Alfred fühlte sich wie in einem schlechten Film. Er wusste nicht, was er tun sollte, doch er spürte, dass er sich verteidigen musste.
„Ich meine“, sagte er atemlos und seine Hände ballten sich zu verkrampft zittrigen Fäusten, „Ich meine, dass es Ihnen egal sein sollte, welche Beziehung ich zu ihm pflege. Und ja, damit meine ich nicht nur, dass Sie ohnehin nichts daran ändern können, sondern vor allem, dass es Sie absolut nicht das Geringste angeht!“
Die eiskalten Augen seines Gegenübers verengten sich gefährlich.
Alfred erwartete weitere Aussagen, die ihn zur Weißglut brachten. Flapsige Sprüche, die sich über ihn lustig machten oder ihn sich fühlen ließen, als würde er sich komplett zum Idioten machen.
Doch nichts dergleichen war zu vernehmen. Dahl schwieg und es jagte Alfred noch mehr Angst ein als seine Worte. Er trat noch einen Schritt auf ihn zu und in diesem Moment machte sich der Drang zur Flucht in ihm breit, aber er konnte gar nicht so schnell reagieren wie Dahl ihn mit beiden Händen am Kragen packte.
Vor Schreck stockte ihm der Atem und er konnte sich nicht rühren.
„Würden Sie das bitte nochmals wiederholen?“, zischte Dahl kaum hörbar und kurz erhaschte Alfred noch einen Blick in sein Gesicht, dann verschwamm es zwischen Panik und einer lähmenden Gewissheit.
Das war es, was Darius jahrelang erduldet hatte. Mit dem Unterschied, dass er diesen Mann einmal geliebt hatte, wohingegen alles, was Alfred empfand, nur Hass und Verachtung war. Die Angst konnte nicht dieselbe sein und doch hielt ihn die bloße Schätzung von Darius‘ Leid viel fester gepackt als Dahl seine Jacke.
„Sehr gern. Und Sie hören bitte gut zu!“, Alfred erkannte seine eigene Stimme kaum, so klar und deutlich drang sie gerade an seine Ohren, „Sie schüchtern mich nicht ein! Und Sie haben kein Recht, sich in meine Angelegenheiten einzumischen. Verschwinden Sie. Verschwinden Sie aus meinem Blickfeld und aus dem Leben meines Partners!“
Kurz fragte er sich, ob er nun zu weit gegangen war.
Dahl hob die Augenbrauen und das Lächeln war ihm vergangen. Sein Lippen hatte er fest aufeinandergepresst, er sah Alfred fast herausfordernd an.
„Ich werde Ihnen nie verzeihen“, spuckte Alfred ihm noch entgegen, dann brach seine Stimme zu einem heiseren Krächzen, „Was Sie ihm angetan haben- Ich- Sie sind ein Verbrecher! Ich hoffe, Sie ertragen Ihr eigenes Spiegelbild nicht mehr. Aber Sie haben keine Macht mehr über ihn. Ich bin bei ihm. Ich beschütze ihn und wenn Sie denken, dass-“
Es war nicht Dahls Stimme, die ihm das Wort abschnitt und erst einige Momente, nachdem er taumelte, bemerkte Alfred, dass es stattdessen seine Faust gewesen war. Alles drehte sich und er konnte kaum sehen. Er hörte Schritte und Schreie, aber vielleicht bildete er sich das nur ein.
Ein Hieb in die Magengrube nahm ihm das restliche Gleichgewicht und ließ Alfred keuchend zu Boden sinken. Er hustete und schnappte nach Luft, um ihn herum verschwammen Dunkelheit, Stadtlichter und Bewegungen zu einem einzigen Wirbel aus Angst. Er bereitete sich darauf vor, dass ihn der nächste Schlag traf, hob schützend die Arme über seinen Kopf, aber die Wucht blieb aus.
Er schmeckte Blut. Er hustete. Aber nichts passierte.
Stattdessen hörte er ein markerschütterndes Brüllen und als Alfred den Kopf hob, erblickte er Nina, die neben ihm stand und mit weit aufgerissenen Augen auf die Stelle starrte, an der Gabriel nun Dahl gepackt hatte.
„Alfred“, schluchzte Nina und klammerte sich an ihn.
Das dumpfe Geräusch eines weiteren Aufpralls ließ sie zusammenzucken und schnell den Blick abwenden. Alfred schloss sie schnell in die Arme, sie vergrub das Gesicht in seiner Schulter und weinte.
Alfred schaffte es nicht, die Gedanken zu sortieren. Er schaffte es nicht, dankbar zu sein, dass Gabriel doch noch in der Nähe gewesen war und ihn nun gewissermaßen vor Schlimmerem bewahrt hatte.
Es interessierte ihn gerade nicht einmal, ob das Telefon neben ihm auf dem harten Asphalt noch funktionierte. Er hielt Nina schützend umfasst und fühlte die Panik kaum mehr. Mit verzweifelter Zärtlichkeit und tiefem Schmerz bedachte er den wunderbaren Mann, der ihn noch vor dieser Situation gewarnt hatte.
Nie wieder, dachte Alfred noch. Niemals wieder.
Als kurze Zeit später ein Streifenwagen neben ihnen zum Stehen kam, konnte Alfred sich nicht einmal mehr auf den Knien aufrecht halten. Er war kurz davor, zu hyperventilieren und hustete sich die Seele aus dem Leib.
Jemand half ihm auf die Beine und er erkannte flüchtig Jaspers besorgtes Gesicht. Erwin fragte, ob es ihm gut ginge, ob etwas passiert sei. Alfred schüttelte geistesabwesend den Kopf, betastete sein Gesicht und stellte fest, dass er doch noch glimpflich davongekommen war.
Mit verschleiertem Blick beobachtete er, wie zwei Beamte die beiden Kämpfenden voneinander trennten und dabei sowohl Dahl als auch Gabriel Handschellen anlegten. Er hörte Ninas Stimme, wie sie weinend zu ihrem Vater lief, von einem Polizisten aufgehalten wurde und schluchzend immer wieder sagte, dass es Notwehr war, dass ihr Papa doch nur geholfen hatte. Dass er Alfred gerettet hatte.
Kurz darauf war auch Renate da und bot ihm ein Taschentuch an. Ihm fehlte nichts, er musste sich lediglich in all dem Schrecken auf die Zunge gebissen haben. Die Blutung hörte bald auf, die Situation beruhigte sich und es wurde still um ihn herum.
Wie in Trance schüttelte Alfred den Kopf, als Renate ihn dazu drängte, mit zum Auto zu kommen. Erst als Nina zu ihm lief, schloss er sie fest in die Arme und beteuerte er ihr, dass alles gut werden würde. Nachdem er dieses Mantra unzählige Male wiederholt hatte, kam sie zu Wort und ihre Stimme verschwamm zu einer matschigen Geräuschkulisse, in die sich wieder eine tiefe, männliche mit einmischte.
„Mensch! Mensch, Alfred-“, Gabriel klopfte ihm anerkennend auf die Schulter und Alfred musste einige Male blinzeln, ehe er wieder wirklich zu sich kam, „Das war stark, Mann. Und knapp noch dazu, scheiße ey!“
„Was- wie-“, begann Alfred zittrig, aber Gabriel legte den Arm um ihn, während Nina sich an die beiden klammerte, als gäbe es kein Morgen mehr.
„Fast hätten die mich an seiner Stelle mit auf die Wache genommen“, lachte Gabriel und wischte sich das Blut aus dem Gesicht.
Aus seiner Nase floss sofort Neues nach und Alfred reichte ihm das unbenutzte Taschentuch, das er selbst noch fest umklammert hielt.
„Scheiße Mann, das hätte richtig schief gehen können!“, fluchte Gabriel und musste wieder lachen, „Aber weißt du wie lange ich auf diesen Moment gewartet habe? Ist dir überhaupt bewusst, wie oft ich diesem Bastard schon die Fresse polieren wollte und nur auf die Chance gewartet habe?“
Nina schnaufte, als würde sie versuchen zu lachen, aber nichts Lustiges daran finden können. Sie klammerte sich an Alfreds Arm, vergrub das tränenüberströmte Gesicht in seinem Jackenärmel und zog geräuschvoll die Nase hoch. Dann schluchzte sie und er strich ihr sanft übers Haar.
„Lasst uns einfach nach Hause gehen“, wimmerte Nina kläglich.
Alfred schloss sie fest in seine Arme und nickte.
Einige Momente schlugen ihre aufgeregten Herzen im selben Takt und es war das Einzige, was Alfred den Halt gab, den er nun brauchte, um wieder ein bisschen zur Ruhe zu kommen.
Gabriel hatte ihm noch angeboten, ihn schnell nach Hause zu fahren, doch diesmal verspürte Alfred, das dringende Bedürfnis, noch einige Schritte an der frischen Luft zu gehen. Er wollte nur ein paar Meter laufen und die nächste Bahn nehmen, doch stattdessen verschlug es ihn wieder in den Park.
Das Telefon fand er in seiner Tasche. Der Bildschirm hatte Risse, aber es funktionierte noch. Alfred fühlte sich dennoch nicht imstande, irgendjemanden anzurufen oder zu schauen, ob die Nachricht zumindest noch als Entwurf gespeichert war. Stattdessen machte sich Resignation in ihm breit.
Darius wartete sicher nicht auf seinen Anruf oder seine Nachricht. Er könnte sich genauso gut melden, wenn er etwas zu sagen hätte. Wie lange hatten sie voneinander nicht mehr gehört? Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit.
Alfred versuchte, die wieder aufkommenden Ängste zu verdrängen, dass ihm etwas zugestoßen war. Auch von Theresa hatte er nicht gehört. Nicht einmal Gabriel hatte das und Theresa hätte ihn benachrichtigt. Theresa würde es doch wissen? Natürlich würde sie das. Wenn sie schon nicht bei Alfred anrufen würde, dann mit Sicherheit bei ihrem Bruder. Es konnte nicht anders sein.
Nicht einmal Kristian Dahl würde es schaffen, Darius etwas anzutun, ohne dass Theresa davon erfuhr. Selbst wenn er aufgrund eines neuerlichen Zusammenbruchs im Krankenhaus liegen würde, Theresa wäre informiert und hätte auch ihm persönlich davon erzählt. Es lag nicht an seinem Zustand. Es musste daran liegen, dass er Alfred momentan einfach nicht sehen wollte.
Und daran würde weder eine Prügelei noch das Konzert etwas ändern.
Resigniert ließ Alfred sich auf einer Parkbank nieder und atmete tief durch.
Nach einer ganzen Weile, in der sich die grübelnden Gedanken letzten Endes beruhigten und einfach nur Leere in in seinem Kopf herrschte, zwang ihn doch sein Herz dazu, das Telefon aus der Tasche zu nehmen.
Noch bevor er es anschaltete, hielt er jedoch inne.
Im Licht der nahen Laterne spiegelte der zersplitterte Bildschirm auf eine Weise, die sein eigenes Gesicht in den Scherben sichtbar werden ließ.
Lange Zeit starrte Alfred einfach nur.
Er sah sich selbst in die Augen und der Mann schaute mit offenem, ruhigen Blick zurück. Es war ein guter Mann. Ein Mann, der nichts zu verbergen hatte. Er musste den Blick nicht beschämt abwenden. Es gab nichts, das er falsch gemacht hatte. Vielleicht hätte er in manchen Situationen anders handeln können. Vielleicht wäre im Nachhinein betrachtet vieles besser gewesen und doch-
Er hatte zu jedem Zeitpunkt, an den er sich erinnern konnte, so gehandelt wie er in eben jener Situation hatte handeln können. Alle Fehler, die er je getan hatte, fielen nicht strafend auf ihn zurück. Er konnte aus ihnen lernen, es in Zukunft besser machen. Doch er hatte sich letzten Endes nicht halb zu viel vorzuwerfen wie er immer dachte. Für einen Moment schloss er die Augen und atmete tief durch, dann öffnete er sie wieder, um den Mann wieder anzusehen.
Fast aufmunternd lächelte er Alfred an. Um seine Augen und den Mund schlug die Haut leichte Falten, er wirkte müde und doch so zuversichtlich, dass Alfred nicht umhin konnte, als ihm seine Fehltritte zu verzeihen.
Er kannte diesen Mann gut. Und er hatte ihn wahnsinnig vermisst.
Sie lächelten einander noch kurz an, verstohlen wischte sich der Mann eine Träne aus dem Augenwinkel, dann nickte Alfred ihm zu und steckte das Telefon in die Tasche zurück. Sein Herz fühlte sich zum Bersten voll an und in seiner Brust brodelten so viele Gefühle, dass die Beklemmungsgefühle keinen Platz mehr hatten. Ihm war, als würde sich alles in ihm immer weiter ausdehnen, sodass er einige Zeit lang nicht wusste, wohin mit sich und diesen Empfindungen.
Er wusste nur, es musste raus- raus aus ihm, hinein in die Welt.
Sein suchender Blick fiel auf ein weiteres Gesicht. Schubert stand dort still und stumm, seine wachsamen Augen ruhten auf Alfred und er musterte ihn gütig, zufrieden und doch mit aufforderndem Blick.
Alfred war hierher gekommen, um sich seiner Sehnsucht hinzugeben. Er hatte diesen Ort ausgewählt, an dem er mit Darius gesessen war. Als sie einander zum ersten Mal geküsst hatten, einander gezeigt hatten, wie es um ihre Gefühle bestellt war – es schien eine Ewigkeit seitdem vergangen zu sein.
Aber in diesem Moment konnte er sich nicht dazu hinreißen lassen, Darius zu vermissen. Er dachte in liebevoller Zärtlichkeit an ihn, ja. Aber nicht mehr in verzweifeltem Schmerz, denn so vieles wurde Alfred in diesem Moment klar.
Er atmete. Er lebte.
Sein Herz schlug so schnell und aufgeregt, es hüpfte in seiner Brust und Alfred meinte noch einige Momente lang, dass er nun entweder lachen oder weinen musste, um sich zu befreien, doch als er den Mund öffnete, um sich endlich etwas Erleichterung zu verschaffen, musste er singen.
Es ging nicht anders. Er konnte es nicht zurückhalten.
Er schaffte es nicht mehr, seine Stimme zu dämpfen. Er konnte die Töne nicht mehr in sich einsperren, sie suchten sich von selbst ihren Weg nach draußen.
Er konnte all diese überwältigenden Gefühle nicht mehr in sich selbst zurückhalten, sie drangen aus ihm in der Form von Musik. Und Alfred sang.
Alfred Wunderlich sang sich nach so vielen stillen und stummen Jahren sprichwörtlich die Seele aus dem Leib, verschaffte seinen Empfindungen endlich wieder Ausdruck. Ihm war egal, wie es wohl klingen mochte. Es war egal, ob er die Töne traf, es war egal, welche Worte seine Lippen formten.
Immer wieder musste er husten und nach Luft schnappen, doch es dauerte nicht lang, bis er sich wieder gefangen hatte und schon der nächste Atemzug war wieder gesungen. Es war, als wäre ein Damm in ihm gebrochen und alles, was sich in ihm angestaut hatte – all die Unzufriedenheit, all die Angst, die Hoffnung, die Sehnsucht und all die Liebe, die er spürte – all das lag nun in seinem Gesang.
Er wusste nicht einmal recht, was er sang. Er wusste nur, dass er es tat.
Und dass es ihn befreite, dass es ihm Frieden gab.
Eine so tiefe und allumfassende Zufriedenheit mit sich selbst und der Welt, so viel Geborgenheit fand er in der Musik und als er aufstand, um den Klang seiner Selbst, den er so lange versteckt hatte, in die Welt zu tragen, durchfloss ihn so viel Zuversicht und Hoffnung, dass er nicht nur sang, sondern auch weinte und lachte.
Alles gleichzeitig, alles mit einem Mal. Er umarmte Schubert und er sang.
Und während er ungerührt des Gedanken, ob ihn wohl jemand hören würde, seinen Weg fortsetzte, weiter lief durch die Dunkelheit, nicht zur Haltestelle, sondern wohin auch immer ihn seine Füße tragen würden, sang Alfred weiter.
Er sang alles, was ihm in den Sinn kam, alles was aus seinem Herzen kam.
Ihm war, als würde er mehr als nur seine Stimme hören, mehr als nur die einzelnen Töne und ihre Melodie. Er hörte sich selbst. Er war wieder da, er lebte, er atmete und er sang. Und zwischen all diesen hoffnungsvollen Klängen durchdrang ihn sanft und liebevoll die Wärme der Musik einer bestimmten Person.
Darius. Darius Ottesen, der gar nicht anwesend war und doch mit seiner puren Existenz, ob nun geprägt durch Freud‘ oder Leid, Alfred auf so tiefgreifende Art und Weise verändert hatte, sein Leben so durch und durch auf den Kopf gestellt hatte, dass er all dies wieder in ihm zum Schwingen gebracht hatte.
Vielleicht hatte er sich Glück und Frohsinn gewünscht, wenn er an die Liebe dachte. Doch während er singend durch die Nacht lief, erkannte Alfred, dass so viel mehr dazugehörte. Nicht zur Liebe. Nicht zur Zweisamkeit.
Sondern zum Leben. Zum Leben als solches, das er lange Zeit nicht mehr bewusst wahrgenommen hatte. Dass er verflucht hatte, mit Füßen getreten, nicht zu schätzen gewusst und vergeudet hatte.
In diesem Moment war es mehr als eine bloße Existenz, die vielleicht noch einige Jahre mehr als geplant andauern würde.
Alfred fühlte. Alfred lebte. Alfred sang.
Zum ersten Mal seit Jahren fühlte er sich lebendig.
So wahnsinnig lebendig, dass er erst vollkommen erschöpft, außer Atem, hustend und schnaufend zum Stehen kam, als er sein Elternhaus erblickte, zu dem er ohne nachzudenken nun durch einen großen Teil der Stadt gelaufen war. Seine Füße schmerzten, seine Kehle brannte wie Feuer, doch es durchströmte so mit Vollkommenheit, dass er sich nur mit Mühe beherrschen konnte.
Es war mitten in der Nacht, als er an der Haustür klingelte.
Es war bestimmt weit nach Mitternacht, als sein Vater sie öffnete und ihn mit irgendeinem blöden Spruch auf den Lippen herein bat. Alfred hörte kaum zu, er umarmte ihn stattdessen fest und ließ ihn mit heiserer Stimme wissen, dass er ihn lieb hatte.
Kurt Wunderlich starrte, als hätte er einen Geist gesehen.
„Bist besoffen oder eh komplett verrückt geworden?“, fragte er gerade heraus und zeigte Alfred den Vogel, „Ich fass es ja nicht- Jetzt komm rein, bevor dich jemand sieht! Bist ganz schön spät dran, wir wollten uns grad schon damit abfinden, dass du dich heut nicht mehr blicken lässt.“
Alfred lachte, er wollte sich die gute Laune nicht verderben lassen.
Erst als er durch den Hausflur einen Blick durch die offen stehende Tür zum Wohnzimmer erhaschte, fiel ihm auf, dass sein Vater das Wort ‚wir‘ benutzt hatte und es sich anhörte, als hätte er auf ihn gewartet – dabei war er doch nicht einmal angemeldet und sie gar nicht verabredet gewesen.
Ein bisschen fühlte er sich ja doch, als wäre er betrunken.
Der Freudenrausch ebbte langsam ab, allein die Anwesenheit seines Vaters ließ ihn auf den Boden der Tatsachen und in die Realität zurückkommen. Doch irgendetwas entsprach nicht der üblichen Routine.
Irgendetwas war anders.
Auf dem Tisch stand eine Vase. Darin schmückte ein Strauß aus weißen Rosen und Lavendelblüten die sonst so vertraute Umgebung. Und als Alfred verdutzt den Blick von dieser wundersamen Erscheinung hob, blickte er in tiefschwarze Augen.