Er beobachtete sie aus der Ferne.
Es hatte eine andere Zeit gegeben. Eine Zeit, in der sie zusammen geflohen waren, eine Zeit, in der sie sich gegenseitig gerettet hatten. Eine Zeit, in der sie sich aufeinander verlassen konnten und nur sie beide in einer Welt existierten, die sie beide sich geschaffen hatten. Sie waren auf der Flucht gewesen – vor der Welt und den dunklen Mächten, die in ihr und in ihnen lauerten. Sie hatten nur einander gehabt, aber das war alles gewesen, was sie gebraucht hatten.
Er hatte sich in sie verliebt und sie sich in ihn, doch sie hatte ihn fortgeschickt, als sie die Wahrheit erfahren hatte.
Er hatte sie verraten.
Sie hatte ihn geschlagen und ihn beschimpft, als sie davon erfuhr und er hatte es ihr nicht verdenken können. Es war seine Schuld gewesen, dass sie in Gefahr geraten war, dass sie gefangen worden war. Er hatte sie gerettet. Weil er, als er ihr gesagt hatte, dass er sie liebte, nicht gelogen hatte. Doch sie glaubte ihm nicht, was er ihr auch nicht verdenken konnte. Sie liebte ihn trotzdem, das wusste er. Sie war verletzt und wütend, aber sie konnte ihre Gefühle nicht einfach abstellen. Sie bewies es, als sie beide erneut gefangen wurden. Sie hatte ihm nicht verziehen, dennoch liebte sie ihn genug, um sich selbst für ihn zu opfern. Aber das konnte er nicht zulassen. Er schwor ihr, sie zu hassen. Er schwor ihr, dass er ihr alles nur vorgespielt hatte, dass er alles genau geplant hatte, um sie zu becircen.
Zu Anfang wollte sie ihm nicht glauben, aber er war schon immer ein guter Lügner gewesen. Es zerriss ihm das Herz, sie fortzustoßen, doch es war die einzige Möglichkeit, sie für immer in Sicherheit zu wissen. Er brach ihr das Herz und brachte sie dazu, ihn zu hassen, damit sie sich um ihr eigenes Wohl kümmerte, auch wenn es ihn quälte, ohne sie leben zu müssen. Sie hatte ihn zu einem besseren Menschen gemacht, aber mit ihm an ihrer Seite würde sie niemals Frieden haben.
Sie wurden beide gerettet und er ließ sie vergessen. Er ließ sie alles vergessen, was sie gemeinsam durchlebt hatte. Er ließ sie ihn vergessen. Nur so würde sie ihre verdiente Ruhe finden. Sie war glücklich. Er wusste es, weil er verborgen über sie wachte, wie es seit jeher seine Aufgabe gewesen war.
Nur manchmal, in einigen seltenen Momenten, glaubte er, in ihren Augen lesen zu können, dass ihr etwas fehlte. Dass sie merkte, dass etwas nicht stimmte, dass sie ihn vermisste, ohne zu wissen, dass er überhaupt existierte. In diesen Momenten wünschte er sich nichts sehnlicher, als sich ihr zu offenbaren, ihr die Wahrheit zu sagen, neu mit ihr anzufangen. Aber er wollte sie nicht wieder in Gefahr bringen.
Er würde ungesehen über sie wachen, einsam und verloren. Und wenn der Wind durch ihr Haar strich, trug er seine geflüsterten Worte mit sich, die sie nicht verstand, die sie aber dennoch auf ihrem Weg begleiteten.
Er war ihr stiller Wächter. Bis in alle Ewigkeit.