Blind Date
Ich meine es doch nur gut, erklang die Stimme ihrer besten Freundin in ihrem Kopf, während sie weiter auf das Restaurant zuhielt, in dem ihre Freundin ein Blind Date für sie arrangiert hatte. Sie fluchte leise. Wie hatte sie sich nur auf diesen Mist einlassen können? Sie konnte selbst ihre Dates vereinbaren und nur weil sie es nicht tat, musste das nicht heißen, dass sie es nicht konnte! Sie hatte sich bloß dagegen entschieden. Aber ihre Freundin hatte sie erpresst, sie hatte gedroht, peinliche Fotos von der letzten Party auf Facebook zu veröffentlichen, wenn sie nicht wenigstens eine Stunde in dem Restaurant zubrachte.
Sie betrat das Restaurant und fragte am Tresen nach dem Platz, den ihre Freundin reserviert hatte und ob ihr ‚Begleiter‘ schon da war. Die Bedienung verneinte und führte sie zu dem Platz. Sobald sie saß, warf sie einen Blick auf die Uhr. Er war zu spät. Das war ein Minuspunkt.
Heather musste noch weitere zehn Minuten warten, bevor die Kellnerin jemandem an ihren Tisch führte. „Entschuldige die Verspätung! Ich-“ Er brach ab.
Sie konnte ihn nur schockiert anstarren. Das konnte unmöglich Sophias Ernst sein! Vor ihr stand Junis Michaels, ihr erklärter Erzfeind. Es gab niemanden, den sie mehr verachtete. In der Uni geriet sie täglich mit ihm aneinander. Das sollte Sophias Cousin sein? Mit dem sie sie verkuppeln wollte?
„Heather, dich hätte ich hier nicht erwartet.“ Er hatte den Schock scheinbar überwunden und ließ sich ihr gegenüber sinken. Auf den Lippen trug er dieses selbstgefällige Grinsen, dessen Anblick sie bereits regelmäßig in Rage brachte.
„Nun, hätte ich gewusst, dass du kommst, wäre ich auch nicht hier. Warst du eingeweiht oder erpresst dich Sophia auch mit irgendwelchen peinlichen Fotos?“
Er grinste unverschämt. „Nicht ganz. Aber ich habe mit ihr gewettet. Wenn ich meine Verabredung nicht für eine Stunde oder länger halten kann, dann muss ich nackt in die Uni gehen.“
„Wie schade, dass ich das den Studenten antun muss, das will keiner sehen, doch ich werde gewiss keine Stunde bleiben.“ Scheiß auf die Fotos! Und eigentlich war es eine Lüge, denn er sah wahnsinnig gut aus – was er auch zu nutzen wusste und was Heather am meisten nervte – und alle Studentinnen und auch einige Studenten wollten ihn nur zu gern nackt sehen.
„Du willst also schon gehen?“ Er zog einen Schmollmund.
Sie verdrehte bloß die Augen und nahm ihre Tasche. Sie stand auf, doch seine Hand schloss sich um ihr Handgelenk. „Jetzt warte doch mal.“
„Worauf denn?“ Sie wirbelte zu ihm herum. „Dass du deine Macho-Sprüche bringen kannst?“
„Ich wollte dich bloß bitten zu bleiben.“
„Warum?“
„Damit wir uns besser kennenlernen können?“
Heather schnaubte nur.
„Na schön, dann sieh es mal so: Du hast eine Stunde Zeit, mir jegliche Art von Beleidigung an den Kopf zu werfen und mir alle deine Meinungen zu präsentieren, ohne dass ich flüchten kann. Also bleib doch bitte hier.“
Also wenn er es so formulierte, klang es doch wie ein ausgesprochen verlockendes Angebot.