Immer wieder warfen sie einander verstohlen lächelnde Blicke zu und Darius konnte sein Glück kaum fassen. Er wollte Alfred so vieles sagen, aber doch schien es, als brauchten sie in diesem Moment kein einziges Wort.
Es war alles einfach perfekt so wie es gerade war.
Wir würde er fürchten, einfach von der Welle des Glücksgefühls weggeschwemmt zu werden, würde er nicht den Halt von Alfreds Hand spüren, wie sie einander sanft und doch so fest und scheinbar unzertrennlich umschlungen.
„Wenn du mich fragst-“, begann Alfred schließlich zögerlich, nachdem sie extra noch einen kleinen Umweg gelaufen waren, damit sie nicht zu schnell wieder unter die Leute mussten, „Ich habe es gar nicht mehr so eilig. Die Enten schlafen wahrscheinlich sowieso schon!“
Darius lachte und zog ihn spielerisch ein Stück näher zu sich.
„Ich weiß ja nicht, ob wir in Gefahr laufen, ab einer bestimmten Uhrzeit versehentlich hier eingeschlossen zu werden“, scherzte er noch, dann stoppte er seine Schritte kurz, um Alfred wieder direkt anzusehen.
„Wobei ich sagen muss“, meinte Darius schmunzelnd, „Ich vermute, dass in deiner Gesellschaft sicherlich auch dieses Abenteuer gut ausgehen würde.“
Alfred musste lachen und legte wieder den Arm um ihn, als sie weiter liefen.
„Ich bin ja nicht der geborene Abenteurer“, gestand Alfred lächelnd und Darius‘ Herz flatterte aufgeregt, „Aber für dich mache ich da gern eine Ausnahme.“
Als sie schließlich bei Schubert ankamen, hatten sie nur Augen füreinander.
Das Denkmal blieb geflissentlich unbeachtet und wohl nur eine Ausrede für gemeinsame Zeit fernab von neugierigen Augen.
Darius griff wieder nach Alfreds Hand und als wollte dieser den Bund komplett machen, nahm er auch noch die andere in seine. Sie standen sich gegenüber und das schüchterne Lachen ging schnell wieder in tiefe, sehnsüchtige Blicke über.
Lange sahen sie sich einfach nur an und Darius meinte, dasselbe Verlangen in Alfreds Augen ablesen zu können, dass sich auch längst in sein eigenes Herz geschlichen hatte.
Zwischen freudiger Aufregung und fast schon wieder ein bisschen zweifelnder Nervosität trat er noch einen letzten Schritt auf ihn zu und Alfreds immer so gütiges Lächeln wirkte mit einem Mal genauso euphorisch und unsicher zugleich.
Sie standen so nah beieinander, dass Darius meinte, Alfreds Herzschlag ebenso heftig wie seinen eigenen spüren zu können.
Auch wenn sie einander zaghaft näher kamen, schaffte es wohl keiner, wirklich das zu tun wonach ihnen eindeutig beiden zumute war.
Schließlich zog Alfred ihn wieder ganz nah an sich und flüsterte schmunzelnd mit einem Fingerzeig auf Schubert in sein Ohr, „Wir sind nicht allein!“
„Fühlst du dich etwa beobachtet?“, Darius lachte leise, schüttelte grinsend den Kopf und hauchte die zarte Andeutung eines Kusses auf Alfreds Wange.
Anstatt zurückzuweichen, schloss dieser nur genießend die Augen und als er sich wieder zu ihm wandte, strahlte er über das ganze Gesicht, wobei sich wieder ein deutlich sichtbarer Rotschimmer auf seine Wangen gelegt hatte.
Alfred nahm Darius‘ Hand wieder in seine, führte sie zu seinem Mund und hauchte einen sanften Kuss darauf. Diese eigentlich so unschuldige kleine Geste ließ Darius‘ beinahe den Boden unter seinen Füßen verlieren.
Sie schien so viel mehr als Vertrautheit und eine schüchterne Annäherung auszudrücken und Alfreds Blick in seine Augen dabei fasste er ebenso auf.
Vielleicht maß er dieser Sache viel zu viel Bedeutung bei, doch in diesem Moment wirkte es so, als wäre Alfred Wunderlich nicht nur auf ausgesprochen charmante Art und Weise ein Kavalier der alten Schule, sondern auch das komplette Gegenteil von Darius‘ früheren Bekanntschaften.
Dieser kleine Handkuss sagte in seiner Wahrnehmung so viel mehr aus als die Information, dass tatsächlich Interesse vorhanden war.
Es war keine spontane Leidenschaft, die aus einer Laune heraus entstand und der drängende Bedürfnisse zugrunde lagen. Vielleicht ging er zu weit, wenn er annahm, dass Alfred ihn vielmehr verehrte als begehrte.
Und doch schien es tiefer gehend als ein leidenschaftlicher Ausdruck der sehnsüchtigen Gefühle im Eifer des Gefechts dieser magischen Nacht.
Es schien wie ein Versprechen, ihn mit liebevollem Respekt zu behandeln.
Davon abgesehen, dass Alfred ohnehin nicht wie ein Mensch wirkte, der sich kurzerhand auf eine unbedachte Affäre einlassen würde, bedeutete dies für Darius die Welt.
„Meinst du, dass Schubert uns verraten wird?“, fragte Alfred grinsend.
Darius lachte, „Wem soll er es denn erzählen? Ich bin der festen Überzeugung, dass es Theresa übermütig werden ließe, würde sie erfahren, dass sie mit ihrer kleinen Verkupplungsaktion Erfolg hatte!“
Alfred musste ebenso lachen und schmiegte seine Wange an Darius‘ Schulter.
„Jetzt verstehe ich endlich, was sie damit meinte als sie sagte, dass wir bescheuert sind und nur mal einen Schubs brauchen“, meinte er schmunzelnd.
Darius merkte, wie er errötete, „Ich hätte aber wirklich nicht vermutet, dass du- ich meine, dass die Chance bestehen würde, dass-“
„Ganz ehrlich?“, Alfred sah ihn lächelnd an, „Das hätte ich selbst nie gedacht!“
Dann legte er die Arme fester um Darius und seufzte selig.
„Dafür bin ich nun umso glücklicher.“
Es dauerte eine ganze Weile, ehe sie es schafften, sich wieder voneinander zu lösen und statt sich endlich auf den Weg zum Lokal zu machen, entdeckten sie eine Parkbank in der Nähe und beschlossen, dort noch ein wenig zu verweilen.
Dabei hatte Alfred den Arm fest um ihn gelegt und Darius konnte sich nicht erinnern, wann er sich das letzte Mal derartig unbeschwert und einfach nur glücklich gefühlt hatte. Es war, als wäre mit einem Mal alles gut und könnte auch in der Zukunft nur noch besser werden.
Das entsprach vielleicht nicht ganz der Wahrheit, doch für den Moment wollte er es gern glauben und einfach nur die so heiß ersehnte Vertrautheit und Nähe zu Alfred genießen.
„Ich würde ja jetzt die Forelle anstimmen, aber ich glaube der Klang meiner eingerosteten Stimme würde ihn doch eher zutiefst beleidigen“, meinte Alfred mit einem langen Blick auf Schuberts Denkmal.
Darius wollte sich gerade scherzend darüber beschweren, warum ihm zu Schubert ausgerechnet die schon immer etwas überlastete Forelle einfiel, aber ihm war, als könne er ein bisschen Wehmut in seiner Stimme erkennen und er schmiegte sich näher an seine Schulter.
„Vielleicht ein anderes Mal“, wagte er hoffnungsvoll zu flüstern.
Kurz hatte er Angst, dass Alfred seine Aussage in den falschen Hals bekommen könnte, aber er lachte leise auf und wandte sich zu ihm.
„Du hast ja sowieso dein Klavier nicht dabei“, meinte er scherzhaft und strich Darius zärtlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, „Wenn du es das nächste Mal mitbringst, überlege ich mir das vielleicht nochmal!“
Darius lachte kurz auf und schüttelte lächelnd den Kopf.
„Bring mich nicht auf dumme Gedanken“, flüsterte er augenzwinkernd, „Ich würde alles tun, um dich nur einmal noch singen zu hören.“
Alfred schmunzelte, als Darius noch ein Stückchen näher rückte.
„Du bist unmöglich“, meinte er verlegen, lächelte aber und seine Stimme klang geradezu zärtlich, „Warum bezweifle ich nicht, dass du es schaffen würdest, das mit dem Klavier irgendwie tatsächlich zu organisieren?“
Darius lachte wieder, zuckte mit den Schultern und strich mit dem Daumen über Alfreds Handrücken.
„Vielleicht weil du der Einzige bist, der das volle Ausmaß meines Wahnsinns nicht fälschlicherweise unterschätzt“, sagte Darius schmunzelnd.
Alfred lachte und zog ihn noch ein bisschen näher an sich.
„Wenn du darauf bestehst, dass du wahnsinnig bist-“, flüsterte er, „Dann ist es wohl dein Wahnsinn, dem ich voll und ganz verfallen bin.“
Er lächelte so herzlich, dass Darius ihn einige Moment einfach nur fasziniert ansah und schließlich die Hand hob um sanft mit seiner Fingerspitze die Form seiner Lippen nachzuzeichnen. Dabei wurde Alfreds Lächeln nur noch breiter.
Seine Augen glänzten geradezu verführerisch im Licht der nahen Laterne.
Darius streichelte sanft über seine Wange, ehe er die mittlerweile vor Aufregung ganz zittrigen Finger in Alfreds wilden Locken vergrub.
Alfred reckte sich noch ein wenig weiter in seine Richtung und küsste zart seine Stirn. Dabei senkte Darius instinktiv seinen Kopf ein wenig, bis Alfred sanft sein Kinn fasste, um es wieder leicht anzuheben.
Dann hauchte er einen Kuss auf seine Wange, anschließend einen auf seine Nasenspitze, bis Darius sich nicht mehr länger zurückhalten konnte.
Erfüllt von Sehnsucht und Verlangen lehnte er sich näher, schloss seine Augen und hielt nur kurz inne, als er schon Alfreds Atem auf seiner Haut spüren konnte. Er nahm sich einen Moment Zeit, um zu genießen, dass dessen Hand sich etwas unbeholfen, aber so unendlich sanft seitlich an seinen Hals gelegt hatte.
Als sich ihre Lippen zaghaft berührten, fühlte sich Darius, als würde er in all seiner Glückseligkeit zerfließen.
Es waren nicht mehr als einige Augenblicke, doch Alfred hielt ihn sicher umfasst, sodass er einfach gegen ihn sinken konnte.
Kurz löste er sich, um Alfred einen Moment lang anzusehen, der ebenso entrückt und fasziniert schien, dann aber gleich wieder die Augen schloss, um wieder nach seinen Lippen zu suchen.
So unendlich sanfte, zaghafte Berührungen, immer und immer wieder – sie beide konnten allen Anschein nach nicht genug davon bekommen.
Immer wenn sich ihre Lippen kurz trennten, fanden sie einander sehr schnell wieder. Darius schwebte, er spürte den Boden unter seinen Füßen nicht mehr.
Einzig und allein Alfred war in seinem Bewusstsein.
Alles weitere war unwichtig.
Die Zeit zerfloss zu einer nicht greifbaren Nebensächlichkeit, als sie eine ganze Weile einfach nur liebliche, zarte Küsse austauschten, die Darius mehr und mehr den Atem nahmen.
Er wollte nicht mehr aufhören.
Für immer würde er Alfred einfach nur küssen, wenn er es denn zuließe.
Erst als plötzlich das Telefon klingelte, zuckten sie beide zusammen, lösten sich hastig voneinander und Darius fluchte leise.
„Da gehst du jetzt aber nicht ran, oder?“, flüsterte Alfred schmunzelnd.
Darius warf einen Blick auf sein Telefon und lachte verlegen, „Das ist Theresa. Ich glaube, ich sollte besser tatsächlich-“
Alfred unterbrach ihn und grinste über beide Ohren, „Lass mich rangehen!“
Sie kicherten wie zwei alberne Teenager und Darius lehnte den Kopf an Alfreds Schulter, als dieser das Handy an sich nahm und sich meldete.
„Hier ist der automatische Anrufbeantworter von Darius Ottesen“, sagte er und Darius prustete los.
„Alfred? Bist du das?“, hörte er Theresas Stimme, „Was zum- Ist bei euch beiden alles in Ordnung?“
„Leider ist Herr Ottesen im Moment nicht zu erreichen“, meinte Alfred und Darius musste laut lachen, „Um genau zu sein ist er sogar sehr beschäftigt, bitte hinterlassen Sie also Ihre Nachricht nach dem Signalton!“
Theresa schnaubte amüsiert, sprach aber freundlicherweise immer noch so unerhört laut, dass Darius sie hören konnte, „Na, Hauptsache ihr habt euren Spaß! Dann störe ich euch zwei Süßen auch gar nicht länger- Ich wollte nur sichergehen, dass ihr euch gefunden habt.“
„Das haben wir“, sagte Alfred zu ihr und sah Darius dabei verträumt an, ehe er schmunzeln musste „Wenn du uns also entschuldigen würdest?“
Nachdem er das Gespräch beendet hatte, schaltete Darius das Telefon auf lautlos – sicher war nun mal sicher – und verstaute es grinsend wieder in seiner Tasche. Alfred hatte sich indessen auf der Bank zurückgelehnt und strich sich etwas verlegen durchs Haar.
„Sowas ist ja mal wieder typisch!“, beschwerte sich Darius noch scherzhaft, dann sah er wieder zu Alfred, der sich nach seinen Worten wieder zu ihm wandte.
„Da wurden wir auf frischer Tat ertappt“, meinte Alfred lachend.
Darius griff sanft wieder nach seiner Hand und rückte wieder etwas näher.
„Nun da wir jedoch wieder ungestört sind“, begann er leise und mit einem kurzen Seitenblick auf Schuberts Denkmal musste er schmunzeln, „Zumindest fast - Hätte ich gegen eine Fortsetzung allerdings absolut nichts einzuwenden.“
Alfred errötete wieder und kratzte sich am Kinn, lächelte dabei aber so glücklich wie zuvor, „Wollten wir nicht eigentlich noch-“
Er konnte seinen Satz gar nicht zuende sprechen, denn Darius hatte beschlossen, dass sie genug geredet hatten und zog ihn wieder in einen zärtlichen Kuss.
„Mhm“, machte Alfred noch überrascht, dann flüsterte er schmunzelnd zwischen weiteren zwei Küssen gegen seine Lippen, „Da muss ich sagen, dein Argument ist durchaus überzeugend.“