Die Erinnerungen an David taten weh. Es waren wundervolle Erinnerungen an unglaubliche Zeiten und unvergessliche Momente, die für immer in meinem Herzen ruhen würden. Aber sie taten weh, weil ich wusste, dass sie niemals wiederkehren würden, dass es keine Chance gab, sie zu wiederholen. Erinnerungen waren das Einzige, was mir geblieben war. Erinnerungen und ein letzter Brief.
Liebe Clara,
Wenn du diesen Brief erhältst, dann werde ich gegangen sein. Wohin, das weiß ich nicht. Vielleicht in den Himmel. Vielleicht kehrt meine Seele auf die Erde zurück. Vielleicht komme ich in ein großes Nichts und höre einfach auf zu existieren, auch wenn es unvorstellbar ist. Vielleicht komme ich auch in die Hölle, aber da wäre es wenigstens warm.
Sie hatte bei diesen Zeilen unweigerlich lachen müssen. Das war David. Sie vermisste ihn schrecklich.
Ich weiß, dass es dir schwerfallen wird, mich gehen zu lassen. Ich weiß es, weil es mir auch schwerfällt, dich gehen zu lassen. Ich weiß, dass es unfair ist, immerhin bist du diejenige, die ohne mich leben wird, aber ich kann immer nur daran denken, wie sehr du mir fehlen wirst, wo auch immer ich hingehe. Natürlich hat es eine Zeit vor dir, eine Zeit ohne dich gegeben, aber für mich hat mein Leben erst begonnen, als du vor all den Jahren aus dem Auto gestiegen bist mit zwei Zöpfen und einer Zahnlücke.
Als ich die Diagnose bekam, habe ich begonnen, jeden Abend etwas zu suchen, für das ich an diesem Tag dankbar gewesen bin, etwas, dass mich glücklich gemacht hat, um mir zu beweisen, dass der Tag nicht sinnlos war. Und selbst wenn ich starke Schmerzen hatte, gab es doch immer eine Sache, die mein Leben jeden Tag erhellt hat, die mir gezeigt hat, dass kein einziger Tag verschwendet war – denn ich habe sie alle an deiner Seite verbracht. Du bist das Licht in meinem Leben, mein Glück. Du warst für mich da und wir waren zusammen, mehr brauchte ich nie. Ich brauche keine weiteren zehn Jahre, keine Ewigkeit. Nur ein ganzes Leben. Und mein ganzes Leben habe ich mit dir verbracht. Du bist mein Leben, auch wenn ich in deinem Leben nur ein Kapitel sein werde.
Ich weiß, dass es dir weh tun wird, mich zu verlieren und ich wünschte, ich könnte dir diesen Schmerz ersparen, aber das kann ich nicht. Ich kann dir nur sagen, dass ich wirklich alles dafür gegeben hätte, um bei dir bleiben zu können, aber da das nicht möglich ist, sollst du wissen, dass ich dich immer lieben werde. Ich schreibe dir diesen Brief nicht, weil ich Angst habe, du könntest mich vergessen, sondern weil ich fürchte, dass du dich selbst vergisst. Versuche dich aus meinen Augen zu sehen, damit du niemals vergisst, wie großartig du bist.
Es gibt noch so vieles, dass ich dir sagen möchte, aber auf diesem Papier ist nicht ewig Platz und es gibt ohnehin keine Worte der Welt, die auszudrücken vermögen, wie sehr du mir fehlen wirst. Aber ich glaube daran, dass wir eines Tages wieder vereint sein werden. Bis dahin lebe dein Leben, liebe, lache, schöpfe jeden Moment voll aus. Und ich werde auf dich warten.
In Liebe, David
Ich wusste, dass David immer in meinem Herzen bleiben würde. Er würde immer der Junge sein, der mein bester Freund gewesen war, seit wir in das Haus neben seinem gezogen waren. Der Junge, der mir in jedem Moment meines Lebens bedingungslos zur Seite gestanden hatte. Der Junge, der mir vor der ganzen Schule gestanden hatte, dass er mich liebte. Auch wenn wir schwierige Zeiten durchgemacht hatten, auch wenn es Zeiten gegeben hatte, in denen ich geglaubt hatte, dass wir nicht länger zusammen sein konnten, hatte er mich nie aufgegeben und ich ihn nicht – bis zu seinem Tod. Und darüber hinaus. Denn ich würde ihn für immer lieben.
Er war der Mensch gewesen, den ich am besten gekannt hatte und der mich am besten gekannt hatte. Ich hatte gesehen, wenn sein Lächeln falsch war, wenn er nur Witze riss, um nicht zu zeigen, wie schlecht es ihm ging. Er hatte immer gesehen, wenn meine Eltern sich wieder gestritten hatten. Und stets hatte er mir einen Zufluchtsort geboten.
Er war immer so bodenständig und gefasst. Auch als er die Diagnose bekam. Leukämie. Er blieb gelassen, auch als es ihm immer schlechter ging. Ich konnte ihm die Schmerzen ansehen, aber er beklagte sich nie und versuchte, stark zu sein.
Zehn Monate sollten uns noch vergönnt sein. Zehn wunderschöne und schreckliche Monate zugleich. Wir hatten gute Tage, an denen wir das Leben in vollen Zügen zu genießen versuchten, an denen wir das beste aus der Situation machten. Und dann gab es die schlechten Tage. Es brach mir das Herz zu sehen, wie die Krankheit ihn aufzufressen begann. Ich war so wütend auf die Welt, das Schicksal oder Gott, weil ich wusste, dass man mir David nehmen würde. Ich zeigte David meine Wut nicht, weil ich glaubte, kein Recht dazu zu haben. Er war derjenige, der krank war und der sterben würde, doch er schien es immer zu spüren, wenn ich in meinen trüben Momenten versank. Dann hielt er immer meine Hand und lächelte mich an – mit diesem unglaublichen Lächeln, das unser ganzes Leben lang nur mir gegolten hatte.
Die Tränen streicheln meine Wange und hinterlassen eine kalte Spur. Werde ich jemals darüber hinwegkommen, dass David niemals zurückkehren wird? Wird der Schmerz über seinen Tod jemals vergehen?
Ich weiß, dass ich David immer lieben werde und ihn niemals vergessen werde. Und auch wenn ich mir ein gemeinsames Leben, eine Heirat, eine Familie und gemeinsam alt werden, gewünscht hatte, muss ich ihn nun gehen lassen.