Es war ihr freches Mundwerk gewesen, das ihn vom ersten Augenblick an fasziniert hatte. Sie hatte versucht, seinen Geldbeutel zu stehlen, doch sie hatte nicht mit seinen Reflexen gerechnet. Sie war eine Waise, eine Diebin. Und er war ein Prinz – doch das hatte sie nicht gekümmert, sie hielt nicht mit ihrer Meinung zurück, wie die anderen in seinem Leben es taten.
Sie stammten aus zwei verschiedenen Welten, zwei Völkern. Seit Jahrhunderten herrschte sein Volk über ihres, doch blieben sie stets getrennt – bis zu dem Tag ihrer Begegnung. Er stellte sie als Dienerin ein, bot ihr eine Perspektive und sie half ihm, besser zu verstehen, wie es ihrem Volk ging und wie er dessen Lage verbessern konnte. Er begann an allem zu zweifeln, was ihm sein Vater und seine Berater beigebracht hatten, während er erfuhr, wie schlecht es um die Unteren wirklich stand. Seine Gesellschaft war geteilt und er hatte immer geglaubt, dass es so sein müsste und doch fühlte er sich ihr mehr verbunden als den Seinen.
Und darüber waren sie einander langsam nähergekommen. Vielleicht hätte er daran denken sollen, bevor es zu spät war, bevor ihre Affäre Konsequenzen mit sich brachte, die von größerer Auswirkung waren, als er es sich vorgestellt hatte. Aber in den kostbaren Momenten mit ihr hatte er nie darüber nachgedacht.
Bis sie schließlich schwanger gewesen war. Etwas, das unmöglich sein sollte und allem Wissen über ihre zwei Völker widersprach. Sie hielt es zunächst vor ihm geheim, weil sie selbst überfordert war, doch er war nicht dumm. Er hatte sie gefragt, ob er der Vater war – weil er kaum glauben konnte, dass sein ganzes Leben, ihrer aller Leben auf einer Lüge beruhte.
Er wollte sie heiraten, doch sein Vater zwang ihn zu einer Verlobung mit einer anderen unter der Androhung ihres Todes. Ihm blieb keine Wahl und so musste er ihr das Herz brechen.
Sie verschwand – und wurde von Rebellen getötet. Hass hatte sich seiner bemächtigt und er war unerbittlich, furchtlos gegen die vorgegangen, die seine große Liebe und ihr ungeborenes Kind getötet hatten.
Doch es war alles eine weitere Lüge seines Vaters gewesen.
Denn sie hatte ihm wieder gegenübergestanden – auf Seiten der Rebellen, die sie vor einem Anschlag seines Vaters gerettet hatten. Ihr Sohn kannte ihn nicht, sie hatte ihm seine Herkunft verschwiegen – und er konnte es ihr nicht verdenken.
Er wusste nicht, wie er sich ihm annähern sollte. So viele vergessene und verdrängte Gefühle standen zwischen ihnen. Und doch waren sie beide alles, was sie noch hatten, nachdem sein Sohn seine Mutter und er seine große Liebe ein zweites Mal verloren hatte.