden, dass um die Zustimmung vom Orchester kämpfte, nachdem ein vollkommen fremder, blutjunger Mann anscheinend ohne nennenswerte Erfahrung sehr kurzfristig zum Konzert eingesetzt worden war.
Er hatte es nicht leicht gehabt. Weiß Gott hatte er Hürden genommen, um überhaupt ernst genommen und akzeptiert zu werden, bevor das Schicksal ihn von seinem neu gewonnenen Erfolg abrupt wieder fortgerissen hatte.
Nun gehörte er streng genommen gar nicht mehr dazu, hatte seine Chance nicht nutzen können und alles verloren, was er sich aufgebaut hatte.
Im Orchester brach Jubel aus. Darius Ottesen hatte mehr geschafft, als nur das Jahreskonzert zu retten. Er hatte sich bewiesen und mehr gewonnen als Respekt – und das war ein fester Platz in ihrer aller Herzen.
Alfred lächelte zärtlich. Er war so wahnsinnig stolz auf ihn.
Renate lachte und sagte irgendetwas zu Darius, was Alfred nicht verstand. Darius nickte lächelnd, kramte kurz in seiner Tasche und beförderte er kleines, schmales Holzkästchen ans Tageslicht. Jasper entfuhr ein überraschtes Geräusch, das sich beinahe wie ein erfreutes Quieken anhörte. Erwin konnte es nicht fassen und er schlug sich beim Lachen auf den Oberschenkel.
„Eins muss man Ihnen beiden aber dennoch lassen“, frotzelte er, „Die Dramaturgie der theatralischen Show-Einlagen ist nicht zu verachten!“
Im allgemeinen Freudentaumel fiel es Renate schwer, um Aufmerksamkeit zu bitten. Als jedoch Darius sich an die Musiker wandte, herrschte sofort Stille.
„Meine Damen und Herren-“, begann er und das Orchester hing an seinen Lippen, als er zu einer kleinen Ansprache ansetzte.
„Ich entschuldige mich sehr für alle Unannehmlichkeiten. Es tut mir leid, für so viel Chaos gesorgt zu haben und Sie haben ein Recht darauf, dass ich mich Ihnen persönlich erkläre“, sagte Darius, während er nervös die Hände ineinanderknetete.
„Nun jedoch, da ich von Ihrem Vorhaben erfahren habe und mich zutiefst geehrt fühle, möchte ich Ihnen lieber danken. Von Herzen bedanke ich mich für die gemeinsame Zeit, in der ich viel lernen konnte. Es war mir eine Ehre und die größte Freude, mit Ihnen allen arbeiten zu dürfen“, seine Stimme klang ein wenig zittrig und Jasper wischte sich verhalten eine Träne aus dem Auge.
Alfred tätschelte aufmunternd seinen Oberarm, bis er ihm ein müdes Lächeln schenkte. In der Zwischenzeit war Renate zur Seite getreten und Darius griff mit einer beinahe zärtlich anmutenden Bewegung nach seinem Taktstock.
„Meine sehr verehrten und hoch geschätzten Herren“, fuhr er schließlich fort, „Ich denke, es ist durchaus angebracht, wenn wir uns alle gebührend voneinander verabschieden. Und da mich Frau Sigmund fragte, ob ich diese Sinfonie nicht persönlich dirigieren möchte, bleibt nun nur noch eine einzige Frage offen- Sind alle damit einverstanden?“
Ohrenbetäubender Beifall ging in vielstimmigen Jubel über und es dauerte eine ganze Weile, bis alle sich wieder beruhigt hatten.
Als sie dann jedoch mit den weiteren Probearbeiten begannen, fühlte sich Alfred, als würden ihm Flügel wachsen. Es klappte. Es funktionierte. So sollte es sein und nicht anders. Vielleicht hatte es daran gelegen.
Natürlich taten sie sich schwer. Mehr Zeit hatten sie dadurch nicht gewonnen und es haperte doch an einigen Stellen, doch mit tiefer Zuversicht erkannte Alfred, dass auch dies womöglich genauso sein sollte.
Es würde keine perfekte Darbietung werden, soviel war sicher.
Vielleicht würden sie ein Vielfaches an Zeit brauchen, bis es zumindest ansatzweise so klang, wie Darius es sich vorstellte. Wenn sie sich anstrengten, würden sie die restlichen Tage zumindest noch das Bestmögliche herausholen, aber zur Perfektion würden sie es nicht bringen.
Und darum ging es auch nicht, nicht um eine fehlerfreie Darbietung, sondern um so viel mehr. Die eigentlich so betörende Musik dieser Sinfonie schien immer weniger im Klang zu liegen, sondern am Ausdruck und den Gefühlen.
An dem Band, das sie zwischen alle Beteiligten knüpfte und nicht nur der Wille zählte, sondern vor allem die gemeinsame Zeit, das gemeinsame Ziel.
Alfred spürte, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte.
Er sah es an Darius' Augen, die so lebendig voller Glück strahlten, während er hier stand und das tat, was er immer hatte tun wollen. Was er tun sollte. Hier gehörte er hin, nirgendwo sonst. Er gehörte nach Wien, vor dieses Orchester. Zu allen Menschen, die hinter ihm standen. Zu Alfred und das vor allem umgeben von dem, was die beiden verband: Die Musik.
Und in diesem Fall kam die Musik direkt aus Darius' Herzen.